Stan Shih, der Gründer des taiwanischen Computerbauers Acer, war zuletzt alles andere als zufrieden mit seinem Unternehmen. Besonders der kalifornische Konkurrent Apple mit dem Tablet-Rechner iPad kostet den 66-jährigen Asiaten Kunden und Umsatz. Im März trennte sich Shih darum von Vorstandschef Gianfranco Lanci, setzte Verwaltungsratschef J.T. Wang an die Konzernspitze – und der bringt in diesen Tagen nun endlich Acers ersten Tablet-Rechner auf den Markt.
Auf vielen Geräten wird der zweitgrößte Computerhersteller der Welt einen neuen eigenen Shop für E-Books vorinstallieren. Dessen Name: LumiRead. Mit ihm will Acer vor allem Apples iBooks-Store und Amazons Kindle attackieren. Betreiben wird den virtuellen Laden das Berliner Startup Txtr (ausgesprochen: Texter). Das kündigte dessen Gründer und Chef Christophe Maire an. Der Start erfolgt noch im Juni – in Italien, Deutschland, Österreich, Irland, Großbritannien, Spanien, der Schweiz und den Niederlanden. Weitere Staaten sollen nach Plänen Acers sukzessive folgen – auch außerhalb Europas. „Wir erwarten, dass bis nächstes Jahr Millionen von Geräten mit dem Shop auf dem Markt sein werden“, sagt Txtr-Chef Maire. Txtr und Acer haben den Deal vor wenigen Wochen beschlossen, nach neunmonatiger Verhandlung. Acer erhält einen Anteil am Umsatz, Txtr bestimmt, welche Bücher angeboten werden.
Das 50-Mann-Unternehmen Txtr, hinter dem dasselbe Team steckt, das einst den Navigationsdienst Nokia Maps entwickelt hatte, ist kein Neuling im Buchgeschäft. Mit Acers Erzkonkurrenten Asus hatte Txtr-Chef Maire schon vor Monaten einen ähnlichen Vertrag abgeschlossen, zudem betreibt er in Deutschland den E-Book-Laden des Weltbild-Verlags. Derzeit sprechen die Berliner mit weiteren Geräteherstellern. Txtr ist nach eigenen Angaben weltweit der einzige Betreiber von E-Book-Shops, der als Dienstleister international Läden unter fremden Marken managt. Bis zum Sommer sollen die Angebote in 20 Staaten verfügbar sein.
Wohl auch wegen dieser Alleinstellung hat der Mischkonzern 3M erst am vergangenen Mittwoch einen 25-Prozent-Anteil an Txtr übernommen. Der US-Riese sieht dies nicht als Finanzinvestment, sondern als strategisches Investment und will künftig bei Unternehmensentscheidungen mitreden, heißt es aus vertrauten Kreisen.
Acer, aber auch 3M setzen große Hoffnungen in das digitale Buchgeschäft. Der globale Markt für gedruckte und elektronische Literatur ist rund 90 Milliarden Dollar groß.