Wäschefabrikant Mey Charlotte macht den Unterschied

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In der zweiten Hälfte der Halle rattern 220 Nähmaschinen in langen Reihen. Auf dem vordersten Tisch liegt ein Stapel dunkelblauer Stoffteile. Eine Näherin legt das Hinterteil eines Slips auf die Arbeitsplatte, Druckluft glättet zischend den Stoff, einen Knopfdruck später hat die Maschine das Gummiband angenäht. Die genaue Anzahl der Stiche, ihr Abstand zueinander, alles ist für dieses spezielle Unterhosenmodell programmiert. Der blaue Stapel ist schnell abgearbeitet, der nächste Posten ist dran.

Joachim Hahn bleibt am Tisch daneben stehen und greift nach einem Push-up-BH, prüft den Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger. "Durch die Form des Körbchens wirkt die Brust der Frau eine Nummer größer." Die Miene des professionellen Qualitätskontrolleurs weicht auch nach 23 Jahren in Diensten von Mey kurz einem süffisanten Grinsen.

Die Marke ist das wertvollste Gute eines Unternehmens

Drüben im Verwaltungsgebäude lächelt von einem mannshohen Plakat Magdalena Neuner, die Biathlon-Olympiasiegerin, in Spitzenunterwäsche. Bequem rekelt sie sich in einem Korbstuhl, das Gewehr an die Schulter gelehnt, einen Selbstauslöser in der Hand. Gegenüber wirft sich der Autor Frank Schätzing, nur mit Boxershorts bekleidet, in die Pose eines Athleten. "Me, Myself and Mey" ist neben dem Firmenlogo zu lesen. Menschen mit einer Geschichte, mit einer Botschaft habe man für die aktuelle Werbekampagne gesucht, sagt der Manager. Man müsse der Marke "eine klare Handschrift" geben. Eine Marke sei das Wertvollste, was ein Unternehmen besitze, davon ist Hahn überzeugt. "Wir verkaufen ein sehr intimes Produkt. Da muss man Emotionen transportieren." Beim Thema Marketing ist der Geschäftsführer ganz in seinem Element, seine Augen werden jetzt groß beim Sprechen, der Kopf nickt beständig.

Die Konzentration auf eine konsequente Markenbildung ist eng mit dem Namen Jung von Matt verbunden. Seit 17 Jahren arbeitet Mey mit der stilprägenden Werbeagentur aus Hamburg zusammen. Mit Erfolg: Die leicht bekleideten Prominenten der Mey-Fotoshootings tauchten nicht nur in den Anzeigen auf, sie gaben auch Stoff für Geschichten im redaktionellen Teil. Kostenlose Werbung für Mey. Marktstudien haben gezeigt, dass 44 Prozent der Deutschen den Namen Mey kennen. Das sind gute Werte für ein Unternehmen, das jährlich nur über einen vergleichsweise kleinen Werbeetat von einer halben Million Euro verfügt.

Dass Unterwäsche in der Kundenwahrnehmung zum Luxusartikel mutiert ist, ist eine Entwicklung der jüngeren Zeit. Mey hat seinen Teil dazu beigetragen. Lange war der Wäschekauf ein reiner "Bedarfskauf", wie es die Marketingleute nennen.

Dass sich diese Wahrnehmung verändert, beweisen die so genannten Best Brands Awards, mit denen die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) jedes Jahr die wachstumsstärksten Marken in Deutschland auszeichnet. In die Bewertung fließt sowohl der ökonomische Markterfolg einer Marke wie auch ihre emotionale Attraktivität für den Verbraucher ein. Im Normalfall dominieren hier Unterhaltungselektronik oder Sportbekleidung. 2006 aber belegte Mey überraschend den zweiten Platz: Das Wäschesegment war dem biederen Feinripp-Image endgültig entwachsen. Auf Platz fünf folgte Schiesser, "die vom Bodensee". Hahn vermeidet es, den Namen des Konkurrenten auszusprechen. Drei Jahre später wiederholte sich der Erfolg: Mey wurde nun in der Rangliste der wachstumsstärksten Marken ganz vorn geführt, noch vor Nike oder Samsung. Schiesser tauchte auf der Liste nicht mehr auf. "Die vom Bodensee" hatten wenige Wochen zuvor Insolvenz angemeldet.

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