Was zuvor bei Karstadt geschah Wie Missmanagement KarstadtQuelle ruinierte

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2001 bis 2004: Ein Konzern auf Abwegen

Essen, Frühjahr 2001. Die Urbanisierung von KarstadtQuelle beginnt mit einem Paukenschlag. Für rund 200 Millionen Euro kauft der neue Chef die Mehrheit an der Textilkette SinnLeffers. „Wir werden damit die Nummer eins am deutschen Modemarkt“, freut sich Urban. Zugleich erweist er seinem Großaktionär einen Dienst: Verkäufer sind die Schickedanz-Erben, die sich rechtzeitig von den 43 Modehäusern trennen. Wenige Monate nach der Übernahme zeigt sich, dass SinnLeffers erhebliche Verluste schreibt und dramatisch an Umsatz verliert. Doch da kämpft Urban längst an anderen Fronten.

Der ehemalige Quelle: dpa/dpaweb

Auf den Fluren der Essener Zentrale wird er selten ohne Handy am Ohr gesichtet, seine Mitarbeiter behelligt er vorzugsweise nachts und an Wochenenden mit Nichtigkeiten. Allenfalls wenn der bullige Vorstandschef sein Mobilgerät aus Ärger mal wieder am Schreibtisch zerschellen lässt, haben Urbans Leute ein wenig Ruhe. Der Mann steht mächtig im Stress, zumal er in Personalunion die Holding und die Warenhaustochter führt.

Der Workaholic kauft das französische Modeversandhaus Afibel, setzt bei Lieferanten die Daumenschrauben an, streicht Tausende Stellen, gliedert die Immobilien aus und geht später reihenweise neue Kooperationen ein. Mit der Telekom startet Urban die Happy-Digits-Kundenkarte, verkauft mit dem Ergo-Konzern Versicherungen, mischt beim Deutschen Sportfernsehen (DSF) mit, betreibt Fitnessstudios und paktiert mit dem US-Coffeeshop-Imperium Starbucks, um den trendigen Kaffeeausschank in den Karstadt-Häusern zu etablieren. Dabei wirkt Urban für den Konzern wie ein doppelter Espresso: belebend – bis zum Herzinfarkt.

Filialumbau gerät ins Stocken

Denn das Kerngeschäft gerät ihm aus dem Blick. Der Umbau der Karstadt-Filialen zu Themenhäusern mit einem größeren Bekleidungssortiment stockt. Urban investiert lieber in schicke Kaffeeläden als in schnöde Rolltreppen und neue Kassen. Aber wie lange machen die Kunden den Verfall mit? „Im Warenhaus werden manche schon unfreundlich, wenn sie drei Minuten an der Kasse stehen“, bemerkt Urban zwar in einem Interview und findet das „merkwürdig“. An seiner Strategie ändert er aber nichts.

Womöglich hegt Urban zu diesem Zeitpunkt auch schon andere Pläne. Im Geheimen laufen ab Februar 2001 Gesprächsrunden für einen pikanten Deal: Gemeinsam mit seinen Großaktionären will er den Karstadt-eigenen Immobilienschatz heben.

Fürth, 17. Juni 2002. Madeleine Schickedanz verabscheut öffentliche Auftritte. Ihr Ehemann Leo Herl kümmert sich um das Tagesgeschäft, er sitzt im Aufsichtsrat von KarstadtQuelle. Doch dieses Mal kann sich die Milliardärin nicht wehren: Sie muss feiern. Quelle, das Unternehmen ihrer Eltern, wird 75 Jahre alt. Die Belegschaft hat sich im Fürther Stadtpark versammelt, selbst Alt-Bundespräsident Roman Herzog gratuliert. Für ihn ist der Quelle-Katalog ein „Leitfossil unseres Zeitalters“.

Wie recht der Mann hat. Jeder dritte Haushalt in Deutschland besitzt ein Exemplar des 1500 Seiten starken Traditionswälzers, und doch steht es um die Zukunft nicht gut. Das Online-Geschäft wächst, kann aber den Rückgang bei den Katalogbestellungen nicht auffangen. Auch im Ausland kommt Quelle nur mühsam voran. Immerhin rücken die Versender Neckermann und Quelle endlich näher zusammen, und das Jubiläumsjahr übertüncht die tristen Aussichten.

Dank Sonderangeboten und üppiger Werbung schreibt Quelle 2002 Rekordumsätze von 8,2 Milliarden Euro. „Wir hatten Tage, an denen die Leute nicht mehr bestellen konnten, weil die Systeme zusammengebrochen sind“, erinnert sich Ex-Quelle-Manager Herbrig. Auch er hat Grund zum Feiern: Herbrig wird 2002 zum Leiter des stationären Quelle-Vertriebs befördert. Er soll die rund 150 Technikcenter, in denen Kunden ihre Waschmaschinen und Kameras begutachten und bestellen können, auf Vordermann bringen. Auch das Stammhaus in Hersbruck fällt nun in seinen direkten Aufgabenbereich.

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