Versicherungen Keine Allianz fürs Leben

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Aktieninfo: Allianz

Versicherungsanalysten sind dennoch skeptisch. „Bei einer Abkühlung der Konjunktur werden die Versicherer an zwei Fronten leiden: bei den Kapitalerträgen ihrer angelegten Kundengelder sowie bei der Nachfrage nach Lebens- und Sachversicherungen“, begründet Thilo Gorlt von der BHF-Bank, warum er die Allianz zuletzt von „kaufen“ auf „reduzieren“ herabsetzte. Wer seinen Job verliert oder sich deshalb Sorgen macht, bindet sich vermutlich keine Kapitallebensversicherung ans Bein.

Zudem drohen schlechte Geschäfte in Italien und den USA, wo die Allianz zuletzt 100 Millionen Euro für Garantien von Lebensversicherten nachschießen musste. Denkbar sind auch weitere Abschreibungen auf Schrottpapiere. Als Mitgift für die Tochter Dresdner Bank, die Allianz-Chef Diekmann kurz vor dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers an die Commerzbank loswurde, musste die Versicherung der Dresdner im Januar – vermutlich hochriskante – Wertpapierpakete mit zweitklassigen Hypothekendarlehen im Nominalwert von zwei Milliarden für 1,1 Milliarden Euro abkaufen. Immerhin tauchen die Dresdner-Verluste nun in ihren Büchern nicht mehr auf. Zum Abschied hatte die grüne Bank mit ihrem Verlust von 6,4 Milliarden Euro den Allianz-Konzern Ende 2008 in die roten Zahlen getrieben.

Bisher gehört die ADAG zu den verlässlichen Cash-Cows im Konzern. 2008 steuerte sie ein Rekordergebnis von 2,3 Milliarden Euro zum operativen Gewinn von 7,4 Milliarden Euro bei. Eine Glanzleistung – allerdings durch außerordentliche Erträge aufgehübscht. Denn die ADAG hat seit Beginn der Krise Mitte 2007 Aktien im Wert von rund 14 Milliarden Euro versilbert, zum Großteil bei Dax-Ständen von mehr als 7000 Punkten. Hätte sie die Papiere gehalten oder später verkauft, hätte es Abschreibungen gehagelt. Ebenso rechtzeitig verkaufte Rupprecht von der Allianz genutzte Immobilien für 236 Millionen Euro.

Aktionäre spüren Schrumpfkurs schon lange

Darüber hinaus steckte der Lebensversicherer nur noch 2,7 Milliarden Euro in den Reservetopf, aus dem die Gewinnbeteiligung der Versicherten gezahlt wird. Im Jahr zuvor war es fast doppelt so viel. Die Höhe dieser Zuweisungen ist nicht vorgeschrieben. Wieviel in die Töpfe wandert richtet sich vor allem nach den Kapitalerträgen – und die waren 2008 deutlich magerer. Die Versicherer dürfen Geldreserven drei Jahre lang steuerfrei parken, bevor sie sie an ihre Kunden ausschütten.

Die reduzierte Einzahlung kann Lebens- und Rentenversicherte treffen: „Bleiben die Zinsen dauerhaft niedrig, muss die Überschussbeteiligung angepasst werden“, sagt Rupprecht. Dann müssten auch Kunden der Konkurrenz mit Abstrichen rechnen: „Falls die Allianz ihre Verzinsung senken würde, hätte dies eine starke Signalwirkung auf alle Lebensversicherer“, sagt Reiner Will, Geschäftsführer der Versicherungs-Ratingagentur Assekurata. Mit 4,5 Prozent liegt der Marktführer derzeit über dem Branchendurchschnitt von 4,2 Prozent.

Die eigenen Aktionäre spüren den Schrumpfkurs des Versicherungskonzerns schon lange: Der Kurs der Allianz-Aktie fiel zuletzt unter 65 Euro. Als Diekmann den Umbau im September 2005 verkündete, waren es 108 Euro. Der Deutsche Aktienindex Dax dagegen steht derzeit fast auf dem gleichen Niveau wie damals.

Dass sich die europäischen Wettbewerber wenig besser entwickelten, wird Diekmann kaum besänftigen. Zurückrudern ist seine Sache nicht. Das zeigte sich schon, als er nur schrittweise und später als andere Versicherer die Gewinnziele für 2008 korrigierte. Umso mehr dürfte den ehrgeizigen Versicherungslenker die Platzierung in der Hitliste der weltweit wertvollsten börsennotierten Unternehmen umtreiben. Bei der Bilanzvorlage im Februar glänzte die Allianz noch mit Platz elf. Zwischenzeitlich ist sie auf Rang 26 abgerutscht.

Rupprecht verspricht mächtiger Interessengemeinschaft Waffengleichheit

Um mit besseren Zahlen auch den Abwärtstrend an der Börse zu drehen, hat sich Diekmann im vergangenen Herbst 100 Millionen Kunden im Gesamtkonzern öffentlich auf die Fahne geschrieben. Bis zur Zielmarke fehlten vor zwei Jahren noch 20 Millionen neue Kunden, heute sind es – auch durch sechs Millionen abgegebene Dresdner-Bank-Kunden – schon 25 Millionen. Bereits Anfang 2007 schwor Diekmann die Führungskräfte in München ein: „Die ADAG-Veränderungsagenda: Wachstum“, hieß es in seinem internen Vortrag unmissverständlich.

Der Schlüssel zum Verkaufserfolg liegt in den gut 10.000 selbstständigen Allianz-Agenturen in der Allianz Beratungs- und Vertriebs-AG (ABV). Sie haben den blauen Riesen groß gemacht – und sollen ihn bitte schön weiter wachsen lassen. Dafür greift Rupprecht tiefer in die Tasche: Beim Frühjahrstreffen mit der mächtigen Interessengemeinschaft (IG) der Allianz-Vertreter Anfang April versprachen Rupprecht und seine wichtigsten Vorstände „Waffengleichheit“ mit anderen Vertriebskanälen.

Bisher haben Allianz-unabhängige Makler und Finanzdienstleister, die frei unter den Versicherungsanbietern wählen können, dem Vernehmen nach oft Schnäppchen bieten können. IG-Repräsentanten empörten sich in ihren Mitglieds-publikationen über Allianz-Vorstände, die „im Alleingang“ dem Finanzdienstleister MLP „bis zu 51 Prozent rabattierte Rechtsschutzversicherungen“ gewährt hatten. „Den unsäglichen Versuch“ habe man aber „schnellstens unterbunden“, triumphierte die IG. Ein Vertreter stellt klar: „Die eigenen Allianz-Leute müssen immer den besten Preis bieten können.“ Außerdem setzte die IG durch, dass die Vermittler für die Schadensregulierung nun elf statt der bisherigen mageren sechs Euro erhalten.

Die Vertreter feiern dies als Sieg: „Nach monatelangen Diskussionen und umfangreichen Untersuchungen ist jetzt in der IG-Sitzung der Durchbruch erzielt worden“, jubeln sie in einer Sonderausgabe ihrer Mitarbeiterzeitschrift „ABV Express“. Trotz des Erfolgs rumort es bei den Vertriebsleuten jedoch weiter. Nach wie vor müssen sie an zwei Fronten kämpfen: mit dem schlecht erreichbaren Innendienst und um die Gunst der immer preiskritischeren Kunden. „Seit dem Umbau ist eine Hotline für uns zuständig, und wir haben keinen festen Ansprechpartner mehr“, berichtet ein Agenturinhaber. Die Gruppenleiter in der nächsthöheren Ebene seien „praktisch unerreichbar“.

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