Übernahmeschlacht gegen ACS Hochtiefs letzte Chance

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Hoch, tief, hoch

Ein Fall für die Proxyfighter. Neben dem 34-köpfigen Registrar-Team gibt es nur einen größeren Konkurrenten in Deutschland: die Münchner Niederlassung des australischen Kapitalmarktdienstleisters Computershare mit weltweit 11 000 Beschäftigten. Als kleinerer Konkurrent gilt Adeus Aktienregister-Service in München, der zur Allianz-Gruppe gehört.

Vor rund zehn Jahren hatte das Ende der Deutschland AG den spezialisierten Dienstleistern den Boden bereitet. „Unternehmen mit wenigen Großaktionären haben eine hohe Präsenz bei Hauptversammlungen und brauchen keine Proxy Solicitation“, sagt Licharz. Doch seit Unternehmen und Banken seit 2002 Beteiligungen weitgehend steuerfrei verkaufen können, zersplittert die Aktionärsstruktur in Deutschland (siehe Grafik rechts). „Zum Teil gilt es, 800 institutionelle Investoren bei einem einzigen Unternehmen zu identifizieren“, sagt Licharz. Proxy-Profis könnten dank ihrer Gespräche mit Fonds und Investoren „dem Auftraggeber 14 Tage vor der Hauptversammlung Indikationen für Präsenz und beabsichtigtes Abstimmungsverhalten geben“.

3,5 Millionen Aktionäre

Grundlage der Arbeit sind gute Kontakte und ein riesiger Datenschatz. Registrar führt auch die Aktienregister für Unternehmen, die Namensaktien emittiert haben. Namen von insgesamt rund 3,5 Millionen Aktionären der aktuellen Registrar-Kunden sind dadurch in dem viergeschossigen unauffälligen Bau in Eschborn gespeichert – und nach eigenen Angaben strikt getrennt von allen Verbindungen zur Muttergesellschaft Deutsche Bank. Angelsächsische Banken gelten gegenüber den Aktionärsfahndern als auskunftsfreudiger als deutsche. Der Normalfall sind aber von Unternehmen wie Hochtief anonym zu erwerbende Inhaberaktien. Für die erstellt Registrar mittels Recherchen bei Fonds und Investoren Aktionärslisten, so genannte Shareholder Identifications (ID). 80 bis 90 Prozent der Aktionäre eines Unternehmens können Proxy-Profis so identifizieren. Die Shareholder ID dienen dann bei Inhaberaktien als Basis für eine Proxy Solicitation Kampagne.

„In Übernahmekämpfen“ – darauf legt Licharz Wert – „haben wir bisher bei Hauptversammlungen nie für die Angreifer gearbeitet.“ Aus seiner Sicht arbeitet er für die Aktionärsdemokratie: Denn Angreifer versuchten, die Passivität der Aktionäre auszunutzen. „Bei einer niedrigen Präsenz besteht stets das Risiko von Zufallsmehrheiten“, sagt Licharz.

Vor vier Jahren ging es deshalb beim Oldenburger Fotodienstleister Cewe Color hoch her. Der damalige Personalvorstand Michael Wefers erlebte es als „Kärrnerarbeit“, wie das Team um Licharz 2007 half, den Angriff des US-Firmenjägers Guy Wyser-Pratte und weiterer Hedgefonds abzuwehren. Bei der Hauptversammlung wollten die Minderheitsaktionäre Vorstand und Aufsichtsrat absetzen und eine kreditfinanzierte Sonderausschüttung über 120 Millionen Euro erzwingen.

Im Jahr zuvor war nur 37 Prozent des Cewe-Kapitals bei der Hauptversammlung vertreten. „Wir kannten nur die größeren Hauptaktionäre“, erinnert sich Wefers: „Die Parole lautete nun: Wir kämpfen um jede einzelne Stimme!“ Registrar Services lieferte „jeden Abend neue Namen von Banken mit Depots, in denen Cewe-Aktien lagen“. Die wurden angerufen und „mit Infos versorgt“. Registrar fand heraus, dass bei norddeutschen Banken große Cewe-Aktienpakete in den Kundendepots lagen. Die veranstalteten auf Cewe-Vorschlag Treffen, so Wefers, „wo wir den Aktionären unsere Strategie erklärten“. Am Ende steigerten Cewe und Registrar die Hauptversammlungspräsenz auf 87 Prozent, Wyser-Pratte verlor und zog sich zurück.

Die Cewe-Angreifer verfügten über 33,4 Prozent der Aktien – etwa so viel, wie Hoch-Angreifer Pérez zusammen mit seinen Partnern auf die Waage legt. Oliver Maaß, Aktienrechts-Spezialist der Kanzlei Heisse Kursawe Eversheds in München, war am Fall Cewe Color beteiligt und sagt deshalb: „Der Fall Hochtief ist noch nicht gelaufen. Auf rund 80 Prozent lässt sich die Hauptversammlungspräsenz durchaus steigern.“

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