Wenige Tage vor einer möglichen Verurteilung schloss der Versicherungskonzern Allianz erneut einen außergerichtlichen Vergleich mit einem Gastronomen, der auf Ansprüche aus seiner Betriebsschließungsversicherung (BSV) klagte. „Die Anwälte der Allianz haben mich kontaktiert, dann haben wir uns geeinigt,“ sagte Klägeranwalt Günther Heinicke der WirtschaftsWoche.
Über die Summe wurde Stillschweigen vereinbart. Der Betreiber des Edel-Italieners „Guido al Duomo“ an der Münchner Frauenkirche hatte auf rund 160.000 Euro geklagt, die ihm während des Lockdowns im Frühjahr entgangen waren. Der Kläger war in einer starken Position: Die Richter der Handelskammer hatten im Prozess einen „Versicherungsfall“ erkannt und die Zahlungsverweigerung der Allianz moniert.
Deutschland Versicherungsprimus wolle um fast jeden Preis einer Verurteilung entgehen, sagen Beobachter. In München scheint das nur mit Vergleichen möglich. Anders als etwa am Landgericht Bochum, das nach nur 20 Minuten zu Gunsten des Versicherers geurteilt und darauf verwiesen hatte, dass der Streitfall ohnehin in die Berufung gehen werde, befassen sich die Münchner Richter bereits in der ersten Instanz sehr eingehend mit dem Für und Wider.
Im Herbst hatte sich die Allianz im letzten Augenblick mit dem Wirt der bekannten Gaststätte am Nockherberg geeinigt. Er hatte auf 1,1 Millionen Euro geklagt. Über zahlreiche weitere Klagen ist noch nicht entschieden. Das Hotel Bayerischer Hof verlangt von der Allianz sechs Millionen Euro.
Der Allianz fällt unter anderem auf die Füße, dass sie im Kleingedruckten zwar diverse Krankheiten und Erreger ausschließt, nicht aber Corona. Die Pandemie-Gefahr sei unterschätzt worden, obwohl die Weltgesundheitsorganisation seit 2003 gewarnt hatte, heißt es im Konzern, der nun den Wortlaut vieler Policen überprüft und sämtliche BSV gekündigt hat.
Die späte Reaktion kommt die Allianz womöglich teuer zu stehen, auch über Deutschlands Grenzen hinaus: Laut einem wegweisenden BSV-Urteil des Obersten Gerichtshofs in Großbritannien müssen Versicherer für die Kosten ihrer Kunden in Folge der Coronapandemie aufkommen. Die Allianz ist in Großbritannien stark vertreten.
Spannend in Deutschland wird noch sein, wie Richter den unter Führung der Allianz von zahlreichen Versicherern und Kunden im Frühjahr geschlossenen „bayrischen Kompromiss“ zur Zahlung von 15 Prozent der Versicherungssummen beurteilen. Auch außerhalb Bayerns waren Versicherte in der Not darauf eingegangen. Eine dreistellige Millionensumme war dafür bereitgestellt worden. In München gehen nun die ersten Klagen wegen „Sittenwidrigkeit“ ein.
Mehr zum Thema: Weil Versicherer in der Coronakrise die Bedingungen für die Managerhaftpflicht rückwirkend verschärfen, könnten Top-Manager für Fehler bald unbegrenzt zur Verantwortung gezogen werden.