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Warenhauskette Woche der Entscheidung für die Karstadt-Käufer

Eine der spektakulärsten Rettungsmissionen der Wirtschaftsgeschichte steuert auf ihr Finale zu: der Verkauf von Karstadt.

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Karstadt

Am Ende entscheidet er: Arnd Koppenborg, Richter am Amtsgericht Essen und zuständig für all jene insolventen Unternehmen, die mit den Buchstaben D und K beginnen. K wie Karstadt.

Am 9. Juni 2009 hatte der damalige Chef des Arcandor-Konzerns, Karl-Gerhard Eick, den Insolvenzantrag für die Warenhaustochter Karstadt eingereicht. Richter Koppenborg war fortan für das Verfahren mit dem Aktenzeichnen 160 IN 107/09 zuständig.

Fast auf den Tag genau ein Jahr später, am 10. Juni 2010 um Punkt 14 Uhr, wird das Gericht die Zukunft der Warenhauskette endgültig besiegeln. In Saal 101 des Gerichtsgebäudes will Koppenborg dann verkünden, ob der Insolvenzplan in Kraft tritt und Karstadt gerettet wird oder ob das Unternehmen doch zerschlagen werden muss.

Zuletzt stiegen die Überlebenschancen. Die Städte mit Karstadt-Standorten stimmten einem Steuerverzicht zu. Und Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg gelang das Kunststück, gleich mehrere Investoren davon zu überzeugen, für Karstadt zu bieten. Die deutsch-schwedische Beteiligungsgesellschaft Triton, der Investor Nicolas Berggruen und das Immobilienkonsortium Highstreet um die US-Investmentbank Goldman Sachs haben verbindliche Kaufangebote vorgelegt, fordern zugleich aber weitere Zugeständnisse der Gläubiger.

Auch eine Gruppe um den russischen Unternehmer Artur Pachomow hat Interesse angemeldet. Die russische Offerte gilt jedoch als die unwahrscheinlichste Variante – zu spät kam das Angebot, zu unklar sind die Konditionen. Pachomov hat bislang nur eine unverbindliche Absichtserklärung vorgelegt. "Wir werden am Montag ein vernünftiges Angebot präsentieren, das die Interessen der Gläubiger in außergewöhnlicher Weise berücksichtigt", kündigte Kurt Diekmann gegenüber der WirtschaftsWoche an. Diekmann ist ebenso wie der ehemalige Karstadt-Chef Helmut Merkel maßgeblich an dem Konzeot von Pachomov beteiligt. Die Russen wollen für Karstadt rund 60 Millionen Euro bezahlen und jährlich 80 Millionen Euro investieren. Kern des Plans ist jedoch der Export des Karstadt-Konzeptes nach Russland.

Dass das Angebot so spät kommt, begründet Diekmann damit, dass ein anderer russischer Kandidat abgesprungen sei, weshalb Pachomov erst relativ spät angesprochen und überzeugt wurde. Erst Anfang Mai habe es den ersten Kontakt zur Familie gegeben. Pachomov, der am vergangenen Dienstag in Hamburg war, um sich mit seinen Partnern abzustimmen, benötige daher noch ein paar Tage Zeit um die Karstadt-Zahlen zu prüfen, heißt es.

Ob Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg und das Gericht den russischen Bietern diesen Wunsch gewähren, scheint allerdings fraglich. Denn der Karstadt-Verwalter hat die Frist für einen Verkauf schon mehrfach verlängert. Eine nochmalige Verschiebung dürfte weder einzelne Gläubiger, die langsam nervös werden, noch den weiteren Investoren, deren Angebote vorliegen, zu pass kommen. Ganz zu schweigen von Görg, dessen Ruf und dem zähen Verfahren leiden könnte. Auch deshalb wird in der Branche weiterhin Highstreet als Favorit gehandelt.

Das Konsortium, das einst die Mehrheit der Karstadt-Immobilien für fast vier Milliarden Euro gekauft hatte, treibt vor allem die Angst vor Mietverlusten um. Rund 250 Millionen Euro zahlt Karstadt jedes Jahr an Highstreet. Im Fall einer Zerschlagung müssten wohl zahlreiche Karstadt-Häuser schließen, was die fragile Konstruktion des großteils kreditfinanzierten Immobiliengeschäfts ins Wanken bringen könnte. Mögliche Leerstände könnten nach Berechnungen des Insolvenzverwalters allein bei den Vermietern Schäden von mehr als 1,5 Milliarden Euro verursachen.

Wer letztlich tatsächlich den Zuschlag erhält, dürfte sich Anfang der Woche abzeichnen. Am Montag beraten die elf Mitglieder des Gläubigerausschusses über die Angebote. Anschließend müssen Verträge geprüft und unterschrieben werden. Am Donnerstag ist dann Richter Koppenborg an der Reihe.

Insolvenz nach Plan

Klar ist schon jetzt, dass die Karstadt-Insolvenz in die Wirtschaftsgeschichte eingehen wird. Entweder als einer der größten Pleitefälle – rund zwei Milliarden Euro werden die Gläubiger abschreiben müssen. Wahrscheinlicher aber als eine der spektakulärsten Rettungsmissionen: Nie zuvor wurde bei einem Unternehmen dieser Dimension die Sanierung via Insolvenzplan gewagt. Statt das Gebilde abzuwickeln, werden Rahmenbedingungen für einen Neustart festgelegt. Trotz des wirtschaftlichen Niedergangs der vergangenen Jahre ist das traditionsreiche Warenhausunternehmen noch immer ein Riese mit mehr als 25.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 3,5 Milliarden Euro (siehe Grafik oben).

Das könnte sich indes ändern, falls der Verkauf von Karstadt im letzten Moment doch noch scheitert. Dann steht im Hintergrund zwar der größte deutsche Handelskonzern Metro bereit. DVertreter des Unternehmens trafen sich vor wenigen Tagen zu Sondierungsgesprächen mit Görg und Metro bekräftigte noch einmal die Bereitschaft, einen großen Teil der Karstadt-Filialen zu übernehmen, um sie mit der Warenhaustochter Kaufhof zusammen zu legen. Allerdings würde dies den Verlust Tausender Arbeitsplätze bedeuten.

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