Technologiekonzern Siemens hofft aufs Bahngeschäft in Russland

Das laute Pfeifen durchbohrt die Ruhe im Abteil. Penetrant dringt der hohe Ton in die Ohren der Fahrgäste. Zunächst beginnt es mit einem leisen Surren ab einer Geschwindigkeit von rund 100 Kilometer pro Stunde, dann steigert es sich mit jeder Tempoerhöhung zu einem unerträglichen hohen Piepton. Das ist nicht der Fahrkomfort, den sich die Ingenieure von Siemens wünschen.

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Der Verlaro Rus - Siemens' Zug für Russland

„Wir kennen das Problem“, sagt David John, Manager bei Siemens. Es sei aber „nichts Dramatisches“. Techniker würden später kleine Bleche an der Außenhaut des Zuges anbringen, die den Fahrtwind ableiten und die Verwirbelungen verhindern, die die unangenehmen Geräusche auslösen.

Es ist früh morgens um 7:15 Uhr. Es ist die Jungfernfahrt des Velaro Rus, der russischen Variante des ICE 3 der Deutschen Bahn. Erstmals fährt der vierte Wagen der neuen Hochgeschwindigkeitsflotte der russischen Staatsbahn RZD Journalisten durch die Sumpf- und Ackerlandschaft um Sankt Petersburg. Es ist eine Demofahrt. Siemens stellt die Züge im Werk in Krefeld her. Alleine. Der ICE 3 war das Produkt eines Konsortiums.

Zeitdruck durch Schönheitsfehler

Kleine Schönheitsfehler sind einkalkuliert, doch große Probleme dürfen nicht mehr auftauchen. Dazu fehlt die Zeit. Ab Dezember sollen die Velaro-Züge im regelmäßigen Pendelverkehr Fahrgäste von Moskau nach Sankt Petersburg bringen – und dem russischen Flugverkehr Kunden abjagen. Die RZD nennt den Zug Sapsan – Wanderfalke. Maximale Geschwindigkeit: 250 Kilometer pro Stunde.

Es ist nicht die Spitzengeschwindigkeit, die man in Deutschland gewohnt ist. 300 Kilometer pro Stunde fahren die ICE-Züge der Deutschen Bahn auf der Rennstrecke von Köln nach Frankfurt. Doch in Russland sind 250 km/h Landesrekord. Es ist ein Meilenstein in dem stolzen Eisenbahnerland, in dem der Tag der Eisenbahner ein Feiertag ist. Und auch für Siemens soll es großer Schritt werden.

Siemens drittgrößter Auslandsmarkt

Das Riesenland im Osten ist der dritte große Auslandsmarkt für das Bahngeschäft des Konzerns. Für China baut Siemens 60 Velaro-Züge, ein Drittel davon ist bereits gefertigt. In Spanien rollen 26 Züge über die Schiene von Madrid nach Barcelona und zurück. Das Tempo ist höher: 300 Kilometer pro Stunde sind normal, 350 sollen es bald werden. Spanien ist eine Erfolgsgeschichte.

Siemens legt sich kräftig ins Zeug, um auch in Russland zu glänzen. Die Anforderungen sind weitaus höher: Wind, Kälte und Eisstürme setzen der Technik besonders zu. Das erfordert Sonderanfertigungen. Eine doppelte Isolierung sichert beispielsweise auch bei Minus 50 Grad Celsius noch eine behagliche Temperatur im Innenbereich des Velaro. Um ein Zufrieren der technischen Antriebsaggregate unter dem Boden bei sibirischer Kälte zu vermeiden, saugt außerdem ein Ventilator Luft vom Dach nach unten in die Unterbodenwanne. Der dadurch entstehende Überdruck verhindert, dass sich die Ritzen, Schrauben und Ventile mit Eis zusetzen. Die eigens für den Velaro Rus entwickelte Technik war auch Grund für die auftretenden Fahrgeräusche.

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