Rekordstand Rücklage gesetzlicher Kassen wächst weiter

Die gesetzlichen Krankenkassen haben so viele Rücklagen angehäuft wie noch nie. Das weckt Begehrlichkeiten bei Pharmaindustrie und Kliniken. Doch der GKV-Spitzenverband warnte vor „überzogenen Erwartungshaltungen“.

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Die gesetzlichen Krankenkassen haben Milliarden-Rücklagen angehäuft. Quelle: dpa

Berlin Die Rücklagen der gesetzlichen Krankenversicherung sind dank der guten Konjunktur im dritten Quartal auf einen Rekordstand von 23,5 Milliarden Euro gestiegen. Rund 14 Milliarden Euro davon hätten sich bei den Kassen und rund 9,5 Milliarden Euro im Gesundheitsfonds angesammelt, teilte das Gesundheitsministerium am Mittwoch in Berlin mit. Bei Pharmaindustrie und Kliniken weckte das Finanzpolster Begehrlichkeiten: Sie forderten ein Ende staatlicher Sparmaßnahmen.

Die 145 Krankenkassen selbst fuhren einen Überschuss von 4,05 Milliarden Euro ein, was gut 1,3 Milliarden Euro mehr sind als zur Jahresmitte. Das Ministerium geht nach eigenen Worten im letzten Quartal allerdings nicht von einem weiteren wesentlichen Zuwachs aus.

Der Gesundheitsfonds weist in den ersten neun Monaten dagegen noch ein geringes saisonbedingtes Defizit von 15 Millionen Euro auf. In dem Finanzpool werden die Beiträge und Steuerzuschüsse gesammelt und von dort an die Kassen verteilt. Im letzten Quartal eines Jahres steigen die Einnahmen vor allem aufgrund von Einmalzahlungen deutlich an, so dass auch hier am Jahresende ein deutliches Plus stehen dürfte.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr sagte, die gesetzliche Krankenversicherung stehe auf einem soliden finanziellen Fundament. Grund für die positive Entwicklung seien die gesetzliche Begrenzung der Ausgaben sowie die gestiegenen Beiträge. Zusätzlich zur Abschaffung der Praxisgebühr zum 1. Januar bestehe bei einer Reihe von Kassen erheblicher Spielraum, um die Versicherten durch Prämien zu entlasten.

Bislang zahlen überwiegend kleine und mittlere Kassen mit insgesamt rund 700.000 Versicherten Überschüsse aus. Damit profitieren ein Prozent der über 70 Millionen GKV-Versicherten von Ausschüttungen. Ab Januar wird sich deren Zahl laut Ministerium aber verzehnfachen, weil auch große Versicherer hinzu kommen.


Trend bei Ausgaben zeigt nach oben

Allerdings verweisen Experten mit Blick auf die Finanzlage auf erhebliche Risiken. So zeigt der Trend bei den Ausgaben mit einem Zuwachs von insgesamt 3,2 Prozent deutlich nach oben. Zwei Prozent waren es bei den Arzneimitteln. Ohne die Rabattverträge mit Kassen, die Einsparungen von rund 1,4 Milliarden Euro brachten, würde der Anstieg hier noch höher liegen. Um 2,1 Prozent stiegen die Ausgaben für ambulante ärztliche Behandlungen, die Klinikausgaben wuchsen um 3,3 Prozent.

Die Pharmaindustrie verlangte, den erhöhten Zwangsrabatt und die Preisdeckelung zurückzunehmen. Es sei paradox, den Unternehmen auf dem Preisniveau von 2009 jeglichen Handlungsspielraum zu nehmen, „während Löhne, Energie und Rohstoffe sich verteuern und die Überschüsse der GKV immer weiter anwachsen“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Norbert Gerbsch.

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) forderte Entlastungen. Die weiteren bevorstehenden Kürzungen für die Kliniken von 750 Millionen Euro in den nächsten beiden Jahren seien durch nichts mehr gerechtfertigt. Die Regierung verwies allerdings darauf, dass die Krankenhäuser per Gesetz die Tarifsteigerungen zum Teil ausgeglichen erhielten, was in den Finanzdaten noch nicht enthalten sei.

Der GKV-Spitzenverband warnte dagegen vor Milliardenforderungen. Die gute Finanzlage gebe „keinen Anlass für überzogene Erwartungshaltungen“, sagte Sprecherin Ann Marini. Die gute Konjunktur überdecke, dass die Ausgaben schneller stiegen als die Einnahmen. So habe es bei den Arzneiausgaben nur einen kurzfristigen Rückgang gegeben.

Als Reaktion auf die Überschüsse hatte die Koalition Anfang November entschieden, den Bundeszuschuss von 14 Milliarden Euro 2013 um zusätzlich 500 Millionen Euro und damit um insgesamt 2,5 Milliarden Euro zu kürzen. 2014 wird der Zuschuss um zwei Milliarden Euro verringert.

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