Weltweite Nummer eins Deutsche Post drückt Konkurrenten weg

Der Logistikkonzern stellt seine Wettbewerber aus Frankreich und Großbritannien in den Schatten. Doch ein Konkurrent könnte der Deutschen Post noch gefährlich werden: Das börsennotierte Postunternehmen TNT aus den Niederlanden.

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Die Deutsche Post ist im Quelle: AP

London, das britische Unterhaus Mitte Januar. Die Labour-Abgeordnete Nia Griffith startet einen letzten Versuch, die traditionsreiche Postgesellschaft Royal Mail in Staatshand zu belassen. Ansonsten werde es mit der Versorgung in ländlichen Gemeinden „schlecht aussehen“. Doch die Ränge sind leer, die Worte verhallen ungehört. Wenige Stunden später verabschiedet die konservativ-liberale Mehrheit der Abgeordneten den Gesetzesentwurf zur Privatisierung.

Paris, Ende 2010. Jean-Paul Bailly, der Chef der staatlichen französischen Postgesellschaft La Poste, verspricht es zum wiederholten Mal: „Die Qualität des Services“ werde in den kommenden Jahren höchste Priorität genießen, Reklamationen würden zügiger bearbeitet, die Wartezeiten in den Ämtern verkürzt, die Öffnungszeiten verlängert. Eine Privatisierung sei aber kein Thema. „Kein Euro privates Kapital“ werde ins Unternehmen fließen, heißt es in etwa zur gleichen Zeit aus der Regierung. Stattdessen pumpen die Staatsbank Caisse des Depots et Consignations (CDC) und der Staat weitere 2,7 Milliarden Euro in den Konzern.

Hier die angeschlagene britische Post kurz vor der Privatisierung, dort das französische Gegenstück in der Hand der Politiker: Der lachende Dritte könnte die zu fast 70 Prozent privatisierte Deutsche Post sein, die beste Chancen hat, die unterschiedliche Verfassung und Ausrichtung ihrer beiden großen Konkurrenten in Europa zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Elf Jahre nach dem Börsengang steht der Bonner Logistikkonzern besser da denn je. Zwar verhagelte die Wirtschaftskrise die Bilanz für 2009 — ein dickes Minus war die Folge. Doch schon im vergangenen Jahr kehrte die alte Stärke zurück. Der Konzernumsatz dürfte im vergangenen Jahr 52 Milliarden Euro übersteigen und der operative Gewinn (Ebit) die magische Grenze von zwei Milliarden Euro knacken.

Post ist weltweit unangefochtene Nummer eins

Damit ist das Unternehmen vom Rhein die unangefochtene Nummer eins unter den Brief-, Paket- und Frachtbeförderern weltweit. Post-Chef Frank Appel erntet die Früchte des Konzernumbaus, den sein Vorgänger Klaus Zumwinkel Mitte der Neunzigerjahre begann. Die Übernahme von Wettbewerbern im Expressgeschäft (DHL), im Speditionsgewerbe (Danzas) und in der Logistik (Exel) erweist sich, trotz des milliardenteuren Rückzugs vom inneramerikanischen Markt 2009, als Glücksgriff. Die weltweite Präsenz und die Vielzahl logistischer Angebote seien ein „wichtiger und strategischer Vorteil“, sagt Christian Kille von der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS in München. Strategisch ähnlich positioniert ist in Europa nur die niederländische Post TNT, die von ihrem deutschen Wettbewerber seit Jahren mit einer Mischung aus Respekt und Argwohn betrachtet wird.

Von so viel Hochachtung können Royal Mail und La Poste nur träumen. Wer die Dienste der beiden Staatsriesen in Anspruch nimmt, weiß, warum.

Stratford-upon-Avon nahe Birmingham, Anfang Februar. Rund 130 000 Briefe und Päckchen stapeln sich im Depot der Stadt, als der konservative Abgeordnete Nadhim Zahawi das Postamt besucht. Zwar ist der harte Winter längst vorbei, doch im Vereinigten Königreich muss das Wetter noch immer als Entschuldigung für rückständige Arbeitsabläufe herhalten.

Royal Mail gilt als Paradebeispiel für Ineffizienz. Fachleute schätzen, dass die Briefdienste Ihrer Majestät rund 40 Prozent weniger produktiv sind als die anderer europäischer Postunternehmen. Die Deutsche Post etwa sortiert rund 90 Prozent ihrer Briefe und Pakete maschinell, bei der Royal Mail ist es gerade mal die Hälfte.

Notwendige Investitionen scheitern häufig an der mächtigen Postgewerkschaft. Rund zwei Milliarden Pfund investierte Royal Mail in moderne Technik, um die Kosten zu senken und einen Teil des Produktivitätsrückstands aufzuholen. Die rund 155 000 Mitarbeiter befürchteten dadurch dramatische Arbeitsplatzverluste und zogen im Herbst 2009 in einen mehrwöchigen Arbeitskampf. Um den Rückstau aufzulösen, setzte das Management Leiharbeiter ein. Die aber waren von der schieren Masse der liegengebliebenen Millionen Sendungen derart überfordert, dass sie Briefe und Päckchen auf die Straße kippten, um sie dort zu sortieren.

Immer mehr Unternehmen in London kehren Royal Mail deshalb den Rücken. Wer wichtige Dokumente oder eilige Firmenpost verschicken muss, bedient sich zunehmend privater Kurierdienste.

Letzter Ausweg aus dieser Misere ist für die liberal-konservative Regierung nun der Verkauf. 90 Prozent von Royal Mail sollen an private Anleger gehen, zehn Prozent an die Mitarbeiter. Die Form der Privatisierung ist offen, auch ein Börsengang wird diskutiert. Auf diese Weise, so die Hoffnung, soll Royal Mail flexibler, kundenorientierter und verlässlicher werden.

Doch das klingt einfacher, als es ist. Royal Mail sitzt auf zwölf Milliarden Euro Verpflichtungen gegenüber den Pensionären. Zwar will die Regierung diese übernehmen, doch die EU-Wettbewerbshüter dürften das nur unter Auflagen akzeptieren, etwa wenn vor der Privatisierung einzelne Gesellschaften wie die Paketdienste Parcelforce und General Logistics Systems (GLS) verkauft werden. Übrig bliebe dann die unattraktive Briefpost, von der keine Gefahr für die Deutsche Post ausginge. Wenig Ärger hat der Bonner Konzern auch aus Frankreich zu befürchten

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