Tatsächlich schwenken laut Studie viele Insurtechs längst von Konfrontation auf Kooperation mit den Versicherern um. Das Finanzportal Treefin schlüpfte zum Beispiel unters Dach der Versicherungsgruppe W&W. Versicherer wie Baloise, Helvetia und Signal Iduna haben Millioneninvestments in Insurtechs angekündigt. Die Allianz hat dafür eine eigene Einheit AllianzX geschaffen.
Der Insurtech Radar beleuchtet anhand der Wertschöpfungskette von Angebot, Vertrieb und Betrieb einer Versicherung auch, welche Insurtechs dort aktiv sind und welche Chancen die Studienautoren ihnen beimessen.
Vor allem im Angebotsbereich hat es ein großes Wachstum gegeben; etwa jedes fünfte Insurtechs in Deutschland stammt nun auch diesem Bereich. Volldigitale Versicherer, wie etwa Ottonova im privaten Krankenversicherungsbereich, sind keine Seltenheit mehr. Dabei steht zunehmend auch der Präventionsgedanke im Vordergrund. Es geht nicht mehr nur um günstigere Beiträge. Insurtechs wollen also noch stärker als klassische Versicherer ihren Kunden dabei helfen, Versicherungsrisiken zu senken – und so letztlich der Versichertengemeinschaft aber auch dem Versicherer selbst nützen. Das Berliner Start-up Perseus kombiniert zum Beispiel die Vorbeugung von Hackerangriffen und anderen Datenrisiken mit der passenden Cyber-Versicherung, die auf mittelständische Kunden zielt. Insurtechs, die diesen Schutzgedanken in den Vordergrund stellen, trauen die Studienautoren die besten Erfolgschancen im Angebotsbereich zu. Neben Perseus und Ottonova sind das auch die Insurtechs BuddyGuard, JimDrive und Schadenengel.
Digital or dead: So überleben Sie die digitale Zukunft
Die Digitalisierung wird mittelfristig das Kerngeschäft der meisten Unternehmen beeinflussen. Führungskräfte müssen analysieren (lassen), wie sich die Spielregeln für ihre Branche verändern und die einzelnen Herausforderungen zu ihrer persönlichen Agenda machen.
Quelle: Digital or dead von Serhan Ili und Ulrich Lichtenthaler
Viele Firmen konzentrieren sich darauf, vor allem die Effizienz ihrer Produktion durch neue Technologien zu stärken. Wer sich aber ausschließlich auf technologiegetriebene Effizienzsteigerung konzentriert, verschenkt in Zukunft Wachstumschancen. Denn diese entstehen durch digitale und analoge Innovationen.
Führungskräfte müssen besonders vielversprechende digitale Lösungen für ihr Unternehmen identifizieren. Wenn sie ein oder mehrere Tools in der engeren Auswahl haben, sollten sie das Ausprobieren der Software im Unternehmen fördern.
Neben dem kurzfristigen Ausprobieren müssen Unternehmen auch langfristig für ihre IT-Zukunft planen. Schließlich sollen die neuen Softwarelösungen, die zum Geschäftsmodell passen, auch in die bestehende Unternehmens-IT integriert werden.
Der Ausgangspunkt der Digitalisierungsinitiative sollte keinesfalls die IT sein. Vielmehr sollten die damit befassten Entscheider zunächst ein klares Bild davon haben, welchen Nutzen die Digitalisierung dem Unternehmen bringen sollte. Auf dieser Grundlage sollte alsdann zunächst ein passendes Geschäftsmodell für die digitalen Aktivitäten entwickelt werden, bevor dieses dann innerhalb der IT tatsächlich umgesetzt wird.
Eine zentrale Gefahr für Industrieunternehmen ist das Auftreten neuer Komplettlösungsanbieter wie Uber, die direkt an der Schnittstelle zum Kunden arbeiten und diese besetzen. Umgehen kann man diese Gefahr mit der Entscheidung für eine interne Digitalisierungslösung.
Eine Stelle wie die des CDO zu schaffen, der die Digitalisierungsbemühungen koordiniert, ist sehr hilfreich. Der Chief Digital Officer braucht aber auch genügend Macht und Einfluss innerhalb des Unternehmens. Wenn sein Posten nur eine Alibifunktion innehat, nützt das wenig.
Über die koordinierende Funktion des Chief Digital Officers hinaus beinhaltet die Digitalisierung eines Unternehmens üblicherweise weitere, größere Veränderungen, die ein gewisses Maß an Beteiligung des ganzen Unternehmens erfordert. Die Unternehmenslenker müssen eine überzeugende Digitalisierungsgeschichte entwickeln, um die Einsatzbereitschaft aller Beteiligten sicherzustellen.
Unternehmen müssen bewegliche und flexible Innovationsprozesse anstoßen und weiterentwickeln - zumindest als Ergänzung für traditionellere, systematische Prozesse. Darüber hinaus ist es unabdingbar, ganze Produktlösungen innerhalb des geschäftlichen Umfelds zu optimieren, anstatt nur einzelne Produktspezifika zu verändern.
Digitalisierung erfordert neue Kompetenzen und beinhaltet oft die Veränderung bekannter und bewährter Geschäftsmodelle. Daraus folgt, dass Unternehmen offen für Hilfe von außen, nämlich von Digitalisierungsexperten, sein sollten, um den größtmöglichen Nutzen aus Innovation und den dazugehörigen Kompetenzen ziehen zu können.
Marktaustritte von 63 Prozent
Der Anteil der Insurtechs im Vertriebsbereich ist durch die ersten Marktaustritte von 63 Prozent Mitte 2016 bereits deutlich auf aktuell noch 41 Prozent gesunken. Chancen sieht der Insurtech-Radar hier vor allem bei Start-ups, die eine enge Bindung zum Kunden schaffen. „Die betriebliche Altersvorsorge kann für Insurtechs ein guter Türöffner sein“, sagt Kottmann von Oliver Wyman. Wenn diese Angestellten eines Unternehmens erstmal Verträge in diesem Bereich vermittelt haben, eröffnet ihnen das später vielleicht auch für andere Vertragsarten Chancen. Penseo und HeavenHR nennt die Studie als Vertreter solcher „Unternehmensplattformen“.
Weniger sichtbar, aber für die Versicherungswelt nicht weniger spannend: Auch den Betrieb der Versicherungen wollen Insurtechs verändern. Bereits 38 Prozent der Insurtechs entfallen nun auf diesen Bereich, Mitte 2016 waren es nur 22 Prozent. Das Gros der Start-ups im Betriebs-Bereich widmet sich indirekt aber doch wieder dem Vertrieb, indem es Versicherungsvertriebe unterstützen will. Mehr Chancen sehen die Studienautoren etwa bei der Schadensabwicklung. International gebe es hier deutlich mehr Aktivität als bei den deutschen Insurtechs. Mit den Insurtechs Cognotekt, mbafleet, MotionsCloud, SchadenLaden, Unfallfuchs und unfallhilfe24 listen sie aber doch einige Vertreter aus diesem Feld auf.