Versicherer Die dubiosen Methoden der Volksfürsorge

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Hausgemachte Probleme

Wenn die Versicherung nicht zahlt
Ist der Hund über die Privat-Haftpflicht mitversichert? - Nein!In der Privat-Haftpflichtversicherung sind zwar Schäden von einigen Haustieren mitversichert. Würde die Katze zum Beispiel einem Besucher die Hand oder den Arm zerkratzen, würde sie berechtigte Ansprüche wie Arztkosten oder Schmerzensgeld übernehmen. Für Hunde aber ist eine eigene Tierhalter-Haftpflichtversicherung notwendig. Der Halter muss sogar dann für seinen Hund haften, wenn er an dem Vorfall keine Schuld trifft - das nennt sich unter Juristen „Gefährdungshaftung“. Bestenfalls wird ein Mitverschulden des Geschädigten zu Gunsten des Hundebesitzers berücksichtigt - meist aber erst nach einem langen und teuren Gerichtsverfahren. Ein anderes Missverständnis: Freunde oder Nachbarn, die mal auf einen Hund aufpassen, glauben mitunter, nur der Hundehalter könne haftbar gemacht werden. Richtig ist: Der Gesetzgeber hat im Paragraphen 834 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine spezielle Haftung des Tieraufsehers geschaffen. Anders als der Hundebesitzer kann der Hunde-Aufseher sich allerdings der Haftung entledigen, wenn er seine Unschuld nachweist. Immerhin ist das private Hüten fremder Hunde bei vielen Privat-Haftpflichtversicherungen mitversichert.Die Texte basieren auf Informationen aus einer Artikelserie, die die Gothaer Versicherung veröffentlicht hat. Autor der Serie ist der Versicherungsjournalist Andreas Kunze. Quelle: dpa
Reicht nach einem Einbruch eine Anzeige bei der Polizei? - Nein!Einbruchdiebstahl gehört zu den versicherten Risiken einer Hausratversicherung. Eine Schadenmeldung beim Versicherer sowie eine Anzeige bei der Polizei reicht aber nicht. Für die Schadenregulierung müssen Versicherungsgesellschaft und Polizei unverzüglich ein Verzeichnis der verschwundenen Gegenstände erhalten - im Versicherungsdeutsch „Stehlgutliste“. Dazu gehören möglich präzise Angaben. Für die Abgabe der Stehlgutlisten gibt es keine festen Fristen, es kommt jeweils auf die persönliche Situation an. Wenn ein Versicherungskunde zum Beispiel schwer erkrankt ist und sich sonst niemand kümmern kann, bleibt mehr Zeit. Wenn der Kunde sich zu lange Zeit lässt oder die Liste gar nicht erstellt, kann der Versicherer die Schadenregulierung ganz oder teilweise verweigern. Quelle: dpa
Ist das Rad versichert, wenn es im Garten steht? - Nein! In der Hausrat-Police sind Fahrräder generell mitversichert. Wird das Fahrrad also bei einem Brand zerstört oder bei einem Wohnungseinbruch entwendet, erhält der Besitzer grundsätzlich den Neupreis erstattet. Zu unterscheiden ist jedoch, ob es sich um einen „Einbruch-Diebstahl“ gehandelt hat oder um einen „einfachen Diebstahl“. Wurde in die abgeschlossene Wohnung, den abgeschlossenen Keller oder die abgeschlossene Garage eingebrochen, gibt es kein Problem. Doch wer einen umzäunten Garten hat und glaubt, das Fahrrad wäre dort genauso versichert, liegt falsch. Wenn das Fahrrad aus einem aufgebrochenen Gartenhäuschen verschwindet, wäre das wiederum ein versicherter Schaden. Wenn der einfache Diebstahl des Drahtesels mitversichert wird, kostet das in der Regel einen Prämienaufschlag. Das Fahrrad kann dann auch vor dem Kino oder dem Arbeitsplatz gestanden haben - allerdings natürlich gesichert. Quelle: dpa
Ist viel Schnee auf dem Dach ein Fall für die Gebäudeversicherung? - Nein!Drei Tage lang schneit es ohne Unterbrechung. Hausbesitzer Martin W. schippt fleißig die Wege, auf das Dach achtet er nicht - bis mit lautem Krachen Schnee- und Eisklumpen herunterstürzen und die Regenrinne sowie die Pergola demolieren. Ein Fall für die Gebäudeversicherung? Nicht direkt, denn diese gilt nur für Feuer, Sturm und Hagel sowie Blitzschlag. Für andere Elementargefahren wie beispielsweise Schneedruck braucht der Versicherte eine Elementarversicherung. Dann sind auch Schäden durch Überschwemmung, Rückstau, Erdbeben, Lawinen und Vulkanausbruch versichert. Die Elementarschadenversicherung kann gegen einen Aufschlag von etwa 20 Prozent zusätzlich zur Wohngebäude- oder auch Hausratversicherung abgeschlossen werden. Bezahlt werden dann beispielsweise die notwendigen Reparaturkosten, etwa für die Regenrinne von Martin W. Üblich ist eine Selbstbeteiligung. Der Hausbesitzer darf trotz allem aber nicht tatenlos zu sehen, wenn es schneit. Wenn nötig, muss der Hauseigentümer den Schnee beseitigen lassen. Wenn das unterbleibt, kann der Versicherer die Regulierung ganz oder teilweise verweigern. Quelle: ap
Sind Umzugshelfer versichert? - Nicht zwingend!Nach einem privaten Umzug steht manche Freundschaft auf der Kippe, weil einer der Helfer einen Schaden angerichtet hat und niemand dafür aufkommen will. Ist das dein Fall für die Haftpflicht? Der Grundsatz: Der Verursacher trägt die volle Verantwortung für Schäden. Ausnahmen für bislang gute Freunde sind nicht vorgesehen. Wer als Umzugshelfer den Fernseher fallen lässt, der muss dafür zahlen. Allerdings haben sich die Gerichte etwas einfallen lassen, um Umzugshelfer zu schützen. Bei geringer Schuld wird so getan, als sei ein Vertrag geschlossen worden, durch den auf Schadenersatzansprüche verzichtet wird. Konsequenz ist, dass der Geschädigte keinen Anspruch auf Schadenersatz hat. Es ist ein häufiges Missverständnis, dass eine private Haftpflichtversicherung indes immer zahlt. Wenn kein Schadenersatzanspruch besteht, ist der Kunde selber nicht haftbar und die Voraussetzungen für eine Schadenregulierung sind nicht erfüllt. Bei grober Fahrlässigkeit ist das anders. Einen schweren Fernseher alleine die Treppe hochzuschleppen, wäre etwa grob fahrlässig. Quelle: picture-alliance / Bildagentur-o
Ist ein Brandloch im Teppich ein Versicherungsschaden? - Nein!Zu den versicherten Risiken bei der Hausratversicherung zählt ohne Zweifel der Brand. Und der Teppich gehört ebenso eindeutig zum Hausrat und ist wie das Sofa oder der Fernseher mitversichert. Doch die Hausratversicherung zahlt nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn es sich um eine Standard-Police handelt. Denn die Versicherer definieren den Brand als Feuer, das „ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder ihn verlassen hat und das sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag“, so ein Hausratexperte der Gothaer Versicherung. Nehmen wir eine Zigarette: Fällt die Glut herunter, hat sie zwar den „bestimmungsgemäßen Herd“ verlassen. Das erste Kriterium wäre erfüllt. Doch: Das Feuer muss sich aus „eigener Kraft“ ausbreiten können. Wenn aber das Brandloch in etwa den Durchmesser einer Zigarette hat, dann hat sich das Feuer eben nicht ausgebreitet. Wer möchte, dass solche Schäden dennoch erstattet werden, muss „Sengschäden“ mitversichern. Quelle: dpa
Enden mit dem Tod automatisch die Policen? - Nicht immer!KFZ-Versicherung: Beim Tod des Versicherungsnehmers geht der Vertrag auf den oder die Erben über. Behalten sie das Auto, läuft die Versicherung weiter, die Prämie kann aber neu kalkuliert werden. Privat-Haftpflichtversicherung: Handelt es sich um eine Single-Police, so erlischt der Vertrag mit dem Tod. Eine Familienpolice läuft weiter. Hausrat-Versicherung: Die Police für den Hausrat geht auf die Erben über. Meist endet der Versicherungsvertrag aber zwei Monate nach dem Tod des Versicherungsnehmers. Wohngebäude-Versicherung: Die Police fürs Haus läuft weiter und wird auf den oder die Erben des Hauses umgeschrieben. Ein Sonderkündigungsrecht wegen des Todesfalls besteht nicht.Unfall-Versicherung: Diese Police endet mit dem Tod des Versicherungsnehmers, wenn er die einzige versicherte Person war. Risiko- und Kapitallebensversicherung: Mit dem Tod der versicherten Person endet der Versicherungsvertrag, die Leistung wird fällig. Private Rentenversicherung: Bei einem Tod vor Rentenbeginn stehen dem Berechtigten oder Erben je nach Vertrag die vereinbarte Leistung zu, zum Beispiel die eingezahlten Beiträge. Verstirbt der Versicherte nach Rentenbeginn, bestehen dann Ansprüche, wenn eine Rentengarantiezeit (z. B. 10 Jahre) oder eine Hinterbliebenenrente vereinbart wurden. Dann wird die Versicherungsleistung an den Berechtigten oder Erben gezahlt. Quelle: dpa

Offenbar sind die Probleme bei der Volksfürsorge zumeist hausgemacht. So kommen viele der neuen Mitarbeiter aus anderen Branchen. Statt den Einsteigern von der Pike auf die Kundenakquise beizubringen, kümmerten sich viele Mitarbeiter kaum um die frischgebackenen Kollegen, weil sie ohnehin nicht bleiben, heißt es aus dem Unternehmen. „Ich sollte Verwandte und Bekannte abgrasen“, erzählt ein Ehemaliger. „Als ich die durch hatte, war Schluss“, sagt er. „Wo hätte ich auf die Schnelle neue Kunden herholen sollen? Ich habe das ja nicht gelernt.“ Die Volksfürsorge gab hierzu keine konkrete Stellungnahme ab und verwies darauf, dass sie die Mitarbeiter fachlich und verkäuferisch qualifiziere.

Genervte Kunden

Norbert F. etwa kann sich noch gut an das Gespräch mit einem Bezirksdirektor der Volksfürsorge in Norddeutschland erinnern. Mit den Kunden, die er erhielt, könne er bei 30 bis 40 Stunden Arbeit pro Woche, „locker 3000 bis 4000 Euro brutto pro Monat verdienen“, habe sein Vorgesetzter behauptet. Doch rief Norbert F. bei den Kunden an, war er, wie sich schnell zeigte, nicht der Erste. „Die wurden vor mir schon von mehreren Vorgängern beackert“, sagt er. Von ähnlichen Erfahrungen berichten auch andere Vertriebsassistenten. Die Volksfürsorge sagte hierzu, dass dieses bei einem Beraterwechsel passieren könne.

Selbst bei erfahrenen Mitarbeitern verliert die Volksfürsorge in großem Umfang Personal. So kamen in den ersten vier Monaten dieses Jahres auf 268 neu angestellte hauptberufliche Mitarbeiter 317 Abgänge. Damit droht auch ein Schwund an Kunden. Geht ein langjähriger Berater zu einer neuen Organisation, wechseln viele Kunden mit ihm.

Verunsicherung unter den Angestellten

Die Gründe für die Abgänge sind unterschiedlich. Neue Vertriebsassistenten verlassen oft freiwillig das Unternehmen, wenn sie mit der Arbeit des Versicherungsverkäufers nicht zurecht kommen. Andere werden gefeuert. Weil das aber nicht nur Erfolglose trifft, macht sich in manchen Direktionen der Volksfürsorge Verunsicherung breit. Eine Handelsvertreterin, die im vergangenen Jahr mit einer Beitragssumme von 2,8 Millionen Euro zu den erfolgreichsten Mitarbeitern der Volksfürsorge zählte, wurde einen Tag vor einer Belohnungsreise nach Dubrovnik gefeuert. Ihr sei nicht einmal ein Grund genannt worden, sagt sie. Die Volksfürsorge behauptet, die Vertreterin sei „2012 nicht vermittelnd tätig gewesen“, keine Verträge eingereicht und keine Kunden betreut. Die betroffene Person bestreitet dies.

Mit einem anderen hochrangigen Mitarbeiter, einer Vertriebsdirektorin, liefert sich der Vorstand einen nervenaufreibenden Arbeitskampf. Erst erhielt die Frau zwei Änderungskündigungen, durch die sie degradiert und versetzt werden sollte. Dann gab es von einem auf den anderen Tag eine Versetzung von Saarbrücken nach Hamburg. Es folgten ein Hausverbot, die dritte Änderungskündigung und zwei fristlose Kündigungen. Die Volksfürsorge behauptet, sie habe der Mitarbeiterin einen Posten als Bezirksdirektorin angeboten, was diese abgelehnt habe. Der WirtschaftsWoche liegen Dokumente vor, die die Behauptung der Volksfürsorge widerlegen.

Einzelfälle? Aufgebauscht? Alles halb so wild?

Neue Offensive

Für Bernd Felske, der seit mehr als drei Jahren die Volksfürsorge als Vorstandssprecher leitet, ist die schlechte Stimmung im Haus alles andere als förderlich. Denn das Unternehmen soll noch einmal kräftig durchstarten – und zwar mit einer neuen „Bestandsmaßnahme“, die die erste aus dem Jahr 2009 offenbar toppen soll. Diesen Eindruck erweckt jedenfalls ein neuer Telefonleitfaden für die Berater, der der WirtschaftsWoche vorliegt. Danach sollen Volksfürsorge-Mitarbeiter die Kunden nach folgendem Drehbuch bearbeiten:

„Berater zum Kunden: Wissen Sie, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Sie im Lotto gewinnen? Kunde: Ich glaube 1:10 Millionen oder so. Berater: Das war schon sehr gut. Bei einem Sechser ohne Superzahl sind es 1:14 Millionen. Ist Ihnen auch bekannt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Sie in Ihrem Arbeitsleben berufsunfähig oder sogar ein Pflegefall werden? Kunde: Nein, keine Ahnung. Berater: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie berufsunfähig werden, liegt bei circa 1:4, und dass Sie ein Pflegefall werden bei circa 1:5.“

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