Schon im Frühjahr fielen einige Vertriebspartner von Kabel Deutschland durch ihre dubiose Arbeitsweise auf. Unternehmenschef Adrian von Hammerstein kündigte daraufhin die Zusammenarbeit mit mehreren externen Callcentern auf. Doch jetzt erregt der Chef des größten deutschen Kabelnetzbetreibers erneut Aufsehen wegen dreister Vertriebsmethoden. Denn im Auftrag des Unternehmens ziehen seit Juli Außendienstmitarbeiter und selbstständige Handelsvertreter von Haus zu Haus – ausgestattet wie Techniker mit Werkzeugkoffer und Pegeltester. Sie wollten an den Kabelbuchsen „Signalmessungen zur Qualitätssicherung“ für einen besseren TV-Empfang durchführen, behaupten die gut geschulten Verkäufer und verschaffen sich so schnell Zutritt zu Wohnungen, zumal der Test kostenlos ist. Tatsächlich klingeln die „Medienberater“, wie die Außendienstler offiziell heißen, um Festnetzkunden der Deutschen Telekom und anderer Telefongesellschaften abzuwerben. Das geht aus einem internen Schulungsleitfaden hervor, mit dem Kabel Deutschland die Handelsvertreter auf die Überraschungsbesuche an der Haustür vorbereitet. „Der Pegeltester ist ein geniales Werkzeug, um in die Wohnung zu kommen“, sagt ein Handelsvertreter, „80 Prozent der Menschen lassen den Techniker rein.“
Der Pegeltest ist die neueste Masche von Drückerkolonnen, die auf Provisionsbasis möglichst viele Kunden für Kabel Deutschland gewinnen sollen. Ist der Vertreter in der Wohnung, entfaltet er sein Verkaufstalent. „Oh, schon wieder ein Doppelzahler!“, sollen laut Schulungsunterlagen die „wie Profi-Sportler trainierten“ Handelsvertreter ausrufen. „Sie zahlen für zwei Leitungen, brauchen aber nur eine.“ Mit spitzem Bleistift zeichnen die Vertreter ein Häuschen mit zwei Anschlüssen und erklären, dass sich die Grundgebühr für den Telekom-Anschluss sparen lasse, da man auch über das TV-Kabel telefonieren und im Internet surfen könne, das Kabel Deutschland betreibe. Für den Kabelanschluss müssen die Kunden dann zwar mehr zahlen, sparen gegenüber früher aber bis zu zwölf Euro pro Monat. Das Nachsehen haben die Telefongesellschaften.
Je Neukunde schüttet Kabel Deutschland Top-Provisionen von bis zu 200 Euro aus. Gute Vertreter verdienen so im ersten Monat bis zu 10.000 Euro. Allerdings sinkt der Verdienst in den Folgemonaten, spricht sich doch in der Nachbarschaft herum, dass der Pegeltester nur Telefon- und Internet-Anschlüsse verkaufen will.