Tourismus-Branche Reiseveranstalter nützen Krise zum Angriff auf TUI und Thomas Cook

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Katastrophen-Stimmung in der Tourismus-Branche

Marktanteile der Touristikkonzerne in Deutschland

Die globale Rezession trifft die Tourismusindustrie härter als alle Krisen zuvor, die Kunden sind zutiefst verunsichert. „So viel Ratlosigkeit hatten wir seit 25 Jahren noch nicht“, sagt Ulrich Reinhardt von der BAT Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg. Jeder Dritte wisse noch nicht, ob er verreisen wird und kann. Ein Jahr zuvor lag dieser Wert bei nur acht Prozent. „Wir wissen aus Erfahrung, dass höchstens ein Drittel dieser Unentschlossenen doch noch Ja zum Urlaub sagt.“ Wirtschaftliche Krisen wirken zudem schlimmer und nachhaltiger als Terror, Vogelgrippe oder Golfkrieg. „Das Reisen an sich wird eher infrage gestellt.“ Die alte Erfolgsformel ,Am Urlaub wird zuallerletzt gespart‘ stehe „vor ihrer großen Bewährungsprobe“.

Zwar versucht wenige Tage vor Beginn der Internationalen Tourismusbörse am kommenden Mittwoch in Berlin der Deutsche Reiseverband das düstere Bild aufzuhellen: Urlaub stehe dieses Jahr „hoch im Kurs“, die Mehrheit der Deutschen wolle auch 2009 wieder verreisen. Doch ob sie es tatsächlich tun, ist zweifelhaft.

Beim Marktführer TUI war der Januar — traditionell der stärkste Monat im Jahr — eine Katastrophe. Die Hannoveraner verkündeten elf Prozent weniger Buchungen für die ersten drei Wochen des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Auch wenn sich die Situation „etwas verbessert“ habe, sagt TUI-Manager Böttcher, könne er Entwarnung „nicht geben“ (mehr dazu im Interview auf wiwo.de).

Den Wettbewerbern geht es kaum besser. Thomas Cook meldete für Januar ein zweistelliges prozentuales Minus. Alltours verbucht bis heute rund zehn Prozent weniger Gäste. Rewe Touristik blieb mit seinen Marken ITS, Jahn und Tjaereborg im Januar „deutlich“ und im Februar „leicht unter Vorjahr“, sagt Euling. Bei FTI, dem Aufsteiger 2008, stand im Januar ein Minus von 15 Prozent, danach habe es zumindest „merklich angezogen“, sagt FTI-Chef Raoul.

Reiseveranstalter fahren harten Sparkurs

Alle namhaften Veranstalter haben daraufhin ihre Kapazitäten für das Sommergeschäft erheblich reduziert. Der Duisburger Reiseanbieter Alltours etwa hat rund 15 Prozent der georderten Flugsitzplätze und Hotelbetten zurückgegeben. Das ist möglich, weil Veranstalter am Anfang einer Saison den Airlines und Hoteliers die Abnahme von Kontingenten nur zum Teil garantieren. Ein Großteil wird gebucht, kann aber storniert werden. Ganz ohne Kosten ist aber auch das nicht möglich.

Firmenchef Verhuven setzt daher den Rotstift an, wo es nur geht. Die Ausgaben für Werbung werden um 3,5 Millionen Euro eingestampft und die Kataloge abgespeckt. „Es kommt alles auf den Prüfstand“, sagt Verhuven – „auch sozial unattraktive Entscheidungen“. Für das laufende Geschäft brauche er 100 Reiseleiter und Animateure weniger. Das will er ohne Entlassungen hinbekommen, indem er beispielsweise befristete Verträge auslaufen lässt. (mehr dazu im Interview auf wiwo.de)

Marktführer TUI steht vor noch härteren Einschnitten. Wie die WirtschaftsWoche aus Unternehmenskreisen erfuhr, konkretisiert TUI Deutschland bereits Pläne für Kurzarbeit ab Mai. „Das wird kommen, wenn der Markt sich nicht erholt“, heißt es intern. Bis dahin wolle das Unternehmen alle Überstunden der Belegschaft auf null reduzieren. Unklar ist, ob nur Teilbereiche wie Vertrieb und Callcenter kurzarbeiten sollen oder alle Abteilungen. Favorisiert wird jedoch Kurzarbeit für alle 1600 Mitarbeiter. TUI wolle  „keine Zwei-Klassen-Gesellschaft“, heißt es. Der Plan sieht vor, drei bis vier Monate Kurzarbeit anzuordnen, die innerhalb eines längerfristigen Zeitraumes von mindestens einem halben Jahr umgesetzt werden müssten. TUI-Deutschland-Chef Böttcher wollte sich dazu nicht äußern.

Gleichzeitig sind die Vorboten des Preiskampfes unübersehbar. Die meisten Veranstalter verlängerten ihre Frühbucherrabatte bis in den März und ließen sich bunte Lockvögel einfallen: TUI lässt 10.000 Kinder kostenlos mit in den Urlaub fahren und gewährt in 44 Hotels einen Preisnachlass von 200 Euro pro Person und Aufenthalt. Thomas Cook schenkt den eigenen Verkäufern einen Extra-Bonus von drei Prozent, wenn die verkaufte Urlaubsreise noch im März beginnt. Rewe Touristik erhöht die Provision für Reisebüros um ein halbes Prozent — bis zu einem Umsatz von 100 Millionen Euro.

Noch tun die Rabatte den Unternehmen nicht weh. Leidtragende sind insbesondere die Hoteliers in den Zielgebieten – allen voran die griechischen. Sie klagen über einen Gästerückgang von bis zu 30 Prozent. Das Problem von Kreta über Mykonos bis Rhodos: Die überwiegend in Familienhand geführten Hotels sind teuer, bieten meist mäßige Qualität und leiden unter traditionell hohen Flugpreisen. Auch die Kanaren bieten nur ein mäßiges Preis-Leistungs-Verhältnis. Nun wird nachverhandelt. „Wir können die Hotelbetten preiswerter einkaufen und geben die Ersparnis über Frühbucherrabatte weiter an den Kunden“, sagt Böttcher. „Das belastet unsere Marge nicht.“

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