Die Medikamente der Anderen Pharmahändler machen Profite auf Kosten Osteuropas

Seite 5/5

Krankenkassen stellen die Importquote mittlerweile in Frage

„Es ist zu begrüßen, wenn deutsche Krankenkassen Einsparungen zugunsten der Beitragszahler erzielen”, sagt Cezar Irimia, Vorsitzender der Patientenvereinigungen für Krebskranke in Rumänien. „Leider sind aber Maßnahmen wie die Importquote gegenüber dem rumänischen Patient ungerecht.”

Aus diesem Grund stellen auch Krankenkassen die Importquote mittlerweile in Frage. Die AOK in Baden-Württemberg spricht sich deshalb jetzt als erste Kasse sogar für die Abschaffung der Importquote sich aus.

„Die Ware wird in anderen europäischen Ländern verknappt und die Versorgung dann schwieriger“, sagt Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg. Die Krankenkasse sparte im vergangenen Jahr sieben Millionen Euro dank Importarzneimitteln ein. Wenn Hermann diese Summe mit dem administrativen Aufwand abwägt, ergibt sich bei ihm ein eindeutiges Fazit: „Die Importquote ist ein bürokratisches Monster“, sagt der AOK-Chef. Außerdem „passt es nicht mehr in den heutigen Wettbewerbsmarkt, dass man Reimporte mit einer Quote subventioniert.“

Der Stuttgarter AOK-Boss ist in dieser Frage aber weiter als die übrigen Krankenkassen in Deutschland.

Geschlossen dagegen sind inzwischen auch die Apotheker, die ebenfalls über die bürokratische Last klagen. „Apotheker haben aber wenig Spielraum sich gegen ein Importarzneimittel zu entscheiden“, sagt Reiner Kern, Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA).

In Rumänien ist die Krise so offenkundig, dass selbst die Pharmahändler dort eingestehen, dass der Parallelhandel Schuld an den Engpässen ist. Der Chef des zweitgrößten rumänischen Pharmahändlers Farmexpert, der selber Medikamente ins Ausland exportiert, sagt: „Das reale Problem ist der Export der Medikamente in das EU-Ausland. Und der Großteil dieser Medikamente sind lebenswichtig.“

Dafür, dass deutsche Krankenkassen ein paar Euro bei Medikamenten sparen, leiden Patienten in Rumänien, Bulgarien, Griechenland oder Spanien. Auch wenn es dazu keine Studien gibt, kann man davon ausgehen, dass der Mangel an lebenswichtiger Medizin in diesen EU-Ländern zu Todesfällen führt.

Cezar Irimia, der Vertreter der rumänischen Patientenvereinigungen, hat einen Brief an die deutsche Kanzlerin und an die Bundesärztekammer geschrieben. Wenn man in der EU den Handel mit Medikamenten nicht ausreichend regulieren kann, soll Angela Merkel zumindest eine Empfehlung ausgeben: Importeure sollen erst mal keine Arzneimittel aus Rumänien aufkaufen bis sich die Lage dort sich stabilisiert.

Bis die Kanzlerin auf den Brief reagiert, muss der Vater des 13-jährigen Epileptikers in Bukarest weiterhin dafür sorgen, dass das Medikament vorhanden ist. In seiner Stadt kann er Trileptal immer noch nicht kaufen. Er fährt einmal im Monat nach Ungarn und zahlt dort das Doppelte für das Medikament. Und muss mit der Angst leben, dass irgendwann der Wecker klingelt, und er vor seinem Sohn mit leeren Händen da steht.

 

Die Autorin ist Redakteurin des Recherchezentrums CORRECTIV. Die Redaktion, mit der unsere Zeitung kooperiert, finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge. Ihr Anspruch: Mit gründlicher Recherche Missstände aufzudecken und unvoreingenommen darüber zu berichten. Wenn Sie CORRECTIV unterstützen möchten, werden Sie Fördermitglied. Informationen finden Sie unter correctiv.org

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%