Nach Bekanntwerden der Budapest-Reise kamen zahlreiche weitere Lustreisen zur Motivation der erfolgreichen Vertriebskräfte ans Tageslicht. So wurden bis heute viele weitere anrüchige Vergnügungen von Vertriebsmitarbeitern auf Mallorca, der Hamburger Reeperbahn, in Wien sowie auf Jamaika publik. Auch wenn sie nicht die Dimension der Sex-Sause in der Budapester Gellert-Therme erreichten, so musste die Konzernleitung um Ergo-Vorstandschef Torsten Oletzky doch nach und nach von ihrer Einzelfall-Theorie abrücken. Dass es bei diesen Vorfällen meist um deutlich weniger Teilnehmer ging, die Swinger-Hotel-Besuche teilweise nur auf Initiative einzelner Personen stattfanden und die Auslagen aus der Konzernkasse für diese Zwecke deutlich geringer ausgefallen waren spielte für den Kunden nun mehr eine untergeordnete Rolle. Der Eindruck, Sex-Eskapaden seien Bestandteil der alltäglichen Mitarbeiter-Motivation hatte ich in der öffentlichen Wahrnehmung verfestigt.
In jüngster Zeit gesellten sich noch schwerwiegende Vorwürfe über unsaubere Geschäftsmethoden hinzu. Ergo steht am Pranger, weil Kunden anscheinend mit falschen Kostenabrechnungen bei Riester-Verträgen und bei systematischen Umdeckungsaktionen übervorteilt wurden.
Im Fall der falschen Abrechnung von Riester-Verträgen lautet der Vorwurf, Ergo habe so 70.000 Kunden um insgesamt bis zu 160 Millionen Euro geschädigt. Laut Ergo-Prüfung sind jedoch nur 12.000 Kunden betroffen, die Schadenregulierung beläuft sich bis dato auf rund eine Million Euro.
Revisionsbericht: Ergo entdeckt weitere Lustreisen
Die Top-Five-Clubreise nach Mallorca (kleine Clubreise) hat in der Zeit vom 12.09. - 15.09.2005 stattgefunden und wurde von Herrn Lange in seiner Funktion als Leiter der HMI-Vertriebsorganisation begleitet.
Insgesamt werden angabegemäß je Jahr eine „große“ und zwei „kleine“ Top-Five-Clubreisen in Eigenregie von der Vertriebsdirektion HMI (VDHMI) organisiert, durchgeführt und über eigene Kostenstellen abgewickelt.
Als sie den Club betreten hätten, seien er und andere überrascht gewesen, weil im Tresenbereich leicht bekleidete „Mädels“ gestanden hätten. Einige, zu denen er gehörte, seien dann ca. nach einer Stunde zurückgefahren, andere seien dort geblieben.
Aufgrund der vorliegenden Information ist es aus Sicht von REV (Revision) wahrscheinlich, dass mit den beiden von Herrn Lange eingereichten Bewirtungsbelegen über gesamt 2428 Euro Aufwendungen für einen Nachtclub/Bordellbesuch finanziert wurden.
Auf beiden Belegen ist im Kopf der Name „Mexxaton“ vermerkt, bei dem es sich anscheinend um die Lokalität handeln soll, von der sie ausgestellt wurden. Auf dem Beleg über € 1508 ist zusätzlich das Datum „15.09.05“ vermerkt, während der andere kein Datum trägt. Weitere Angaben z.B. zum Aussteller befinden sich nicht darauf.
Eine Lokalität mit dem Namen „Mexxaton“ auf Mallorca haben wir weder bei unseren Internetrecherchen gefunden noch war sie der vor Ort vertrauten Reiseagentur bzw. dem Hotel oder Reiseteilnehmern bekannt.
Das Datum auf dem Beleg über € 1508 wäre allenfalls plausibel, wenn die Rechnung in den frühen Morgenstunden ausgestellt wurde, da am 15.09.05 der Abreisetag war.
Wir haben am 10.06.2011 Herrn Lange telefonisch zu dem Vorgang befragt. Er erinnerte die Reise zwar, gab aber an, die Gruppe nicht in ein Bordell eingeladen zu haben. Zu den „Zweckformbelegen“ und dem Namen „Mexxaton“ könne er aber nichts sagen.
Im Zusammenhang mit der Prüfung zu dem HMI-Sonderwettbewerb - Budapest 2007 („Party Total“) sind die auf den Gewinner- bzw. Teilnehmerlisten aufgeführten Personen von der Konzernrevision zur Teilnahme und ggf. weiteren Details befragt worden. Dabei ist von einer Person der Hinweis geäußert worden, dass es auf einer Wettbewerbsveranstaltung der HMI nach Südamerika zu vergleichbaren Aktivitäten gekommen sei.
Auf Nachfrage wurde der Hinweis dahingehend ergänzt, dass eine HMI-Geschäftsstelle in Frankfurt im Januar/Februar 2011 eine Wettbewerbsreise in ein „Swinger-Hotel“ in Jamaika durchgeführt habe.
Die von Herrn M. geleitete Geschäftsstelle in Frankfurt hat in den Jahren 2009 und 2011 jeweils Wettbewerbsreisen nach Jamaika in das „Swinger-Hotel“ Hedonism II (www.hedonism-resorts.de) durchgeführt.
Das Hotel ist gemäß Internet-Recherche ein bekanntes Reiseziel für entsprechend interessierte Personen.
Vor Buchung der Reise sind die Reiseunterlagen gem. Richtlinie zum Generalstrukturen-Reisewettbewerb (GRW) der abrechnenden Stelle PVH5HH per Mail zur Genehmigung vorgelegt worden.
Von der Geschäftsstelle wurden insgesamt drei Angebote von unterschiedlichen Hotels eingeholt und es wurde mitgeteilt, dass man sich für die dritte, günstigste Variante mit der Hotelkombination Mariott am Time Square und dem Hedonism II auf Jamaika entschieden hatte.
Als Grund für die Buchung gab er an, dass seine erste Wettbewerbsreise vor 25 Jahren in dasselbe Hotel geführt habe.
Nach allem, was Ergo heute bekannt ist, war diese Veranstaltung ein Einzelfall und widersprach schon damals den Regeln, die für die Organisation von Wettbewerbs-Reisen gelten.
Herr P. verwies darauf, dass sich zur selben Zeit das Magazin „Playboy“ mit „Bunnys“ zwecks eines Fotoshootings in der Anlage aufhielt.
In diesem Zusammenhang seien auch Fotos mit Teilnehmern und den Models (teilweise ohne Oberteil) aufgenommen worden. Es sei nicht auszuschließen, dass diese Fotos an die Öffentlichkeit gelangten.
Ebenso unschön sind die Vorwürfe zur vermeintlich systematischen Umdeckung von Lebensversicherungsverträgen. Bei einer Umdeckung beendet der Kunde einen Versicherungsvertrag und wechselt gleichzeitig in einen neuen Vertrag mit ähnlichem Umfang. Im Fall der Umdeckungsaktion von Lebensversicherungen mit nach heutigen Maßstäben hohen Zinsen in eine Unfallversicherung mit Einmaleinzahlung und Beitragsrückerstattung sollen knapp 5000 Kunden betroffen sein, die Zins-Nachteile für die Kunden belaufen sich nach Informationen des Handelsblatts auf 13 Millionen Euro. Nachdem Ergo die Versicherten angeschrieben hatte, machten bislang lediglich 47 der betroffenen Kunden den Wechsel in die Unfallversicherung rückgängig.