Telekommunikation Welche Konsequenzen der Telekom aus dem Spitzelskandal drohen

Je tiefer die Deutsche Telekom in ihren Affären versinkt, desto schwerer fällt Vorstandschef René Obermann die überfällige Sanierung des Konzerns.

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Langes Nachbeben bei der Quelle: AP

Hamid Akhavan wagt sich als Erster aus der Deckung. Nur kurz hat der T-Mobile-Chef und enge Vertraute von Konzernchef René Obermann überlegt, ob der Spitzelskandal es ihm überhaupt erlaube, über die Zukunft der Deutschen Telekom zu reden. Doch dann wischt der gebürtiger Iraner alle Bedenken beiseite: „Life goes on“, sagt er und schwärmt im hermetisch abgeschirmten, hauseigenen Forschungslabor, der eigentlichen Schatzkammer des Konzerns, über die schöne neue Telekommunikationswelt.

Das Handy – die weltumspannende Fernbedienung. Der PC – Fernseher und Fensterscheibe zugleich mit flimmerfreiem, hochauflösendem Bild. Und mittendrin die Deutsche Telekom, die alle persönlichen Daten zwischen Büro, Wohnung und Auto hin- und herjagt. „Heute kommt ein Prozent des weltweiten Datenverkehrs aus dem mobilen Internet“, sagt Akhavan und prophezeit: „In einigen Jahren werden es 50 Prozent sein.“ Doch sind die Daten sicher? „Unser Mobilfunknetz ist das sicherste auf der Welt“, erklärt Akhavan – mehr will er im Augenblick nicht sagen.

Krasser könnten Traum und Realität kaum auseinanderfallen. Hier der Visionär Akhavan, der die Deutsche Telekom als Daten-Jongleur in der total vernetzten Welt sieht. Dort die raue Wirklichkeit des Spionageskandals, die Vorstandschef Obermann und das ganze Unternehmen fester im Griff hat, als ihm lieb sein kann. Vor fast zwei Wochen kam heraus, dass die Deutsche Telekom Vorstände und Aufsichtsräte ausspioniert, Listen mit „gefährlichen“ Journalisten angelegt und Maulwürfe in Redaktionen eingeschleust hat. Ein Ende der Verstrickungen ist nicht in Sicht. Immer neue Details werfen zunehmend dunkle Schatten auf den früheren Aufsichtsrats- und Post-Chef Klaus Zumwinkel und legen sich wie Mehltau auf den Riesen vom Rhein.

Kundenvertrauen in die Telekom gestört

Das eigentlich Schlimme für Konzernchef Obermann jedoch sind die Auswirkungen des Skandals auf das Geschäft. Denn je tiefer die Telekom in den Affären versinkt, desto schwerer wird es für den 45-Jährigen an der Spitze, das Unternehmen aus seiner ohnehin schwierigen Lage herauszuführen. Wie soll die Deutsche Telekom Kunden begeistern, wenn die Daten bei ihr nicht gut aufgehoben sind? Woher soll das Management die Zeit für überfällige Übernahmen nehmen, wenn erst einmal Vertrauen zurückgewonnen werden muss in die so gepriesene vernetzte Mobilfunkzukunft? Wie sollen die nächsten Einschnitte bei den immer noch zu hohen Personalkosten in einer Zeit ausgehandelt werden, in der bespitzelte Gewerkschafter nicht gerade versöhnlich gestimmt und in Kompromisslaune sind?

Noch tut die Telekom-Spitze so, als hätte die Spitzelaffäre keine Auswirkungen auf das operative Geschäft. „Wir haben aktuell keinen Rückgang bei den Kundenzahlen zu verzeichnen“, sagte T-Home-Chef Timotheus Höttges auf einer Mitarbeiterversammlung am vergangenen Dienstag. Intern machen allerdings längst Horrorszenarien die Runde. Wenn sich die Ermittlungen der Bonner Staatsanwälte über viele Monate hinziehen, ständig neue Details an die Öffentlichkeit kommen und es am Ende sogar zu einem öffentlichen Prozess mit Zeugenvernehmungen kommt, dann wandern noch mehr Kunden ab und kaufen DSL-Anschlüsse und Handys bei der Konkurrenz, fürchten Top-Manager.

Wie gefährlich der Skandal für Obermann und sein Geschäft tatsächlich schon geworden ist, beweist eine Umfrage des Kölner Marktforschungsinstituts Psychonomics im Auftrag der WirtschaftsWoche. Danach will ein Drittel der befragten Telekom-Kunden wegen der Abhöraffäre „bestimmt“ oder „wahrscheinlich“ zu einem anderen Anbieter wechseln. Weitere 23 Prozent haben sich noch nicht entschieden und wollen „vielleicht“ wechseln.

Fast jeder zweite Befragte hat das Vertrauen in den Magenta-Konzern verloren – nach dem Motto, wenn Journalisten bespitzelt werden, sind wohl auch die Kundendaten nicht sicher. Und auch das ohnehin negative Image verschlechterte sich bereits deutlich. Seit die Staatsanwälte gegen Telekom-Manager sowie gegen Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel ermitteln, kommen auf zwei Freunde der Marke drei Gegner. Noch müssen viele Festnetz- und Mobilfunkkunden der Deutschen Telekom die Treue halten, weil das Unternehmen sie mit Zweijahresverträgen gebunden hat. Doch wenn die auslaufen, droht eine Wechselwelle.

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