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ThyssenKrupp Siemensianer wird Kruppianer - aber langsam

Der designierte ThyssenKrupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger läuft sich jetzt schon im Konzern warm. Der Siemensianer will den Stahlkonzern umbauen. Wird ThyssenKrupp bald ein Abklatsch von Siemens?

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Heinrich Hiesinger (rechts), Quelle: dpa

Prinzip Unauffälligkeit gilt bei Siemens als karrierefördernd. Nicht so bei ThyssenKrupp, wo sich die leitenden Herren - leitende Damen gibt es dort nicht - gern mit breiter Brust und mit lauter Stimme, die gut zum Maschinenlärm der Schwerindustrie passt, gleichermaßen Präsenz wie Gehör verschaffen. Am 1. Oktober tritt der frühere Siemens-Industriechef Heinrich Hiesinger, 50, in den ThyssenKrupp-Vorstand ein, ganz offiziell als Stellvertreter des Vorstandsvorsitzenden. Er soll dem Konzernchef Ekkerhard Schulz nachfolgen, der 67-jährig am 22. Januar des kommenden Jahres in Pension gehen wird.

Dass es ein Siemensianer ist, der in die Spitzenposition des erzkonservativen Revierkonzerns gehievt wird, ist auf Gerhard Cromme zurückzuführen, Aufsichtsratschef beider Dax-Unternehmen. Das hat Cromme viel Kritik eingebracht, dass er quasi bei Siemens auf Talentsuche für seine offene Stelle beim größten deutschen Stahlkocher gegangen ist.

Hiesingers Aufgabe ist klar umrissen: Er soll ThyssenKrupp zu einem siemensähnlichen Gebilde umformen - das heißt unabhängiger vom Rauf und Runter der Stahlkonjunktur machen. TK, so das Kürzel des Revierhirschen, soll ein Technologiekonzern werden und sich mehr als Zulieferer für Großkunden qualifizieren, die sich mit Erneuerbaren Energien, mit Ernährung und Infrastruktur beschäftigt - die auch von Siemens-Chef Peter Löscher als Zukunftsbranchen erkannt worden sind. ThyssenKrupp bald ein Abklatsch von Siemens?

Hiesinger tourt durch den Konzern

Am Stahl werde er festhalten, heißt es jetzt schon aus seiner Umgebung. Jetzt schon tourt Hiesinger durch den international stark verästelten Konzern, schaut sich den Anlagenbauer Polysisus mit seinen Zementanlagen, die Thyssen-Aufzugstechnik und -Rollentreppen sowie die Automobilzulieferung an, die mit den Lenksystemen von Presta auch in Düsseldorf beheimatet sind. Hiesinger flog bereits nach Alabama, wo die viel zu teuren, nagelneuen Stahlwerke von TK stehen, die jetzt erst dabei sind, auf Kundensuche in USA zu gehen.

General Motors, einst als Paradekunde ausgeguckt - als die Investitionsentscheidung fiel - hat mehr Probleme als alle Stahl- und Karrosseriewerke zusammen, die GM beliefern möchten. Auch im neuen Stahlwerk in Brasilien, das zeitgleich mit Alabama fertig wurde, ist Hiesinger schon aufgeschlagen. "Große Reden hält er nicht", sagt ein Begleiter über ihn, "er will die Mitarbeiter kennenlernen und übt sich im Zuhören."

Einen Brief an die Mitarbeiter hat er schon geschrieben, mit den optimistischen Allerlei-Floskeln, die so üblich sind, wenn man sich als Konzernchef einarbeitet. Er "freut" sich auf seine Aufgabe, aber er "wird sein Amt in einer Zeit antreten, die große Herausforderungen für uns bereithält". Das allerdings ist die Chiffre für böse Vorahnungen. Der Konzern hat im vergangenen Jahr einen kräftigen Verlust erwirtschaftet - mit allerhand Missmanagement wie der Verteuerung der Stahlwerkprojekte von drei auf fünf Milliarden Euro.

Das Edelstahlgeschäft ist ohne große Perspektive rot, an drei Standorten produzierte ThyssenKrupp bisher sein glänzendes Nirosta-Metall - in Düsseldorf, Krefeld und Bochum. Düsseldorf wurde gerade geschlossen, die dreckige Vorarbeit hat noch Ekkehard Schulz für ihn erledigt. Den Rest muss Hiesinger besorgen. Das gesamte Automobil-Zuliefergeschäft muss er sanieren, es war im Konzern bisher nicht integriert, sondern fristete eher das Schicksal eines kostspieligen Anhängsels. Auch hier wird Hiesinger sehr harte Hand anlegen müssen.

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