Trotz Wirtschaftskrise: Luxus lebt

Trotz Rezession und Terror blüht das Geschäft mit Edelprodukten. Der Stil allerdings wandelt sich.

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Der Schauraum ist abgedunkelt. Die Scheinwerfer richten sich auf das abgedeckte Auto, von dem nun das Tuch gleitet wie bei einer Denkmalenthüllung. Wenige Sekunden noch, dann ist es ganz zu sehen: der erste Rolls-Royce, den BMW entwickelt hat. Das Modell kommt zwar erst 2003 in den Handel. Bis dahin besitzt VW die Rechte an der britischen Edelmarke. Doch wer nachweist, dass er sich das 300000 Euro teure Luxusauto leisten kann, darf den Prototypen in München bereits besichtigen. Das Interesse ist groß. Erste Vorbestellungen liegen schon vor. Ähnlich ist die Nachfrage in Wolfsburg, wo VW-Chef Ferdinand Piëch unter der legendären Rennwagenmarke Bugatti den teuersten Serienwagen der Welt entwirft. Eine Million Euro soll der 400 Stundenkilometer schnelle Edelflitzer kosten, der frühestens 2003 ausgeliefert wird. Für den Maybach, den DaimlerChrysler ab Oktober 2002 für mindestens 330000 Euro anbietet, haben sich bereits rund 200 potenzielle Käufer gemeldet. Trotz Terror, Krieg und Rezession – das Geschäft mit dem Luxus lebt. Mag die OECD den Industrieländern die schwerste Wirtschaftskrise seit 20 Jahren prophezeien, der Drang zum Luxus ist nicht zu stoppen. Weder durch sinkende Börsenkurse noch durch steigende Arbeitslosenzahlen. Japan zeigt, dass beides zusammenpasst: schrumpfende Wirtschaft und wachsender Luxus. Seit zehn Jahren schon dümpelt die japanische Konjunktur vor sich hin, doch der Luxusmarkt boomt wie nie zuvor (siehe Kasten Seite 62). Auch in Deutschland, wo sich die Wirtschaft schlechter entwickelt als in allen anderen EU-Ländern, verkauft sich Luxus besser denn je. „Die hochwertigen Segmente“, so die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), „wachsen.“ „Menschen, die sich nicht um die lebensnotwendigen Dinge kümmern müssen, konsumieren weit gehend unabhängig von der konjunkturellen Situation“, erklärt der Soziologe Gerhard Schulze, Professor an der Universität Bamberg und Autor des Erfolgsbuchs „Die Erlebnisgesellschaft“. Der Mann verweist auf die Geschichte: Den Wunsch des Menschen, sich aus den „animalischen Niederungen des Notwendigen“ zu erheben, habe es schon in der Antike gegeben. Dennoch: Wenn die Pariser morgens zwischen acht und neun aus der Metrostation Georges V. an der Champs-Élysées aussteigen, sehen sie keine Schlange mehr vor dem Edelladen des Lederwarenherstellers Louis Vuitton. Verschwunden sind die Japanerinnen, die sonst Morgen für Morgen auf die Öffnung warteten. Seit am 11. September zwei Boeings in das New Yorker World Trade Center rasten, bleiben überall Touristen und Geschäftsreisende aus. Das trifft auch die Dutyfreeshops an den Flughäfen, mit die wichtigsten Absatzplätze für Luxusgüter. Der französische Luxuskonzern LVMH, Mutter des Nobeldesigners Louis Vuitton und Betreiber mehrerer Dutyfreeshops, erschreckte Anleger und Analysten bereits mit mehreren Gewinnwarnungen. Ein Alarmsignal für die gesamte Luxusgüterbranche, die weltweit 60 Milliarden Euro im Jahr umsetzt. Immerhin ist LVMH mit einem Umsatz von 11,6 Milliarden Euro, Marktführer. Die italienischen Luxushäuser folgten LVMH und schraubten ihre Prognosen herunter. Gucci etwa erwartet für das laufende Jahr nur noch einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro statt der erhofften 2,7 Milliarden. Die Hamburger Prada-Tochter Jil Sander befürchtet gar den ersten Verlust in der Firmengeschichte. Wie groß der Druck in der Branche ist, zeigt sich schon darin, dass Prada den 25,5-Prozent-Anteil am italienischen Modehaus Fendi vergangene Woche an den französischen Konkurrenten LVMH verkaufen musste. Einbußen erleiden vor allem die Luxusanbieter, die stark vom Reise- oder vom US-Geschäft leben. In den exklusiven Läden an New Yorks 57. Straße bis hin zum Rodeo Drive in Beverly Hills herrscht Trübsal. Die Parkplätze vor den Edelshops sind leer. In den Manhattan-Läden von Dior und Chanel schauen die Verkäufer gelangweilt aus den Fenstern. Kein Wunder, dass der Münchner Modeanbieter Escada sein Umsatzziel im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr (Stichtag 31. Oktober) um 80 Millionen Euro verfehlt. Das Unternehmen erzielt 30 Prozent seines Umsatzes in den USA. Salvatore Ferragamo kommt auf 33 Prozent, Armani auf 26 und Prada auf 25 Prozent. Sie alle haben ihre Erwartungen gedämpft. LVMH, Prada und Gucci leiden außerdem darunter, dass sie rund ein Drittel ihres Umsatz in Bereichen erwirtschaften, die vom Tourismus abhängen. Richemont, den Schweizer Luxuskonzern des Südafrikaners Johann Rupert, ergeht es nicht anders als seinen Konkurrenten. Doch Grund für eine Gewinnwarnung ist nicht nur der Terroranschlag auf die USA, mehr noch verwirrt der Umbau der Uhrensparte. Nach dem Tod Günter Blümleins, des Chefs der gesamten Uhrensparte, soll der Vertrieb nicht mehr getrennt nach Marken erfolgen, sondern nach Regionen. Dabei dürften zumindest die Richemont-Edelmarken IWC und Jaeger-LeCoultre beim Umsatz auch in diesem Jahr um 20 bis 30 Prozent zulegen. „Marken wie Lange & Söhne, IWC und Patek Philippe laufen unabhängig von der Konjunkturlage“, weiß Nicolaus Giercke, Mitgesellschafter des Hamburger Nobelhauses Uhren Becker. „Die Kunden zahlen sogar mehr, wenn die Wartezeit verkürzt wird.“ Und die kann dauern. „Ab 10000 Euro aufwärts“, so Karl-Friedrich Scheufele, Vizepräsident von Chopard, „ist von der Krise nichts mehr zu spüren. “ Das Auktionshaus Phillips, de Pury & Luxembourg konnte bereits vier Wochen nach dem Anschlag auf die USA eine Patek-Philippe-Uhr aus dem Jahr 1944 für rekordverdächtige zwei Millionen Euro versteigern. Das gilt nicht nur für Uhren. Das Bremer Auktionshaus Koppe & Partner schlug wenig später eine Kiste mit zwölf Flaschen 1970er-Château-Pétrus für 12000 Euro los. Zuversichtlich fährt Koppe-Gesellschafter Gernot Koppe deshalb zur Dezember-Auktion im Hamburger Nobelhotel Vier Jahreszeiten. „Im absoluten Hochpreisbereich sprechen wir weltweit nur von wenigen tausend Kunden“, sagt Koppe, „diesen Herrschaften geht es auch in Krisenzeiten gut.“ Es lebe der Luxus. Der Luxus lebt. Trotz allem. Sagt auch Hubertus Pellengahr vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). „Im Topsegment“, so Pellengahr, „läuft alles.“ Aber eben nur dort. Was nicht zum Topsegment zählt, verliert an Ansehen und Nachfrage, selbst wenn es jahrelang als Luxusgut betrachtet und angepriesen wurde. Schuld seien die „multioptionalen Kunden“, sagt Dirk Schneider, Partner der Unternehmensberatung Roland Berger. Menschen, die nicht in permanentem Luxus schwelgen, aber genug Geld besitzen, um sich das Leben in der oberen Mittelschicht durch die eine oder andere Extravaganz zu verschönern. Junge Leute, die den Gucci-Gürtel oder die Prada-Tasche für 300 und mehr Euro als Statussymbol ansahen. „Die jungen Leute kauften aus einer Laune heraus“, so WestLB-Panmure-Analyst Gilles Lequeux, „aus einer guten Stimmung.“ Doch die ist jetzt weg. „Diese Gruppe der oberen Mittelschicht hält sich angesichts der wirtschaftlichen Lage zurzeit beim Einkaufen zurück“, so Unternehmensberater Schneider, „allerdings verpufft dieser Effekt erfahrungsgemäß etwa ein halbes Jahr nach dem Ende der Krise.“ Die allerdings dauert noch an. Den 30 wichtigsten Industrieländern sagt die OECD für 2002 nur ein Wirtschaftswachstum von einem Prozent voraus. Der amerikanischen Konjunktur droht laut OECD im ersten Halbjahr 2002 sogar ein Minus, immerhin erwartet sie fürs zweite Halbjahr erst ein Plus von 3,8 Prozent. Die EU werde im gesamten nächsten Jahr nur einen Zuwachs von 1,5 Prozent schaffen und Deutschland nicht mal den. Die Krise spaltet den Luxusbereich. „Wir verlieren in der Preisklasse zwischen 1000 und 3000 Mark“, sagt Eva-Kim Wempe vom Hamburger Juwelier Wempe, „aber im oberen Segment gewinnen wir sogar dazu.“ Diesen Trend bestätigt der Hamburger Immobilienmakler Engel & Völkers: „Im hohen Segment ab vier Millionen Mark aufwärts zieht das Geschäft an“, so Geschäftsführer Jörg Buchen, „aber der untere und mittlere Bereich entwickelt sich schlechter als 2000.“ Der Schweizer Swatch-Konzern, reich geworden duch Billiguhren, hat sich bereits auf die Teilung des Luxusbereichs eingestellt. In den vergangenen Jahren kaufte Swatch-Gründer Nicolas Hayek Edelmarken wie Breguet, Blancpain, Longines und Glashütte auf. 41 Prozent tragen die Nobeluhren inzwischen zum Umsatz von insgesamt 2,8 Milliarden Euro bei, 1992 waren es erst 28 Prozent. Künftig will Hayek unter den Marken Blancpain und Glashütte auch Schmuck bis zu 130000 Euro anbieten. Kleingeld für die Yachtbauer, deren Luxusschiffe 25 Millionen Euro und mehr kosten. „Je teurer die Produkte sind, desto besser verkaufen sie sich“, staunt Jürgen Tracht, Geschäftsführer des Bundesverbandes für Wassersportwirtschaft. Der Düsseldorfer Boot im Januar, der wichtigsten Messe der Branche, sagt Tracht einen großen Erfolg voraus. Nicht, weil einige Kunden noch schnell ihr Schwarzgeld ausgeben müssten, das sie nicht in Euro umtauschen könnten. Auf der Hamburger Bootsmesse Hanseboot haben die Steuerfahnder der Hansestadt deshalb erst gar nicht kontrolliert. „Es ist schwer nachzuweisen, dass Produkte mit Schwarzgeld gekauft wurden“, entschuldigt sich Klaus Aßmann von der Oberfinanzdirektion Hamburg. Uhren-Becker-Gesellschafter Giercke schätzt, dass in seiner Branche in den nächsten Wochen auf Grund des Schwarzgelds allenfalls ein bis zwei Prozent zusätzlich umgesetzt werden. „Das meiste Schwarzgeld“, so Giercke, „ist längst untergebracht.“ Das Geschäft mit den Superreichen ist aufs Schwarzgeld nicht angewiesen. Es läuft auch so dezent, aber bestimmt weiter. Unternehmensberater Schneider: „Dieses Segment wird immer größer.“ Allein in Europa hat sich die Zahl der Dollar-Millionäre in den vergangenen 15 Jahren vervierfacht. In Asien stieg ihre Zahl sogar um 600 Prozent. 7,2 Millionen Dollar-Millionäre gibt es weltweit, so die Unternehmensberatung Cap Gemini Ernst & Young und die Investmentbank Merrill Lynch, die gemeinsam den World Wealth Report 2001 herausgeben. 7,2 Millionen Menschen – das ist knapp ein Promille der Weltbevölkerung. Diese 7,2 Millionen Reiche kontrollieren ein Vermögen von 27 Billionen Dollar, eine Zahl mit zwölf Nullen und fast viermal so hoch wie noch 1986. 8,4 Billionen Dollar davon gehören den Superreichen – Bürgern, von denen jeder ein Privatvermögen von mindestens 30 Millionen Dollar besitzt. Barvermögen, versteht sich. Immobilien gehen extra. „In den nächsten fünf Jahren wird das Privatvermögen von Dollar-Millionären voraussichtlich um jährlich acht Prozent wachsen“, prognostiziert Andreas von Buddenbrock, Chef der Privatkundenabteilung bei Merrill Lynch Deutschland. Die flaue Weltkonjunktur werde diesen Trend nicht aufhalten. „Diese Entwicklung“, so Buddenbrock, „ist auf langfristige Faktoren zurückzuführen“: etwa der wachsenden Zahl börsennotierter Unternehmen, einem steigenden Engagement in Wertpapieren und – speziell in Deutschland – einem zunehmenden Verkauf mittelständischer Unternehmen. Rund 80000 Mittelständler, so Merrill Lynch, denken in Deutschland über einen Verkauf ihrer Firma nach. Die Eigentümer wollen Kasse machen so wie bei der Bremer Brauerei Beck, wo der Interbrew-Konzern den 67 Beck-Gesellschaftern 1,8 Milliarden Euro zahlte und selbst der kleinste Gesellschafter mit einem Anteil von 0,06 Prozent noch mehr als eine Million Euro kassierte. „Wir rechnen mit einem deutlichen Anstieg von Börsengängen und Verkäufen mittelständischer Unternehmen in den nächsten Jahren“, sagt Buddenbrock. „Diese spezielle Situation in Deutschland wird die Zahl der Reichen extrem ansteigen lassen.“ Hinzu kommt, dass in Deutschland in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich rund 2,2 Billionen Euro vererbt werden – doppelt so viel wie in den Neunzigerjahren. Rund die Hälfte davon ist Barvermögen. Schon jetzt leben in Deutschland 365000 Reiche. Dazu zählt laut Merrill Lynch und Cap Gemini, wer ein Geldvermögen von mehr als einer Million Euro besitzt. Insgesamt verfügen die Reichen in Deutschland über zwei Billionen Euro. 3700 von ihnen gelten als superreich, weil ihnen ein Geldvermögen von mehr als 30 Millionen Euro gehört, insgesamt 612 Milliarden Euro. Mehr als 90 Prozent der Reichen und Superreichen wohnen in den alten Bundesländern, die meisten in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg. In diesen Ländern existieren noch besonders viele Familienunternehmen, darunter die Essener Aldi-Brüder Theo und Karl Albrecht, Tengelmann-Chef Erivan Haub, der Haniel-Clan und die noch verschwiegenere Neusser Werhahn-Familie. Die Citys von Düsseldorf und München, den Hauptstädten Nordrhein-Westfalens und Bayerns, zählen denn auch zu umsatzträchtigsten Einkaufsmeilen. Gemessen an der Bevölkerungszahl weist allerdings Hamburg die höchste Konzentration an Reichen auf. Gewandelt hat sich der Begriff des Luxus, der Lebensstil der Reichen. Gefragt ist nicht mehr der Protz, wie er typisch war für die Neureichen der New Economy. Undenkbar, dass heute noch jemand wie einst Netscape-Gründer Jim Clark eine Yacht bestellt und dabei nur auf zwei Dinge wert legt: dass sie den höchsten Mast und das größte Segel der Welt hat. Wer heute eine Yacht in Auftrag gibt, schweigt. Und feiert auf ihr keine Partys wie einst EM.TV-Gründer Thomas Haffa, der seine Rolex Daytona ebenso auffällig spazieren trug wie seine Gerhard-Meir-Frisur. Mit dem Niedergang der New Economy und dem Sturz der Aktienkurse setzt sich der Stil der alten Reichen durch. Und die haben es nicht mehr nötig, ihren Reichtum zur Schau zur stellen. Der Terroranschlag auf die USA hat diesen Wandel noch beschleunigt. Zwischen den Trümmern des World Trade Centers wirkte Protz nur peinlich. „Der moderne Luxus ist nicht für Zuschauer gedacht“, sagt der Bamberger Schulze. Mercedes-Fahrer verzichten inzwischen auf die Typenbezeichnung am Heck ihres Wagens. Die Ironie dabei: Das Weglassen der Typenbezeichnung berechnete Mercedes bis vor kurzem noch als Extra. „Marken, die reine Statussymbole sind, verkaufen sich schlecht“, sagt Peter Virsik, Bekleidungsexperte bei Roland Berger. „Besser verkaufen sich die Marken, die für Qualität und Authentizität stehen.“ Der italienische Edelschneider Brioni etwa, bekannt für seine handgefertigten bis zu 15000 Mark teuren Anzüge, kann den Umsatz in diesem Jahr um 10 bis 15 Prozent auf 94 Millionen Euro steigern und schafft eine Umsatzrendite von 15 Prozent. Und das trotz eines US-Anteils am Umsatz von 35 Prozent. Der Luxuskonsument des 21. Jahrhunderts verbindet einen nachhaltigen Lebensstil mit dem Genuss schlichter, aber essentieller Dinge. Luxus wird zur Kunst des Weglassens. „Eine Rebellion gegen den alten Luxusbegriff“, so Trendforscher Matthias Horx, „aber auf hohem Niveau.“ Typisch dafür die Horex aus den Dreißigern, der Weißwein eines jungen, genialischen Moselwinzers, die Duschwände aus Schiefer oder die Bulthaup-Küche, die 35000 Mark und mehr kostet, aber durch und durch puristisch wirkt. Kein Wunder, dass der Küchenhersteller seinen Umsatz in diesem Jahr um fünf Prozent auf 200 Millionen Mark steigern kann – trotz einer Exportquote von 57 Prozent. Der Kunde kauft nicht nur ein Produkt, er kauft auch die Geschichte dazu. „Das Begehren nach Anerkennung verlagert sich auf immaterielle Bereiche“, so der Philosoph und Medientheoretiker Nobert Bolz, „den Luxus des 21. Jahrhunderts wird man deshalb auf der Ebene des Zerebralkonsums suchen müssen.“ So gleicht der Katalog des münsterländischen Versandhauses Manufactum einem Periodikum für die gebildeten Stände, die zunächst in die Stoffkunde des Heimtextils eingeführt werden, bevor sie sich zum Kauf der handgenähten Tischwäsche nach „Entwürfen von Textilgestaltern der Burg Giebichenstein“ entschließen. Kein Zufall, dass auch der Glashütter Uhrenhersteller A. Lange & Söhne in seinen Anzeigen die Geschichte des Firmengründers skizziert, obwohl das Unternehmen längst dem Luxusgüterkonzern Richemont gehört. Doch Tradition verkauft sich gut. „Eine kostbare mechanische Uhr ist ein Gegenstand, der von Generation zu Generation weitergegeben wird“, erläuert Luigi Macaluso, Chef und Eigner der Uhrenmanufaktur Girard-Perregaux aus La Chaux-de-Fonds im Schweizer Jura. „Da spielen andere Gefühle eine Rolle als beim Kauf eines netten Kleidchens oder einer hübschen Handtasche.“ Gefühle, von denen auch die Galerien profitieren. Die Kölner Kunstmesse Art Cologne Anfang November war nach Aussagen der Aussteller die erfolgreichste seit Jahren. „Ein Toppublikum, das sich sehr gut eindeckte“, freut sich der Berliner Galerist Michael Schultz, der ein Baselitz-Gemälde für 1,3 Millionen Mark verkaufen konnte. Der Trend deutete sich schon auf der Pariser Kunstmesse Mitte Oktober an. „An dem Wochenende verkauften wir wie nie zuvor“, so Schultz. Nicht die Not, vor der Abschaffung der Mark noch das Schwarzgeld ausgeben zu müssen, treibe die Menschen in die Kunstmessen und Galerien. „Es ist die neue Sinnlichkeit nach dem Terror.“ Motive, die schwer zu kalkulieren sind. Volkswirtschaftlich lässt sich das Geschäft mit Topluxusgütern kaum fassen. „Das Segment des Luxus ist so klein, dass man seine Merkmale und Bedeutung nicht nennen kann“, sagt Einzelhandelssprecher Pellengahr. Doch Wolfgang Reitzle, verantwortlich für die Luxuswagen im Ford-Konzern, ist sich sicher: „Luxusprodukte schaffen aus sich selbst heraus eine Nachfrage, weil sie ein Begehren wecken, das jenseits bloßer Funktionserfüllung angesiedelt ist“. Reitzles Fazit: „Luxusprodukte sind der Schrittmacher der Volkswirtschaft.“ Freie Fahrt dem Bugatti.

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