Web 2.0 - Flop 2.0 Internet-Startups in Geldnöten

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So war es auch bei Schutzgeld. Zu Anfang boomte das Shopping im Internet mit nur einem Artikel pro Tag. Mit unschlagbar günstigen Preisen und limitierten Mengen sollten die Kunden zu Spontankäufen veranlasst werden. Schnell meldeten sich Tausende Kunden an, hockten noch um Mitternacht vor dem Computer, um das ultimative Schnäppchen des nächsten Tages zu ergattern.

Doch dann kamen die Nachahmer, inzwischen gibt es mehr als 20 Live-Shopping-Seiten. Händler wie Preisbock, Schnellig, Guut oder Dealirio kopierten das Schutzgeld-Modell – so wie Schutzgeld sich die Idee in den USA abgeschaut hatte. Die Klone der Klone variierten das Konzept leicht, präsentierten Fernseher oder MP3-Player zum Beispiel ab neun Uhr morgens statt wie die Pioniere zur Geisterstunde.

Um die Käufer geworben wird mit bemüht witzigen Auftritten – bei Schutzgeld wurde im Mafiaslang getextet, in Mahnschreiben hieß es: „Wenn du nicht zahlst, schickt der Pate seine Jungs vorbei.“

Genützt hat die Comedy im Netz nichts, letztlich entscheidet der Preis über den Erfolg. „Internet-Kunden kennen Preise und Produkte sehr genau“, sagt Faisst, „wer nicht der Billigste ist, wird gnadenlos abgestraft.“ Der Wettbewerb unter den Schnellkaufshops ist knallhart. Um mit großen Elektronikketten und traditionellen Internet-Händlern konkurrieren zu können, bieten Preisbock & Co häufig Restposten an. Bestseller wie der iPod von Apple oder die Spielekonsole von Nintendo werden in der Regel unter Einkaufspreis verhökert, um neue Nutzer anzulocken. „Das fällt unter das Marketingbudget“, sagt Preisbock-Chef Christian Grötsch.

Entsprechend schmal sind die Margen der Internet-Buden. Dann kamen noch Web-Sites, Aggregatoren genannt, die alle aktuellen Angebote auflisteten und vergleichbar machten. Eine solche Übersichtlichkeit im Anbieterdschungel macht das Geschäft mit den Spontankäufen endgültig kaputt. „Die Aggregatoren sind wie Parasiten“, klagt Faisst, „doch statt auf einen gesunden Wirt, haben sie sich auf ausgemergelte Gerippe gestürzt.“ Für Faisst ist darum das gesamte Geschäftsmodell tot. „Live-Shopping ist isoliert betrachtet kein Markt.“ Die kritische Masse sei mit etwa 50.000 regelmäßigen Kunden zu klein und allenfalls als Ergänzung für etablierte Internet-Händler interessant. Denen will Faisst nun seine Expertise anbieten.

„Das Sterben im Web geht weiter“, sagt Olaf Jacobi vom Risikokapitalgeber Target Partners in München. Es gebe zu viele ähnliche Seiten. „Die tun sich entweder zusammen, oder sie gehen einfach kaputt oder werden bei Ebay für ein paar Tausend Euro verkauft.“ Tatsächlich versuchen erfolglose Web-2.0-Gründer immer öfter, ihre Projekte auf der Plattform zu versilbern. Im Oktober wurde dort beispielsweise die Such-Plattform Townster für knapp 38.000 Euro versteigert. In vielen Fällen sind die erzielbaren Preise jedoch für die Gründer völlig uninteressant. Für MyCorn-Flakes, eine Kopie des Internet-Shops MyMüsli, wurden im Sommer gerade mal 2130 Euro zugeboten. Die Auktion scheiterte: „Mindestpreis nicht erreicht.“

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