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Allianz-Chef Oliver Bäte sollte auf der Hut sein. Quelle: REUTERS

Oliver Bäte unterschätzt sein Miami-Gate

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Der Allianz-Chef sollte gewarnt sein. Prozesse in den USA produzieren mitunter heftige Imageschäden. Angeklagte Exmanager haben wenig zu verlieren.

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Die einfachste Verteidigungsstrategie ist die Einzeltätertheorie. Heerscharen von Mächtigen aus Politik und Wirtschaft versuchten sich mit ihr schon zu retten. Die Geschichtsbücher sind voll von Betriebsunfällen, von Amokläufern, die angeblich ohne Anweisung von oben handelten. Gegen kriminelle Energie sei niemand gefeit, heißt es dann, und so lässt sich die Verantwortung auf ein kleines irres Licht schieben. Fehler in der Chefetage? Gab es keine.

Manchmal stimmt das – aber eben nur manchmal. Große Affären sind oft kein Zufall, sondern Zeichen von strukturellen Defiziten und Führungsschwäche. Im System ist etwas faul. Belegt auch der jüngste Betrugsfall im Allianz-Konzern diese These? Noch ist das unklar.

Drei inzwischen angeklagte Hedgefondsmanager drehen in Miami ein Riesenrad. Sie versprechen Lehrern, Geistlichen und Busfahrern prächtige Renditen bei minimalem Verlustrisiko. Doch das angeblich professionelle Risikomanagement entpuppt sich als Serienfälschung von 75 Risikoberichten. Die Investoren verlieren über fünf Milliarden Dollar – ausgerechnet bei der Allianz, dem Gegenteil einer Zockerbude.

Der mutmaßliche Hauptschuldige im Allianz-Fondsskandal hat vor einem New Yorker Gericht ausgesagt. Derweil belegen kaum bekannte US-Dokumente, welche haarsträubenden Fehler der Versicherungskonzern beging. 
von Lukas Zdrzalek

Die Deutschen zahlen daraufhin milliardenschwere Bußgelder und Entschädigungen, müssen 120 Milliarden Dollar auf eine konzernfremde Gesellschaft übertragen und wollen nun zur Tagesordnung übergehen. Es handle
sich um Taten Einzelner, der Konzern habe davon nichts gewusst.

Schweizer Top-Banker und deutsche Autokönige dachten mal ähnlich. Sie glaubten die Schuld für Schwarzgelddeals oder Dieselgate auf Subalterne schieben zu können. Als Schwachstelle dieser Strategie erwiesen sich jedes Mal die in den USA angeklagten Exmanager.
Greg Tournant, der Kopf des beschuldigten Miami-Trios, galt intern als Star, verdiente für den Konzern viel Geld, wurde an der ganz langen Leine geführt und besaß offenbar beste Kontakte bis nach ganz oben. Im jetzt anlaufenden Prozess wird er alles auspacken, was ihn unschuldig aussehen lässt. Die Kompetenzschwächen im Bereich Vermögensverwaltung auf Vorstands- und Aufsichtsratsebene könnten dabei ebenso zur Sprache kommen wie Fragen zu fehlenden Kontrollen oder wer wann und was genau wusste.

Für eine mildere Strafe dürfte der vermeintliche Einzeltäter das Allianz-System sicher nicht schonen. Ein weiterer Imageschaden ist programmiert. Oliver Bätes Truppe unterschätzt wohl noch die Gefahr von Miami-Gate.

Lesen Sie auch: Dokumente aus den USA enthüllen, wie der Hedgefondsskandal bei der Allianz möglich wurde – und werfen die Fragen auf, wie viel Topmanager wussten

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