Kunden und solche, die es potenziell werden könnten, dürfen sich selbst ein Bild davon machen, ob die Skandale und Verfehlungen tatsächlich ein Offenbarungseid für die Ergo-Versicherung sind. Auf der Internetseite des Konzerns finden sich in der Rubrik Corporate Governance umfangreiche Informationen zu den Vorwürfen, Stellungnahmen des Unternehmens und Beschreibungen der entsprechenden Maßnahmen des Managements.
Die Vorwürfe wiegen schwer und das gibt Ergo auch zu. Das Bild vom zuverlässigen Versicherer, der im Interesse seiner Kunden handelt, hat tiefe Risse bekommen. Eigentlich müssten dem Düsseldorfer Versicherungskonzern die Kunden in Scharen davon laufen. Das ist bisher erstaunlicherweise nicht der Fall. Nicht einmal ein massives Imageproblem ist bislang erkennbar. Im Gegenteil.
Oliver Gaedeke, Leiter der Finanzmarktforschung bei YouGov – einem Analysehaus für das Image von Marken und Unternehmen – hat dafür eine Erklärung. „Das Image einer Versicherung wirkt im Tagesgeschäft für den Vertrieb eher flankierend“, sagt Gaedeke. „Die Marke einer Versicherung ist weniger wichtig als etwa bei einem Schokoriegel. Entscheidend ist im operativen Versicherungsgeschäft die persönliche Interaktion des Kunden mit seinem Berater. Über die ehemaligen Marken Hamburg-Mannheimer und Victoria haben die Kunden vor allem eine hohe Bindung an ihren Versicherungsvertreter und weniger an die noch junge Marke Ergo.“
Der YouGov-Markenbarometer Assekuranzen vom Mai 2012 – also etwa ein Jahr, nachdem das Handelsblatt die Budapester Sex-Sause von 2007 öffentlich machte – wies in den sogenannten Stimulanzkriterien - die für die Neukundengewinnung entscheidend sind - sogar Spitzenpositionen bei Werten für Kreativität und Bekanntheit der Marke Ergo aus. „Die Einführung der Marke Ergo mit dem Slogan ‚Versichern heißt verstehen‘ hat insgesamt gut funktioniert. Die Bekanntheit liegt etwa auf dem vorherigen Niveau der Hamburg-Mannheimer“, sagt Gaedeke. „Es gibt einen allgemeinen Trend bei Unternehmen wie bei ihren Kunden, immer transparenter zu werden. Die neue Note in den Kampagnen der Ergo unter Torsten Oletzky war das Versprechen, ein gänzlich anderes Versicherungsunternehmen aufzubauen und in die Zukunft zu führen. Ergo hat damit dem Kundenbedürfnis nach mehr Transparenz und individueller, passgenauer Beratung entsprochen wie noch kein Versicherer zuvor“, glaubt Gaedeke. „Damit haben sie zudem eine sich abzeichnende Entwicklung regulatorischer Eingriffe durch den Gesetzgeber vorweg genommen. Das Versprechen der Ergo ist mutig – auch wenn sie noch nicht da sind, wo sie in punkto Verständlichkeit und Transparenz hin wollen. Jetzt müssen sie durchhalten.“