Tivola - Mehrsprachige PC-Spiele für Kinder

Aus der WirtschaftsWoche Nr. 14 vom 26.03.1998 Grosse Faszination

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Sie sind dicke Freunde. Und das von klein auf. Barbara Landbeck, Jürgen Thierig und Karsten "Karlo" Voelker gingen schon zu Gymnasialzeiten in Hamburg zusammen auf die Rolle. Sie quatschten Partynächte durch, trafen sich als Studenten auf der Skipiste und teilten in ihren wilden Jahren auch ihre kühnsten Fantasien. Den Berufseinstieg freilich erlebte jeder für sich: Jurist Karlo ging nach Berlin zur Treuhand und brachte es später zum Geschäftsführer des Meisinger Kinderbuchverlags. Grafikdesignerin Barbara Landbeck entwickelte am Computer Jingles und Trailer für Sat 1. Und der studierte Mediziner Jürgen Thierig arbeitete als Sportjournalist für "ran" und vermarktete Fußballrechte auf CD-ROMs. Die gemeinsame Begeisterung für Multimedia und die Idee, etwas für Kinder machen zu wollen, brachte das Trio 1995 schließlich auch beruflich an einen Tisch. Mit ihrer Berliner Tivola Verlags GmbH produzieren sie seit drei Jahren CD-ROMs. Dabei setzen sie dem von amerikanischen Gewalt- und Actionspielen beherrschten Markt pädagogisch durchdachte Sachspielgeschichten entgegen. Das Spiel "Max und das Schlossgespenst" etwa hat ein klares didaktisches Ziel: "Wir wollen, dass der Computer auch wieder abgeschaltet wird", erklärt die 35-jährige Art-Direktorin Barbara Landbeck: "Kinder sollen neugierig werden auf das, was es alles in der Welt gibt." Ganz nebenbei liefern die Tivola-Spiele Basteltipps, erklären Stadtkindern die Tierwelt oder lassen sie Länder auf der Erdkarte suchen. Die Produktionskosten einer Spiel-CD belaufen sich immerhin auf eine halbe Million Mark (eine viertel Million Euro). Doch diese CDs üben mit ihren schönen Melodien, den liebevoll gesprochenen Texten und den netten Zeichungen sogar auf Erwachsene eine große Faszination aus. Vor allem aber eines machte die mittlerweile 20 Tivola-Produktionen zu Verkaufsschlagern: dass sie sich in verschiedenen Sprachen abspielen lassen. Um ihre CD-ROMs in möglichst vielen Ländern anbieten zu können, produzierten die Tivola-Macher ihre Spiele von Anfang an mehrsprachig. "Was erst nur die Abnehmer im Ausland überzeugen sollte, machte unsere CD-ROMs zu Absatzrennern", so Voelker. Denn die Fremdsprachen wurden das entscheidende Kaufargument für viele Eltern, die ihre Kinder möglichst früh an Englisch oder Französisch heranführen wollen. Der unbeabsichtigte Nebeneffekt sorgte für den Erfolg: Tivola setzte 1997 mit 15 Mitarbeitern 2,5 Millionen Mark (1,3 Millionen Euro) um. Ob die Kinder zusammen mit Fred, dem Pinguin, die Straßenverkehrsregeln lernen oder mit Oscar, dem Ballonfahrer, einen Bauernhof entdecken - sie lernen den Umgang mit Computern. Sie trainieren mit den Tivola-Spielen, die 15 bis 99 Mark (8 bis 51 Euro) kosten, ihr Navigationsvermögen im dreidimensionalen Raum. Dabei entdecken sie die Multimediawelten nie allein, sondern gemeinsam mit Comicfiguren zum Identifizieren. Mittlerweile gibt es Tivola-Spiele in mehr als 15 Ländern - von Australien bis Japan. Jede vierte Umsatzmark stammt aus dem Exportgeschäft. Für 1998 rechnen die Multimediapioniere mit einer Umsatzsteigerung auf vier Millionen Mark (zwei Millionen Euro). Der Weg dahin war steinig: "Für unsere Art von Computerspielen gab es weder Autoren noch Vorbilder", erinnert sich 36-jährige Thierig, der für jedes Spiel ein Team von 50 Mitarbeitern zusammenstellt. Während der Produktion treffen sich Autoren, Illustratoren, Geräuschemacher, Programmierer, Trickfilmzeichner und Screendesigner täglich im Tivola-Büro. Doch der Aufwand lohnt. Denn selbst an pädagogischer Akzeptanz mangelt es Tivola nicht. Die Detektivspiele "Ein Fall für Mütze und Co." etwa retteten so manchem Englischlehrer schon die letzte Unterrichtsstunde.

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