
Die Deutsche Telekom steht vor dem größten Netzumbau ihrer Unternehmensgeschichte. Bis 2014 will Obermann weite Teile Deutschlands mit Glasfasernetzen modernisieren, die traditionelle Telefonvermittlung durch nahezu vollautomatische Internet-Techniken ersetzen und rund 7000 der insgesamt 7900 Schaltstellen im gesamten Bundesgebiet schließen. Das geht aus einem vertraulichen Papier hervor, das Telekom-Vorstand Timotheus Höttges, zuständig für die Festnetzsparte T-Home, Konkurrenzunternehmen vorgelegt hat. Demnach will die Telekom bis 2014 ihre Netzstruktur drastisch straffen und dadurch Personal- und Übertragungskosten in Milliardenhöhe einsparen. Die Telekom-eigenen Kupfer- und Glasfaserkabel mit derzeit mehr als 1,8 Millionen Kilometern Gesamtlänge sollen dann nur noch in 900 hochmodernen, zentralen Hauptverteilern zusammenlaufen, die alle Verbindungen zwischen den Kunden der Telekom und der Konkurrenten schalten. Gleichzeitig würde die Telekom damit jenen Konkurrenten, die in eigene Infrastruktur investieren, die Wettbewerbsgrundlage entziehen.
Unternehmen wie die Vodafone-Tochter Arcor, Telefónica und QSC besitzen zwar eigene Leitungen. Für den Zugang zu den Hausanschlüssen – die sogenannte letzte Meile – nutzen sie aber rund 4000 Schaltstellen der Telekom und erreichen so mittlerweile 70 Prozent der deutschen Haushalte. Doch damit könnte Schluss sein, wenn die Telekom ihre Pläne verwirklicht und Schaltstellen schließt. Einen Teil der Technik verlagert der Konzern in die bundesweit über 325.000 Verteilerkästen, die an den Straßenrändern stehen. Dort gibt es aber keinen Platz für konkurrierende Anbieter. Auch einen Parallelbetrieb von altem und neuem Netz sieht der Telekom-Plan nur für eine kurze Übergangszeit vor. Sobald nur noch sieben Millionen Haushalte die traditionellen Analog- oder ISDN-Anschlüsse nutzen, will die Telekom das alte Netz komplett abschalten und die Kunden „zwangsmigrieren“, wie es bei der Telekom-Festnetzsparte T-Home heißt. Derzeit nutzen noch 29 Millionen Haushalte das alte Netz.
Die Telekom versteht ihre Umbaupläne als „erstes Diskussionspapier“ für weitere Gespräche mit den Konkurrenten und der Bundesnetzagentur, die für Ende August terminiert sind. Trotzdem sind die Wettbewerber alarmiert. „Die Telekom zieht alle Vorteile aus dem Netzumbau“, kritisiert etwa Netcologne-Chef Werner Hanf. „Und den Konkurrenten werden alle Nachteile aufgebürdet.“ Ihnen würden Wertberichtigungen von rund einer Milliarde Euro drohen, zeigen Berechnungen von Netcologne. Denn viele Infrastruktur-Investitionen würden sich bis zur Schließung der Schaltstellen nicht amortisieren. Dagegen kann die Telekom auf Sondererlöse von bis zu 3,5 Milliarden Euro hoffen – durch einen Verkauf der dann frei werdenden Immobilien-Standorte. Die Organisationen der Konkurrenten, der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten und der Bundesverband Breitbandkommunikation, fordern deshalb längere Übergangsfristen von mindestens sieben Jahren oder Ausgleichszahlungen an die betroffenen Unternehmen. Die Telekom lehnt dies ab.
Netcologne hat inzwischen schon einen „Antrag auf Anordnung von Entgeltaufschlägen“ bei der Bundesnetzagentur gestellt. Für jedes Gespräch, das bei Netcologne-Kunden künftig ankommt, fordert sie von der Telekom 0,8 Cent pro Minute.