
WirtschaftsWoche: Herr Sennhenn, am 8. Februar entscheidet der Bundesgerichtshof, wann Verträge für den Nahverkehr öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Was, wenn der Vertrag kippt, den Sie mit dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) verlängert haben – ohne Ausschreibung? Ihnen drohen Mindereinnahmen von rund einer Milliarde Euro.
Sennhenn: Den Mindereinnahmen stünden ja auch entsprechend geringere Kosten gegenüber. Wir hatten allein für die S-Bahn Investitionen von rund 170 Millionen Euro zugesagt. Hinzu kommen Ausgaben für mehr Personal, neue Loks und Regionalbahnen. Wenn dies wegfiele, wäre das allerdings sehr ärgerlich mit Blick auf unsere Fahrgäste. Denn niemand zweifelt daran, dass der Nahverkehr an Rhein und Ruhr diese Investitionen dringend braucht.
Stehen die Züge in Nordrhein-Westfalen dann still?
Sennhenn: Natürlich nicht. Zunächst würde der alte Vertrag von 2004 wieder aufleben – mit Laufzeit bis 2018. Zudem stehen wir für neue Gespräche mit dem VRR und dem Land zur Verfügung, um im Rahmen der dann verbleibenden Spielräume ein finanzierbares Verkehrskonzept zu erarbeiten – möglichst ohne Einschränkungen für die Fahrgäste.
Wenn die öffentliche Ausschreibung Pflicht wird, verschärft sich der Wettbewerb. Wie reagiert die DB Regio darauf?
Sennhenn: Wir fürchten uns keineswegs. Seit 2000 haben wir unsere Effizienz erheblich gesteigert und unsere Kosten um 22 Prozent gesenkt. Wir haben das Unternehmen zudem in kleine Betriebseinheiten strukturiert, die auf regionaler Ebene mittlerweile viel flexibler arbeiten können. Wir sind gut gerüstet. Im vergangenen Jahr haben wir 65 Prozent der Vergabeverfahren gewonnen. Aber der Nahverkehrsmarkt braucht Direktvergaben als sinnvolle Ergänzung.
Wie erklären Sie das den Steuerzahlern, die den Nahverkehr subventionieren?
Sennhenn: Grundsätzlich sind Ausschreibungen besser. Direktvergaben müssen die Ausnahme bleiben. Aber auch sie können zu Einsparungen führen, weil es hier die Möglichkeit gibt, im Vorfeld zu verhandeln. Ich finde, der Aufgabenträger sollte über die Vergabeform entscheiden können. Im Übrigen werben auch Wettbewerber wie Veolia inzwischen für den Erhalt direkter Vergaben.
DB Regio wird die hohen Gewinne in Zukunft kaum halten können, denn die meisten Erlöse basieren noch aus alten Verträgen. Droht den Mitarbeitern ein weiterer Einschnitt?
Sennhenn: Im Gegenteil. Wir investieren rund 200 Millionen Euro in mehr Personal, Schadensfreiheit, höhere Sicherheit und mehr Sauberkeit, letztlich um die Fahrgastzufriedenheit zu verbessern. Daneben haben wir die Mitarbeiterzufriedenheit in den letzten Jahren steigern können. Das ist für uns ein ganz wichtiges Thema, denn die Zufriedenheit der Mitarbeiter ist eine wichtige Voraussetzung für die Zufriedenheit der Kunden.
Sie wollen bis 2014 zusätzlich rund 350 Millionen Euro über steigende Fahrgastzahlen erlösen. Wie erreichen Sie das?
Sennhenn: Diesbezüglich ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf den Weg gebracht. Die Einführung des Quer-durchs-Land-Tickets im Dezember gehört dazu – mit den Pauschalpreis-Tickets im Regionalverkehr haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir prüfen außerdem neue Servicekonzepte. Diese Servicekonzepte werden in Abhängigkeit von den jeweiligen regionalen Kundenbedürfnissen eingeführt. Generell aber werden wir mehr Zugbegleit- und Servicepersonal einstellen, um den unmittelbaren Kundenkontakt im Zug zu verbessern.