Unternehmer Philipp Merckle sorgt für Ärger

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Lothar Späth, heißt es, habe Quelle: dpa

Es wird einsamer um Philipp Merckle. Selbst mit einem seiner wichtigsten Partner auf dem Feld der guten Taten hat sich inzwischen überworfen. Der Ex-Filmstar und Afrika-Spendensammler Karlheinz Böhm tritt nicht mehr für die Stiftung „World in Balance“ auf, die Philipp Merckle während seiner Zeit als Ratiopharm-Chef gründete. Böhm ließ, so der Vorwurf, wohl schnell ein größeres Engagement vermissen – zum Streit kam es dann, als im Frühjahr vergangenen Jahres „World in Balance“ während der ZDF-Spendengala zum 80. Geburtstag von Karlheinz Böhm keine Erwähnung fand.

Unternehmerisch erwies sich Philipp Merckle, der nach dem Ärger mit seinem Vater und den Geschwistern eigene Wege ging, nicht gerade als Vorzeigeunternehmer. Er kaufte sich bei zwei kleineren Firmen ein, um dort seine Vorstellungen von Ethik und Moral in der Wirtschaft zu realisieren. Doch allzu viel herausgekommen ist dabei nicht, wie seine Neuerwerbung, der Faser- und Garnproduzent Gruschwitz in Leutkirch im Allgäu zeigt.

Der Hersteller von High-Tech-Materialien (Umsatz 2008: 29,3 Millionen Euro) leidet zwar auch unter der Automobilkrise – im vergangenen Jahr reduzierte sich der Gewinn von zwei Millionen auf 1,2 Millionen Euro, viele der über Hundert Mitarbeiter arbeiten kurz. Doch die Turbulenzen sind nicht nur Folge der Wirtschaftskrise. Auch Mehrheitsaktionär und Aufsichtsrat Philipp Merckle trägt – mit umstrittenen Personalentscheidungen – offenbar Schuld an der Misere.

Belastetes Verhältnis zum Bruder

Zwölf Millionen Euro hat Philipp Merckle seinem Vater Adolf und seinen Brüdern Ludwig und Tobias für die Aktienmehrheit an Gruschwitz bezahlt, mittlerweile gehören ihm 76 Prozent des Unternehmens. Mit den beiden Managern Manfred Thumm und Marc Lorch fand der neue Mehrheitsgesellschafter jedoch keine gemeinsame Basis, beide galten ihm als Repräsentanten des alten Systems, zumal Thumm noch hauptberuflich für Ratiopharm arbeitete. An Lorch, seit 20 Jahren im Unternehmen und in der Branche geschätzt, missfiel Philipp Merckle vor allem, dass er sich zu sehr an den früheren Eigentümern, insbesondere seinem Bruder, orientiert und nicht mit offenen Karten gespielt habe. Lorch ist sich keiner Schuld bewusst.

Karlheinz Böhm in Äthiopien: Quelle: dpa/dpaweb

Das Verhältnis der Brüder ist spätestens seit dem Ratiopharm-Streit stark belastet. Kurz vor Weihnachten 2008 kündigte Merckle dann Lorch. Den Vertriebsprofi ersetzte er durch den in der Branche eher unbekannten Manager Ditmar Schultschik. „Als Diplomingenieur der Elektrotechnik fehlt Herrn Schultschik die Fachkunde für die Herstellung technischer Garne“, sagt Manuel Diechtierow, Vorstand des Beteiligungsunternehmens Taurus, das immerhin zehn Prozent der Gruschwitz-Aktien hält. Einige Kunden hätten nach der Abberufung von Lorch bereits angekündigt, ihre Geschäftsbeziehungen zu Gruschwitz zu überprüfen – berichtet Diechtierow weiter.

Prominentestes Opfer des Dauerstreits in der Führungsspitze des Textilspezialisten ist Ex-Ministerpräsident Späth, der am 30. September vergangenen Jahres seinen Posten als Aufsichtsratschef aufgab. Der Christdemokrat galt als enger Berater von Philipp Merckle. „Mit Lothar Späth konnte ich Gespräche führen, die ich mit meinem Vater nicht führen konnte“, erinnert er sich, auf Veranstaltungen seiner Stiftung „World in Balance“ war der 71-Jährige ein gern gesehener Gast. Späth habe sich von Philipp Merckle distanziert, heißt es, weil er dessen Bruch mit den alten Gruschwitz-Vorständen nicht wollte. Zu seinem Abgang möchte sich Späth selbst allerdings nicht äußern.

Schlechte Stimmung bei Gruschwitz

Dafür eskaliert die schlechte Stimmung jetzt bei Gruschwitz. Die Aktionäre Taurus und Dr. Günther Kast GmbH & Co. KG, die zusammen allerdings nur etwa 15 Prozent der Aktien halten, haben beantragt, das Aufsichtsratsmitglied Philipp Merckle abzuberufen. „Wir haben Angst, dass die Firma gegen die Wand gefahren wird“, begründet Taurus-Vorstand Diechtierow den Vorstoß. „Ich habe es unterschätzt, wie stark die alten Familienbande bei Gruschwitz noch nachwirken“, sagt Philipp Merckle rückblickend über sein Engagement bei dem Garn- und Faserproduzenten. Natürlich sei er von Späth enttäuscht. „Philipp Merckle liegt zwar mit der alten Riege über Kreuz, aber die Jugend glaubt an ihn“, sagt eine enge Mitarbeiterin. Die Studenten der Universität Innsbruck seien begeistert gewesen, als er dort kürzlich über seine Ziele und Visionen gesprochen habe.

Dort, in Österreich, sorgt der Unternehmer Merckle auch durchaus für positive Schlagzeilen. Am Kärntner Glasfliesenproduzenten Villiglas hält er 41 Prozent der Anteile. Merckle führte dort flexible Arbeitszeiten ein, sodass die etwa 80 Beschäftigten nun frei wählen können, wann sie zwischen sechs Uhr morgens und acht Uhr abends arbeiten.

Positive Erfahrungen

„Ein Unternehmen muss leben“, begründet der neue Eigentümer die neue Freiheit. Merckle ist stolz darauf, dass die Aufträge trotzdem pünktlich abgewickelt werden. Über das neue Arbeitszeitmodell durfte die Belegschaft abstimmen, ihren neuen Produktionsleiter sogar selbst wählen; zudem beförderte Merckle gleich noch eine Sachbearbeiterin zur Projektleiterin.

Von solchen positiven Erfahrungen will er künftig vermehrt berichten. Ungetrübt genießen wird Philipp Merckle seine geplanten Auftritte in den kommenden Wochen allerdings nicht. Morgen, einen Tag nach der „Beckmann“-Sendung, muss er sich nach Leutkirch im Allgäu begeben und sich dort mit Sicherheit unangenehmeren Fragen stellen als im Fernsehen – auf der Aktionärsversammlung von Gruschwitz.

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