Versicherungen Keine Allianz fürs Leben

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Schwergewicht Deutschland-Geschäft

Vor allem in der Autoversicherung, die als Türöffner beim Kunden für den Verkauf weiterer Policen gilt, haben die Königsblauen oft das Nachsehen gegenüber Direktversicherern – zumal sich das Unternehmen mit der Allianz24 eine Billigkonkurrenz heranzüchtet. „Der Verbraucher ist zwar bereit, für unsere großzügigere Schadensregulierung etwas mehr zu zahlen – aber nicht jeden Preis“, sagt ein Vertreter aus Nordrhein-Westfalen.

In der Versicherungsfabrik müssen sich die Vermittler die Rabatte, die sie Kunden auf den Standardtarif gewähren, zuerst verdienen. In der Autosparte etwa sammeln sie Guthaben auf ihrem „KonTaFlex“-Konto, wenn sie einen Vertrag zum Normalpreis abschließen. Dieses Geld können sie nicht selbst einstreichen, sondern nur für Rabatte anderer Kunden ausgeben. Dennoch sind die Nachlässe oft zu gering, als dass sich damit die Wettbewerbsfähigkeit in der einstigen Königsdisziplin der Allianz steigern ließe. Im Geschäft mit Firmenkunden sind bei größeren Beitragsvolumina weit höhere Prämiennachlässe möglich.

„Die offiziellen Tarife sind eher Obergrenzen, da sind noch 30 bis 40 Prozent Rabatt drin“, berichtet ein Vertreter aus dem Norden der Republik. Dafür aber schaue sich die Allianz das Risiko genauer an als früher – und lehne den Antrag schneller ab oder bleibe bei ihren Höchstpreisen. Aber auch mit Rabatten ist die Allianz oft zu teuer: Zuletzt scheiterte der Vertreter bei einem Kleinbetrieb, dem er für einige Tausend Euro – inklusive Rabatt – einen Haftpflichtschutz verkaufen wollte. Der Besitzer winkte dankend ab. „Bei der Konkurrenz hat er die gleiche Leistung angeblich für ein Drittel des Preises gekriegt“, berichtet der Vermittler.

Die Konjunkturflaute drückt die Motivation der Vertreter und die Wachstumschancen der Allianz zusätzlich: „50 Prozent der Agenturen wachsen noch, aber die andere Hälfte nicht“, sagt ein Generalvertreter. Einige werden doppelt von der Wirtschaftskrise getroffen: Das Neugeschäft geht zurück. Außerdem müssen sie Provisionen zurückzahlen, wenn Firmen insolvent werden und zum Beispiel deren Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge ruhen.

Angesichts der anrollenden Pleitenwelle bleibt dem Versicherer immerhin ein Trost: Die ADAG führt die betriebliche Altersversorgung von Pleiteunternehmen im Auftrag des wirtschaftseigenen Sicherungsfonds fort. Mit einem Anteil von 16,8 Prozent am Pensions-Sicherungs-Verein ist sie Konsortialführerin. Zumindest dieser Geschäftszweig dürfte 2009 deutlich wachsen.

Weitere Hoffnungsträger sind das sogenannte Cross-Selling – die 20 Millionen Allianz-Kunden in Deutschland sollen weitere Policen der Münchner kaufen – sowie Dienstleistungen für andere Versicherer. Bisher kann Rupprecht nur Erfolge bei den Schwestern landen: Die ADAG erstellt die Geschäftsberichte für die Allianz in Belgien, Großbritannien, Irland, Niederlande und Griechenland.

Das deutsche Kerngeschäft ist zum Wachstum verdammt

Kurzfristig könnte auch die neu gegründete Allianz Bank das Geschäft der Vertreter beleben. Nach dem Debakel mit der Dresdner Bank, die 2001 für 24 Milliarden Euro eingekauft und zum Jahresende für rund fünf Milliarden Euro an die Commerzbank abgestoßen wurde, will das Management nun in Eigenregie einfache Finanzprodukte an die Versicherten vermitteln. Als Starthilfe wollte sie zunächst eine Million Kunden automatisch mitnehmen, die ihre Vermittler zuvor für die Dresdner geworben hatten. Dann entschied sie sich jedoch, den Kunden die Wahl zu lassen und lockte mit 75 Euro Begrüßungsgeld.

Eine teure Aktion, denn zusätzlich erhielten die Agenturen für Wechsler Provisionen von zehn Euro ab dem ersten Kunden und bis zu 50 Euro ab dem hundertsten. Hinzu kamen fünf Promille des Depotvolumens, das der Klient von der Dresdner mitbrachte. Jede Agentur durfte maximal 20.000 Euro an Provisionen einstreichen. Trotzdem landeten nur 350.000 Kunden bei der blauen Bank. So mancher Wechsler mag inzwischen gezweifelt haben, ob er sich richtig entschieden hat. Beim Start waren die Hotlines völlig überlastet, Konten nicht auffindbar, Auszüge zum Ultimo nicht vorhanden. „Ein Chaos“, urteilen Allianzler.

Nervigkeiten wird es für die Klienten wohl noch länger geben: „Will ein Sparer Bargeld bei mir einzahlen, muss ich ihn an die Dresdner Bank verweisen“, berichtet ein Agent. Versicherungsprämien dagegen darf er entgegennehmen. Am bisher eher mageren Produktangebot müssen die Münchner auch noch drehen, wenn 100.000 Neukunden pro Jahr kein Wunschtraum bleiben sollen.

Evolution statt Revolution: Als Schrittmacher für den Gesamtkonzern kann die deutsche Allianz so kaum herhalten. Damit die Maschine besser läuft, braucht Rupprecht jeden Kopf und jede Hand. Doch der Aufschub beim Personalabbau ist kein Ruhekissen: Den Mitarbeitern ist klar, dass die Rentabilitätsziele der Mutter nur zu erfüllen sind, wenn das deutsche Kerngeschäft wächst. Sinkt der Umsatz bei gleichen Kosten, kommen fast automatisch neue Sparmaßnahmen auf die Tagesordnung.

Rupprecht gibt denn auch keine Garantien ab: „Wenn ein Unternehmen nicht so wächst wie die Inflation oder die Löhne, hat es ein Problem.“ Zugleich beteuert er, dass er langfristig mit der neuen Personalstärke plane. Bei Arbeitnehmervertretern wirken solche Beruhigungspillen nicht. Ein Vertreter der Gewerkschaft Verdi glaubt, dass sich die Allianz heimlich schon neue Ziele gesteckt hat: „Ich gehe davon aus, dass Pläne für einen weiteren Arbeitsplatzabbau bereits in der Schublade liegen.“

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