Werbebranche Werbeagentur BBDO verheddert sich in eigenen Strukturen

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Allenfalls die PR-Tochter Pleon lässt hoffen. Sie profitiert vom gewachsenen Bedarf der Wirtschaft nach Krisenkommunikation. Aber Hildmann braucht mehr Pleons. Denn zahlreiche Eindringlinge auf dem deutschen Werbemarkt bedrohen sein Werbeimperium. Längst greifen Kreative aus dem Rest der Welt in die Werbetöpfe deutscher Großunternehmen.

Als etwa Adidas, hinter dem US-Konkurrenten Nike zweitgrößter Sportartikelkonzern der Welt, vor zehn Jahren nach einer neuen Agentur suchte, setzten die Herzogenauracher einen Trend, in dem sie nicht etwa auf eine hiesige Branchengröße bauten — sondern auf einen Neuling: die Amsterdamer Agentur 180.

Die hatte mehrere Vorteile gegenüber deutschen Wettbewerbern: Die Gründer kannten den Sportmarkt schon aus dem Effeff – Chris Mendola und Alex Melvin hatten zuvor bei der Amsterdamer Agentur Wieden & Kennedy für Nike geworben und Adidas oft alt aussehen lassen.

Anders als der Großteil deutscher Agenturen ist 180 zudem ein wahrer Schmelztiegel – heute arbeiten 200 Kreative aus 31 Ländern für die Reklameschmiede, die an Amsterdams Herengracht logiert und seit 2007 einen Ableger in Los Angeles unterhält. Das macht es leichter, von Anfang an weltweit einsetzbare Kampagnen zu entwerfen, die nicht umständlich an Märkte und Sprachräume angepasst werden müssen: „Am besten funktioniert eine Idee, wenn sie ganz ohne Wort wirkt“, sagt der smarte Mendola und lümmelt sich in das riesige rote Sofa in der Agenturzentrale.

Wesentlich zur Entscheidung für 180 hat jedoch beigetragen, dass die beiden Amerikaner ihren Laden mit offenen Türen planten – ohne Scheuklappen zwischen den Werbedisziplinen: „Unserer Philosophie lautet: Kreativität ohne Grenzen“, sagt Alex Melvin, der am liebsten in Jeans und Adidas-Sneakern daherkommt. Und das gelte nicht allein für die Sprach-, sondern vor allem auch für Mediengrenzen: „Es war schon 1998 klar, dass sich die Medienwelt radikal veränderte – damit war auch klar, dass sich der Medienmarkt fragmentieren würde.“ 180 gilt heute als eine der kreativsten und preisgekröntesten Agenturen der Welt, wovon auch Adidas profitiert.

Viele deutsche Agenturen wirken dagegen provinziell. „Wer in der deutschen Werbelandschaft etwas wird, kommt in der Regel aus der Mühle der großen drei, vier Agenturen“, sagt ein Werbemanager. Die Branche schmort im eigenen Saft — und gerät international ins Hintertreffen. Bei den diesjährigen Euro-Effies für die wirksamsten Kampagnen Europas ging nicht ein einziger erster Platz nach Deutschland.

Mit verheerenden Folgen, warnt DDB-Chef Kassaei: „Der deutschen Werbebranche geht es wie in den vergangenen Jahren der Musikbranche: Die Hauptakteure fahren mit Tempo 300 auf eine Mauer zu und machen dabei noch eine Flasche Champagner auf, weil es ihnen ja angeblich so gut geht.“ Der Crash kommt näher, denn die Herausforderungen wachsen.

„Das Geld der Kunden fließt öfter direkt in Richtung Medien“, beobachtet Pro7Sat1-Marketingchef Schulz, der bis Februar BBDO geführt hat. 5 bis 15 Prozent bekamen die Werber bisher vom Werbevolumen ab. Dieser Anteil schmilzt. Und das ist nur der Anfang. Google etwa plant, gegenüber Unternehmen wie eine Werbeagentur aufzutreten. „Wenn die das schaffen“, schwant einem deutschen Werbemanager, „sind die jetzigen Probleme Kleinkram.“

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