TUI-Hauptversammlung Der längste Tag

Er ist noch einmal davongekommen: TUI-Steh-auf-Männchen Michael Frenzel, seit 14 Jahren Vorstandsvorsitzender des Reise- und Schifffahrtskonzerns, darf seinen Titel als dienstältester Chef eines Dax-Konzerns - vorerst - behalten.

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TUI-Chef Michael Frenzel Quelle: REUTERS

Der auf der gestrigen Hauptversammlung in Hannover gestellte Antrag auf Abberufung Frenzels scheiterte zwar ebenso wie der nach Abwahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und Frenzel-Förderers Jürgen Krumnow. Trotzdem war der Tag für den schon lange in der Kritik stehenden TUI-Chef und seinen Oberaufseher vermutlich einer der härtesten und unangenehmsten in ihrer Managerkarriere.

Fast auf den Schlag genau zwölf Stunden dauerte die TUI-Hauptversammlung – und schon Stunden vor dem Ende kurz vor 23 Uhr lagen bei vielen die Nerven blank. Dabei hatte der längste Tag ganz friedlich begonnen. Schon eine gute Stunde vor Versammlungseröffnung um kurz nach halb elf bildeten sich lange Schlangen vor den Zugangskontrollen zum Congress Center Hannover.

Zwar warteten dort Verdi-Betriebsräte der zum Verkauf stehenden Containerreedereitochter Hapag-Lloyd aus Hamburg mit Plakaten („Aktionäre: Stimmt für sichere Arbeitsplätze“ und „Wer schmückt das Tor zur Welt, wenn Hapag-Lloyd fällt“), die Hauptversammlungsteilnehmer interessierten sich aber mehr für die angebotenen Schnittchen als für die Belegschaftsproteste: „Wir gehen frühstücken bei der TUI“, war schon in der überfüllten Bus-Linie 138 vom Hauptbahnhof zum Congress Center die Erkennungsparole der angereisten Kleinaktionäre.

Ab 12.36 Uhr wurde es ungemütlich

Der gemütliche Teil endete Punkt 12.36 Uhr, als Tor Olav Troim hinter das Rednerpult trat. Der blonde Hüne mit der energisch vorgereckten Kinnlade ist Sprecher und Vertrauter des norwegischen Großreeders und Multimillionärs John Fredriksen: Der hält knapp zwölf Prozent der TUI-Anteile und ist damit der größte Einzelaktionär des Konzerns. Rund 45 Minuten brauchte Troim für seine immer wieder von Beifall unterbrochene Abrechnung – den Adressaten Frenzel und Krumnow muss es wie Stunden vorgekommen sein.

„Mangel an kompetenter Führung“ und eine viel zu hohe Vergütung warf er Frenzel vor, Interessenkonflikte und Versagen bei der Kontrolle dem „handverlesenen“ Aufsichtsrat. Die Aktionäre wären besser gefahren, hätten sie ihr Geld zur Bank gebracht. „Taktische Spielchen“, „Verletzung der Aktionärsdemokratie“, „Mangel an Corporate Governance“ – wie von Peitschenhieben getroffen zuckten die auf der Bühne sitzenden Vorstände und Aufsichtsräten bei Troims Rede zusammen und wurden immer kleiner.  „Ich sehe keine Energie, keine Passion, keinen Geist: Es ist Zeit für Veränderungen“, begründete Troim seine Forderung nach einem Aufsichtsratssitz für Fredriksen und der gleichzeitigen Abwahl von Oberaufseher Krumnow.

Und das war erst der Anfang. Was dann folgte, war vielfach Polemik pur, verbunden mit persönlichen Beleidigungen. „Versager, Abzocker, Oberniete, Amokläufer“, mussten sich Vorstand und Aufsichtsräte von den beiden besonders aggressiven Kleinaktionärsvertretern Katharina Steeg und Richard Mayer titulieren lassen. „Frenzel gehört nicht entlastet sondern entlassen“, forderte Mayer. Fast konnten einem Frenzel und Freunde leid tun.

Doch womöglich hat gerade diese Brechstangen-Argumentation einiger Fredriksen-Unterstützer den Frenzel/Krumnow-Gegnern mehr geschadet als genutzt – vielen Kleinaktionären gingen die Art und Weise, wie die Kritik an der TUI-Führung vorgetragen wurde eindeutig zu weit („Dann verkaufen Sie doch Ihre Aktien!“). Am Ende scheiterte Fredriksen mit seinem Antrag auf Abwahl Krumnows, auch auf einen Sitz im Aufsichtsrat muss der TUI-Großaktionär aus Norwegen vorerst verzichten.

Doch Freude dürfte auch bei Vorstand und Aufsichtsrat am Ende dieses langen Tages nicht aufgekommen sein. Krumnow hat das Vertrauen eines Großteils der Aktionäre verloren – nicht einmal 60 Prozent der Anteilseigner stehen noch hinter ihm. Mehr als 40 Prozent sind der Meinung, dass der ehemalige Deutsche-Bank-Vorstand als oberster Kontrolleur versagt hat. Im Interesse des Unternehmens müsste er eigentlich seinen Hut nehmen.

Blessuren haben auch die mit Frenzel verbündeten Aufsichtsräte aus der Ferien-Hotellerie am Mittelmeer davongetragen. Viele Aktionäre halten sie als Kontrolleure des Vorstands für ungeeignet, weil sie gleichzeitig Geschäftsbeziehungen zum Konzern unterhalten. So berechtigt der Vorwurf sein mag – die Realität ist anders. In deutschen Konzernen sind solche Interessenkonflikte eher die Regel als die Ausnahme.

Frenzel selbst geht ebenfalls schwer angeschlagen aus der Hauptversammlung. Knapp 30 Prozent der Aktionäre wollen einen anderen Mann an der Spitze der TUI, ein Großteil derer, die ihn noch unterstützen, tun das nur, weil „es nicht gut wäre, mitten im Strom die Pferde zu wechseln“, wie es ein Aktionärsvertreter ausdrückte. Vertrauen sieht anders aus.

Neuer Versuch der Wikinger?

Deutlich wurde in der Diskussion auch, dass Frenzels Pläne, sich vom Schifffahrtsgeschäft zu trennen, immer noch umstritten sind. Selbst bei denen, die dafür sind, gibt es große Meinungsunterschiede, wie dieser Schritt über die Bühne gehen soll – als Verkauf oder als Spin-off. Frenzel favorisiert einen Verkauf – um mit den Erlösen einen Großteil des insgesamt knapp vier Milliarden Euro großen Schuldenbergs zu tilgen und vermutlich auch, um in das verbleibende Touristikgeschäft investieren zu können. Viele Aktionäre wollen genau das verhindern und lieber Geld sehen. Sie plädieren darum für eine Teilung von Konzern und Aktie – Hapag-Lloyd gilt als Ertragsperle, die Papiere ließen sich sicher gut verkaufen.

Kurzfristig mag das von Vorteil sein – für die Kursentwicklung des Restkonzerns wäre das gelinde gesagt problematisch. Das Touristikgeschäft ist ertragsschwach und daran wird sich trotz Investitionen in die beiden margenstärkeren Teil-Bereiche Hotel und Kreuzschifffahrt auch nichts ändern. Der aus einem Spin-off hervorgehende TUI-Restkonzern wäre vom Start weg ein Underperformer ohne Chancen auf den Verbleib im Dax, ohne ordentliche Dividendenaussichten und mit einer ungewissen Zukunft.

Der in den vergangenen Monaten wegen des Machtkampfs deutlich verbesserte TUI-Kurs könnte aber schon viel früher wieder unter Druck geraten: Dann nämlich, wenn Fredriksen sich aus Frust über das Ergebnis der Hauptversammlung dazu entschließen sollte, sein nach eigenen Angaben rund eine Milliarde Euro schweres Investment in die TUI wieder aufzugeben.

Ebenso gut möglich, dass die diesmal noch gescheiterten Wikinger einen neuen Invasionsversuch unternehmen. Das würde den seit Monaten tobenden Machtkampf Fredriksens mit dem angeschlagenen Vorstand noch verschärfen. Für den Aktien-Kurs könnte das kurzfristig weiteren Auftrieb bringen, für die langfristige Entwicklung des Unternehmens wäre es verheerend. Ein Vorstand, der den größten Teil seiner Zeit darauf verwenden muss, sich selbst zu verteidigen, kann die TUI sich nicht länger leisten.

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