Allianz Oliver Bäte, der Verunsicherer

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Gewaltiges Stellenstreichungsprogramm?

Gleichzeitig geht im Konzern aber die Angst um: die Angst, dass die ganze Automatisierung und Digitalisierung auch ein gewaltiges Stellenstreichprogramm werden könnte. Bäte weiß natürlich um die Sorgen. Die Mitarbeiter in den Poststellen beispielsweise werde es in ein paar Jahren nicht mehr geben, sagt er. „Wenn ich das nicht sagen würde, wäre das unredlich.“

Mehr als 13 Jahre, von 1993 bis 2007, hat der Allianz-Chef bei McKinsey gearbeitet. Natürlich weiß Bäte, dass ihm das Image des Kostenkillers, des Mannes mit der Axt anhaftet. Das Topmanagement bei McKinsey hat seine Berater lange Zeit anhand eines Koordinatensystems beurteilt: Ist jemand eher der trocken-analytische Typ oder mehr der aufgeschlossen-gesellige. „Bäte war immer der absolute Analytiker, der in Windeseile auch die komplexesten Zusammenhänge durchdringen konnte“, sagt ein ehemaliger ranghoher McKinsey-Manager, der Bäte gut kennt. Bei der Allianz galt er lange als einer der Ruppigsten im Vorstand.

Doch Bäte hat sich verändert, hat im Laufe der Jahre dazugelernt. Und das nicht nur durch die Coachings, die er über sich ergehen ließ, sondern auch, indem er sich auch mal infrage gestellt hat.

Jedes Jahr Mitte Februar stellt der Allianz-Konzern seine Bilanz für das vorangegangene Jahr vor: eine eher trockene, von vielen Zahlen, Grafiken und Tabellen geprägte Veranstaltung. Für Bäte ist es in diesem Jahr die Premiere. Er redet frei, anschließend führt sein Finanzvorstand Dieter Wemmer durch die Details der einzelnen Sparten, irgendwann ist die letzte Frage beantwortet.

An dieser Stelle sprang Bätes Vorgänger Michael Diekmann jedes Mal auf, zog den Kopf zwischen die Schultern und stob im Schutz seines Kommunikationschefs dem Ausgang entgegen. Den Rheinländer Bäte dagegen zieht es zu den Journalisten. Im Vorraum ist ein Buffet aufgebaut; dem Allianz-Chef ist nach Schokoladenkuchen und Cappuccino. Schnell bildet sich eine Traube um den Konzernchef. Lebhaft erzählt Bäte von möglichen künftigen Kooperationen mit Start-up-Unternehmen aus dem Silicon Valley oder davon, wie sich die Allianz bei ihren vielen Engagements rund um den Globus unter anderem von Amnesty International, Greenpeace und Transparency International bewerten lässt. „Das muss man heute so machen“, sagt er. Die Worte prasseln auf die Zuhörer nieder.

Bäte hat sich eine gewisse jungenhafte Neugier und Begeisterungsfähigkeit bewahrt. Kein Nachteil für jemanden, der einen mehr als 100 Jahre alten Konzern mit einer konservativen Aura in ein neues Zeitalter führen muss. „Er ist zweifelsohne die richtige Person als Nachfolger für Diekmann“, sagt Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.

Dabei drängt es den Vorstandschef des weltgrößten Finanzdienstleisters nicht in die Öffentlichkeit; von übertriebener Eitelkeit ist Bäte frei. Als er sich auf der Cebit hinter der Bühne von seinem Auftritt mit Telekom-Chef Höttges erholt, ruft ihm auf einmal eine seiner Assistentinnen zu, die Bundeskanzlerin sei jetzt auf dem Telekom-Stand. „Da muss ich nicht hin“, antwortet Bäte so knapp wie spontan und fügt nach kurzem Überlegen hinzu, er gehe nur, wenn Tim Höttges es wünscht. Die Assistentin fragt nach. Höttges möchte, also besteigt Bäte noch einmal kurz die Bühne. Nach wenigen Minuten kommt er zurück – den Messerundgang mit Merkel lässt er sausen. „Ich muss meinen Kopf nicht in jede Kamera halten.“

Wer Bäte fragt, was er bei McKinsey vor allem gelernt habe, bekommt als Antwort: „Sich in affenartiger Geschwindigkeit in komplexe Probleme einzuarbeiten.“ Außerdem lerne man, schnell zu beurteilen, ob ein Unternehmen gut geführt ist oder nicht, und könne schnell einschätzen, was in einer Organisation durchsetzbar ist und was nicht. Bäte: „Dazu muss man sich aber in ein Unternehmen richtig reinfressen, nicht nur intellektuell, auch emotional.“

Der Herr über 142.000 Mitarbeiter ist authentisch, aber er ist bisweilen auch ungestüm und muss sich hin und wieder fragen, ob die Belegschaft sein hohes Tempo mitgehen kann. „Wer mit Bäte arbeitet, muss ihm auf Augenhöhe begegnen und gut vorbereitet sein“, sagt jemand, der ihn gut kennt, „sonst macht er einen klein.“ Bei der Allianz, deren DNA eigentlich die Sicherheit ist, soll nach Bätes Vorstellungen eine Risikokultur einziehen. „Ohne Risiko, kein Return“, sagt Bäte, „aber kalkuliertes Risiko, kein Hazardeurship.“

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