Vergessene Gründer: Aufstieg und Fall großer Unternehmer Henry Villard: Ein Selfmademan und Stehaufmännchen

Der gebürtige Deutsche Henry Villard schuf ein Eisenbahnimperium in den USA und gründete General Electric.

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Mir schaudert, wenn ich an die Masse Vergnügen denke.“ Das schreibt Georg von Siemens, Gründer und Chef der Deutschen Bank, am 28. August 1883 aus New York an seine Frau zu Hause in Berlin. Mit 300 Honoratioren schickt er sich an, die Eröffnung einer Eisenbahnstrecke zu feiern – der berühmten Northern-Pacific-Route von den großen Seen hinüber zum pazifischen Ozean. Allein St. Paul – eine Stadt an der Strecke – habe für das Festbankett für 1 000 Personen „75 000 Dollar = 315 000 Mark“ ausgegeben. Am 15. September erreichen die Feiern mit einer rauschenden Party in Seattle ihren Höhepunkt. Siemens’ Gastgeber war einer der bedeutendsten Eisenbahn-Tycoone der USA: Henry Villard. Er galt als großzügiger, wenn auch humorloser Mensch und brillanter Unternehmer, der für ein paar Jahre das Eisenbahnwesen im Nordwesten beherrschte. Die Historische Gesellschaft der Deutschen Bank drückt es so aus: „Villard verkörperte Pioniergeist und wildes Spekulantentum, eine in dieser Zeit nicht untypische Kombination, die auch keineswegs negativ besetzt war.“ Geboren wurde Villard 1835 im deutschen Speyer in wohlsituierten Verhältnissen als Ferdinand Heinrich Gustav Hilgard. Die Kapriolen seines Sohnes – schlechte Noten, Sympathie für die 1848er Revolution, den Traum von einem Leben als Schriftsteller, ein Studentenleben in Saus und Braus – gingen dem gestrengen Vater, einem Advokaten, gegen den Strich. Vor dem Vater, der ihn in die Armee stecken wollte, und vor seinen Gläubigern floh der junge Mann nach Amerika. Gerade 18-jährig, kam er im Oktober 1853 mit 20 Dollar Startkapital nach New York. Als Henry Villard verdingte er sich als Gelegenheitsarbeiter, studierte Jura, arbeitete als Journalist und Kriegskorrespondent. Erst in den 1870er Jahren entdeckte er sein wahres Talent: Menschen zusammenzubringen – solche mit Geld und solche mit Ideen. Bei Reisen in die alte Heimat traf er in der deutschen Finanzwelt auf reges Interesse am blühenden US-Eisenbahnwesen. In Berlin begegnete er Georg von Siemens, dem Chef der Deutschen Bank, die dieser 1870 gegründet hatte. Für Siemens lag in Nordamerika die Zukunft, dort wollte er investieren.

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