Unternehmenskontrolle Ein guter Aufsichtsrat hakt nach

Ob Deutsche Bank, VW oder Deutsche Börse; Wenn das Unternehmen mit der Justiz in Konflikt gerät, geben sich Aufsichtsräte vielfach ahnungslos. Doch erfahrene Firmenaufseher fordern Eigeninitiative ihrer Kollegen ein.

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Die frühere Compliance-Chefin von VW fordert Manager auf, ihre Vorbildfunktion zu erfüllen. Doch die Top-Juristin wurde selbst schon für eine hohe VW-Abfindung kritisiert. Quelle: dpa

Berlin Christine Hohmann-Dennhardt, Ex-Compliance-Chefin bei Daimler und Volkswagen, mahnt alle Aufsichtsräte, gute und gesetzestreue Unternehmensführung als Chefsache zu sehen.  „Ein Aufsichtsrat muss selbst deutlich sichtbar zum Ausdruck bringen, welche Bedeutung er der Einhaltung von Regeln beimisst .„Sonst dürfe er nicht erwarten, dass Compliance im Unternehmen wirklich gelebt wird, warnte sie auf der Tagung für Aufsichtsräte der Handelsblatt Fachmedien in Berlin. Die Botschaft müsse klar lauten: „Wir wollen ein angesehenes Unternehmen sein“.

Compliance sei zwar nicht die ureigenste Aufgabe des Aufsichtsrats, die liege vielmehr in der Verantwortung des Vorstands. Aber die Kontrolleure stünden in der Pflicht, sich Informationen über die Überwachungssysteme zu beschaffen und deren Wirksamkeit zu prüfen, mahnte Hohmann-Dennhardt.

Die Managerin wechselte selbst nach dem Auffliegen des Abgasskandals von Stuttgart nach Wolfsburg, musste dort aber wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Führung ihres Aufgabenbereichs schon nach kurzer Zeit wieder gehen. Kritik handelte sich die frühere Bundesverfassungsrichterin wegen ihrer hohen Abfindung bei VW durch die vorzeitige Beendigung ihres Arbeitsvertrages ein.

Hohmann-Dennhardt rief auf der Tagung in Berlin Aufseher auch dazu auf, ungewöhnliche bei der Informationsbeschaffung zu gehen. „Da kann auch der Gang zum Betriebsrat nicht schaden.“ Die Juristin wehrte sich gegen ein Übermaß an Gesetzen oder auch unternehmensinternen Regeln. „Die Vermittlung von Einsichten ist oft wertvoller als ein ganzer Sack Vorschriften“, sagte sie. Den Mitarbeiten müsse klar sein, welchen Sinn und Zweck die Vorschriften haben.

Viele Unternehmen loben sich inzwischen selbst mit ihrer „Null-Toleranz-Politik“ und dass selbst kleinste Vergehen aufs Schärfste bestraft werden. Hohmann-Dennhardt hält davon nicht viel. Das verunsichere die Mitarbeiter nur und werde als permanente Bedrohung angesehen. Stattdessen mahnt sie an, dass Top-Manager eine Vorbildfunktion haben. „Wo das Vormachen der Spitzenkräfte fehlt, tritt Verunsicherung ein.“

Für eine gute Unternehmenskultur ohnehin unerlässlich scheint ein aktiver Aufsichtsrat zu sein, der seinen Job ernst nimmt und deshalb klare Regeln für die Zusammenarbeit mit dem Vorstand aufstellen muss. Das forderte Georg Thoma, Jurist und ehemaliger Aufsichtsrat unter anderem der Deutschen Bank. Er bezeichnete es als eine „zentrale Aufgabe“ eines Aufsichtsrates die Berichtspflichten des Vorstands an das Kontrollgremium festzulegen.

Zumal der Vorstand die eigentlichen Geschäfte führt, der Aufsichtsrat darf ihn laut deutschem Recht nur überwachen. An der Qualität dieser Kontrolle gibt es immer wieder Kritik, zuletzt bei Volkswagen. Aber auch vor zehn Jahren  an den Aufsehern jener  Banken, die zum Zusammenbruch des Finanzsystems beitrugen.

Mit Blick auf Managementfehler und womöglich auch Rechtsverstöße warnten Thoma wie Hohmann-Dennhardt allerdings auch vor übertriebenen Erwartungen. „Selbst ein idealer Aufsichtsrat ist nicht in der Lage, sämtliche Übel abzustellen“, sagte Thoma. Und Hohmann-Dennhardt hält ein absolut dichtes Compliance-Netz für eine Illusion. Beruhigend allerdings nach ihrer Einschätzung:  „Neunundneunzig Prozent der Mitarbeiter wissen was Recht ist.“

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