Tourismus Deutsche machen Urlaub im eigenen Land

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Weltkulturerbe Völklinger Quelle: dpa/dpaweb

Doch wie bei Reisebüros und -veranstaltern gibt es auch Regionen, die den Zug der Zeit verschlafen. Der Harz hinkt dem Trend hinterher, weil er zu lang an Senioren als vermeintlich lukrative Zielgruppe festhielt. Der Schwarzwald musste in den vergangenen 15 Jahren einen Rückgang der Hotels und Pensionen um fast ein Viertel hinnehmen. Der Inbegriff deutscher Mittelgebirgslandschaft gilt inzwischen „als langweilig“, heißt es in einer Marktstudie des Tourismusverbandes, „bei Kennern als ruhig, sympathisch und natürlich, jedoch auch wenig lebendig“. Nun sollen ein neues Thermalbad in Titisee-Neustadt und ein überdachter Schwarzwald im Miniformat in Triberg, wo Deutschlands höchste Wasserfälle 163 Meter in die Tiefe stürzen, die Wende bringen.

Ein besonders krasses Beispiel für das Gestrige bietet Bad Münstereifel, nur rund 30 Kilometer vom Nürburgring entfernt, wo demnächst der Turbotourismus toben soll. In dem kleinen Dorf mit hübschen Gassen und alter Architektur dominieren Krämer- und Kitschläden, Bäckereien mit „Kaffee vom Feinsten“ und Schlecker in der Ortsmitte. Im „Heino Rathaus-Café“ schwelgen Busgesellschaften in den Volksliedern des ewig blonden Sohns der Region. Dazu gibt es Heino’s Festtagssuppe mit Eierstich, Geflügelklößchen, Nudeln und Brot – für karamba, karacho drei Euro.

Wie sich selbst in traditionsreichen Tourismushochburgen Deutschlands das Geschäft noch ankurbeln lässt, müssen sich die Reisebüros und -veranstalter ausgerechnet von Branchenfremden vorexerzieren lassen. So stiegen der Autobauer Audi und der Möbelhersteller Flötotto als Partner in das Projekt „Sightsleeping-Hotels“ ein, das die Marketingagentur der Bundeslandes Bayern 2007 startete. Das Konzept: Zimmer, in denen die Übernachtung einen Genuss darstellt, weil sie etwa in Burgen oder Design-Hotels liegen, werden unter dem neuen gemeinsamen Label vermarktet.

Flugreisen haben traditionell die höchste Priorität

Bei den Reiseveranstaltern sind solche Ideen Mangelware. Zu selten finden die für Deutschland-Tourismus verantwortlichen Manager beim Vorstand ein offenes Ohr. „Flugreisen haben traditionell die höchste Priorität“, klagt der Manager eines großen Veranstalters. Da könne man mit den Reisen, die „äußerst knapp kalkuliert werden“, kaum mithalten. Zudem konkurrierten die Reiseveranstalter auch mit den Hotels, die ihre Gäste nach einem Urlaub selber anschreiben, nachdem diese beim ersten Mal über den Reiseveranstalter gebucht haben.

Größtes Problem der Branche sind die Vorbehalte der Kundschaft, sie könnten ohne die Veranstalter billiger Urlaub machen. „Wir versuchen schon seit vielen Jahren, dem Kunden klarzumachen, dass wir als Reiseveranstalter preiswerter sind als die Direktbuchung bei den Hotels“, sagt Rolf Hergenhahn, Produktleiter Autoreisen bei Rewe Touristik. Doch die Zielvorgabe entpuppt sich als schwieriges Unterfangen.

Deshalb sucht die Branche nun nach neuen Wegen, vom Deutschland-Geschäft zu profitieren. Rewe Touristik wirbt mit Vorteilskarten wie der Thüringen- oder der SchwarzwaldCard, mit denen Kunden öffentliche Verkehrsmittel und Museen in der Region kostenlos nutzen können oder in Restaurants Preisermäßigungen bekommen. Dieser Mehrwert ist exklusiv gegenüber Wettbewerbern abgesichert, das heißt, Rewe Touristik allein darf die Karte in Pauschalangebote verpacken.

Thomas Cook dagegen bedient sich einer Preisgarantie, wie sie zum Beispiel Baumärkte bieten: Der Urlauber zahlt auf keinen Fall mehr als den Preis, den der Hotelier auf dem freien Markt für seine Zimmer verlangt. Zudem erhalten Kunden eine „Autobahnrabattkarte“ im Wert von 15 Euro. Der Betrag pro Person kann bei 750 Partnern wie Tankstellen und Raststätten entlang der Autobahn eingelöst werden.

Branchenkenner erwarten, dass der fünftgrößte deutsche Veranstalter, FTI, der dieses Jahr mit einem Österreich-Katalog startet, in der kommenden Saison 2010 auch einen Katalog für Deutschland herausgibt. Die Wettbewerber müssen sich dann warm anziehen, denn FTI hat im abgelaufenen Geschäftsjahr das höchste Wachstum der Branche erzielt. Der Einstieg von FTI wäre ein klares Indiz: An Deutschland kommt langfristig kein Reiseveranstalter mehr vorbei.

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