Vergessene Gründer: Aufstieg und Fall großer Unternehmer Henry Villard: Ein Selfmademan und Stehaufmännchen

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Villard fand Verwendung für das deutsche Kapital: Zwei Jahre brauchte er, dann war er Präsident der Oregon & California Railroad und der Oregon Steamship Co. Mit Verve baute er sie aus und begann mit dem Bau einer Eisenbahnstrecke von Portland ostwärts. Sollte je ein Zug im Norden vom Atlantik zum Pazifik fahren, musste er über seine Schienen rollen! Im Weg war ihm dabei die Northern Pacific. Weil der Konkurrent eine Kooperation ablehnte, beschloss Villard, ihn zu übernehmen – obwohl seine Gesellschaft deutlich kleiner war. Es war eine der ersten feindlichen Übernahmen der Geschichte. Von Dezember 1880 bis Januar 1881 kaufte er unauffällig so viele Aktien der Northern Pacific, wie seine Finanzen es zuließen. Dann suchte er Hilfe bei Freunden und Finanziers: In einem vertraulichen Rundschreiben bat er etwa 50 Personen, sich an einem Fonds zu beteiligen. Dessen Zweck offenbarte er ihnen nicht – solche Transaktionen waren als „blind pool“ bekannt und beliebt. Wie glänzend es Villard verstand, bei seinen Partnern Vertrauen zu wecken, zeigt diese Transaktion: Statt der geplanten acht Mill. Dollar hatte er bald 20 Mill. Dollar zusammen. Mit dem Kapital sicherte er sich die Kontrolle über die Northern Pacific und vereinte seine Firmen in der Oregon & Transcontinental. 1883 wurde der Northern Pacific Railway fertig. Doch Villards Triumph währte kaum länger als die Einweihungsfeierlichkeiten. Noch auf der Reise erreichten ihn schlechte Nachrichten aus New York: Das Geld war alle. Die Baukosten waren um 14 Mill. Dollar höher als geplant, die Einnahmen – von Siedlern oder durch Erschließung von Bodenschätzen an der Strecke – blieben hinter den Erwartungen zurück. Diesmal reichten weder sein Charme noch sein Privatvermögen aus, um das Unternehmen zu retten. Im November musste Villard alle Ämter niederlegen. Zum zweiten Mal in seinem Leben floh Villard vor seinen Gläubigern – diesmal nach Deutschland. Hier gab ihm ein alter Freund eine zweite Chance: Georg von Siemens. Der Deutsche-Bank-Chef hatte zwar Kapital in Villards Unternehmungen verloren, schickte ihn aber trotzdem 1886 als Repräsentanten seines Instituts nach New York, um das Eisenbahn-Desaster in Ordnung zu bringen. Und tatsächlich: Villard rettete – einmal mehr mit deutschem Kapital – die Northern Pacific. Er wurde erneut Präsident.

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