Digitalisierung bei deutschen Versicherern „Natürlich wird es Jobverluste geben“

Digitalisierung: „Natürlich wird es Jobverluste geben“ Quelle: imago images

Sven Krüger, Vorstandschef der Eucon-Gruppe, über Fehler, Versäumnisse und Behäbigkeit der deutschen Versicherer bei der Digitalisierung.

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Herr Krüger, wie gut sind Deutschlands Versicherer bei der Digitalisierung?
Die Versicherer hängen im Vergleich zu anderen Branchen noch deutlich hinterher. Es gibt ein paar Unternehmen, die die Bedeutung des Themas erkennen. Wir sehen aber schon, dass es eine große Diskrepanz gibt zwischen dem, was der Vorstand propagiert und dem, was am Ende unten umgesetzt wird. Da bleibt in den Lehmschichten der Führungsebenen einiges hängen. Das Beharrungsvermögen bei manchen Managern, auch teilweise bei Schadens-Abteilungsleitern, ist groß.

Woran liegt das?
Gerade im mittleren Management definieren sich viele Führungskräfte zum Teil über die Zahl der Mitarbeiter, über die sie verfügen können oder die Größe ihres Büros. Da geht es oft um Besitzstände und Erbhöfe. Digitalisierung und Agilität sind dann wirklich schwierig.

Was können die Vorstände tun, um gegenzusteuern?
Einige Unternehmen beginnen, sich gezielt jüngere Leute zu holen. Diese setzen sie dann in die betreffenden Abteilungen, und dann bewegt sich bisweilen etwas. Es ist aber zäh.

Sven Krüger, 43, ist seit 2016 CEO der Eucon-Gruppe in Münster. Quelle: Presse

Sind die Beharrungskräfte bei größeren Versicherern ausgeprägter als bei kleinen?
Die größeren Anbieter denken oft, sie schaffen den Sprung ins digitale Zeitalter alleine, auch wegen ihrer hohen IT-Budgets und ihrer großen Abteilungen. Tatsächlich aber ist keiner der Großen bei der Digitalisierung der eigenen Einheit bisher so weit, wie er es sich vorgenommen hat. Bei den kleineren Versicherern gibt es zwei Lager. Einige, gerade die mit jüngeren Vorständen, geben bei der Digitalisierung richtig Gas und holen sich oft auch externe Expertise. Bei Unternehmen mit Vorständen, die tradiert denken, sieht man dagegen nur wenig Veränderung.

Sagen im Dax notierte Versicherer eher, dass sie die Digitalisierung komplett alleine schaffen?
Wir beobachten hier Zyklen: Am Anfang steht oft der Versuch, es alleine zu schaffen. Dann kommt irgendwann die Einsicht, dass es nicht funktioniert, und sie investieren in Insurtechs und Start-ups. Solche Kooperationen sind aber auch keine Selbstläufer. In der nächsten Stufe schließlich merken die Versicherer, dass sie die Digitalisierung aktiv managen und einen kulturellen Wandel herbeiführen müssen.

Was muss da konkret in den Unternehmen passieren?
Es geht ja nicht nur darum, ein Produkt mit moderner Technologie zu verpacken. Es muss Agilität in den Konzern rein, es muss Kundenzentriertheit rein, es muss auch Fokussierung rein, die vorher nicht da war. Dazu braucht es aber andere Prozesse, auch eine andere Führungskultur, gerade bei den oft schwerfälligen Dax-Unternehmen. Manche Anbieter holen sich dazu von anderen Konzernen, etwa von Telekommunikationsunternehmen, einen CTO oder einen Chief Digital Officer. Es ist richtig, sich eine externe Sichtweise zu holen. Intrinsisch funktioniert der Wandel meist nicht.

Es kommt also was in Bewegung?
Auf jeden Fall. Wir erkennen zumindest im Schadenmanagement, dass sich die Prioritäten der Versicherer verschieben: weg von reinen Kostengesichtspunkten hin zu mehr Kundenzufriedenheit, einfacheren Bearbeitungsprozessen und kürzeren  Durchlaufzeiten der Schadenfälle.

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