Krankenkassen Mit welchen Tricks die Kassen um Kunden kämpfen

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Intransparente Bonusprogramme

Was Trab nicht bewusst war: Gerade bei Bonusprogrammen haben die Kassen große Freiheiten. Sie können bestimmen, welche Leistungen sie belohnen wollen. Und wie viele es sein müssen, bis die Versicherten auch wirklich einen Bonus erreichen. Viele zahlen gar nicht erst Summen in bar aus, sondern belohnen Versicherte durch Zuzahlungen zu medizinischen Leistungen wie einer professionellen Zahnreinigung, für die die Versicherten sonst die Kosten voll übernehmen müssten.

Den vollen Bonus bekommen Versicherte oft nur, wenn sie sämtliche Auflagen erfüllen. Bei manchen Programmen ist das jedoch unmöglich: So verlangen manche Kassen zum Beispiel, dass Kinder alle Vorsorgeuntersuchungen einhalten. Diesen Punkt können aber nur diejenigen Mitglieder erfüllen, die tatsächlich Nachwuchs haben. Manche Kassen berechnen auch Punkte für Schwangerschaftsuntersuchungen. Männer – oder Frauen, die kein Kind erwarten – können damit die volle Punktzahl für den Bonus nie erreichen.

Verbraucherschützer kritisieren die verwirrenden Bonuszahlungen deshalb schon lange. So untersuchte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen die Bonusprogramme von 30 Krankenkassen. Das Ergebnis: Viele seien viel zu intransparent. Und eine gesündere Lebensweise förderten die Kassen mit ihren Programmen auch nicht.

Krankenversicherer mit dem besten Rating für finanzielle Leistungsfähigkeit

Vor allem aber geben die Kassen weit weniger Geld für die Bonusprogramme aus, als sie ihren Versicherten Glauben machen wollen. Das Deutsche Finanz-Service Institut immerhin hat die Bonusprogramme von 53 Kassen anhand von sechs Musterfällen untersucht. Sie erfanden sechs fiktive Versicherte im Alter von 25,45 und 65 Jahren. Alle dieser fiktiven Fallbeispiele waren Nichtraucher, Normalgewichtig, hielten ihre Vorsorge- und Impf-Termine ein. Trotzdem hätten lediglich bei zwei untersuchten Krankenkassen – die DAK Gesundheit und die Schwenninger BKK – hätten alle sechs der fiktiven Fallbeispiele die volle versprochene Summe erlangt. Bei vielen Bonusprogrammen hingegen erreichten die sechs Fallbeispiele im Schnitt nicht mal ein Drittel der versprochenen Barauszahlung. So wie bei Mirko Trab.

Wettbewerbszentrale mahnt Krankenkassen ab

Solche Fälle landen täglich auf dem Tisch von Christiane Köber. Die Geschäftsführerin der Wettbewerbszentrale kämpft von ihrem Büro mit dem dunklen Teppich und dem kleinen Erker aus für die Rechte der Verbraucher. An den Wänden stapeln sich in den Regalen die Akten. Im Namen des fairen Wettbewerbs mahnt Köber die Krankenkassen für falsche Versprechen und irreführende Werbung ab. Wenn es sein muss, zieht sie vor Gericht.

Erst vor einigen Monaten hat Köber ein Urteil gegen die Schwenniger Krankenkasse erwirkt. Die hatte einen Makler beauftragt, um Kunden anzuwerben. Doch die Mitarbeiter des Maklers gingen dabei so weit, dass sie im Namen der Kunden die Kündigung bei deren alten Versicherung erklärten. Und die BKK Mobil Oil schickte sogar Postboten bis zur Haustür der Kunden. Die gaben dem Postboten eine Unterschrift, nicht wissend, dass sie damit nicht den Empfang der Unterlagen bestätigten, sondern ihre Kündigung bei ihrer Kasse unterzeichneten. „Das ist schon dreist“, sagt Köber.

Wer wieder zurück in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln kann

Sie steht auf und zieht eine schwere Akte auf dem Regal. Ein Fall der Barmer Krankenkasse, ein Versicherter musste zwei Monate lang auf seine Kündigungsbestätigung warten. Eigentlich sind die Krankenkassen verpflichtet, diese innerhalb von zwei Wochen vorzulegen. Ohne die Bestätigung können die Versicherten nicht den Anbieter wechseln. Und genau deshalb zögern die Krankenkassen die Bestätigung hinaus. Manche Kassen versuchen die Kunden zu einem persönlichen Gespräch zu bewegen, um sie dann noch mal umzustimmen. „Sobald eine Kasse ihren Beitrag erhöht, springen die ersten ab. Das wollen die Kassen verhindern. Sie erschweren den Leuten die Kündigung“, sagt Köber.

Mirko Trab hat seine Kasse mittlerweile gewechselt. Probleme gab es dabei keine. „Ich glaube, die waren ganz froh, dass sie nicht mit noch mehr Anrufen von mir rechnen mussten“, sagt er.

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