Werkstattkette Warum A.T.U. nicht aus den roten Zahlen kommt

Die Werkstattkette Auto Teile Unger kommt nicht aus den roten Zahlen. Viele Optionen, das zu ändern, bleiben nicht mehr.

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Reifenlager Quelle: Picture-Alliance/DPA

Klein ist sie geworden, die Ecke in der Frankfurter A.T.U.-Filiale, in der es noch die Relikte gibt aus einer Zeit, als „The Fast and the Furious“ für manche Autofahrer nicht nur ein Film über aufgemotzte Autos und deren Besitzer war, sondern Lebensinhalt. Als noch scharenweise Leute Geld für Spoiler und anderen Auto-Nippes ausgaben. Den Nippes gibt es zwar noch: Dinge wie die beleuchteten Würfel, die für 14,99 Euro am Innenspiegel baumeln, oder ein „Tattoo“ zum Aufkleben, verchromt, in 3-D-Optik für 4,99 Euro – ein Arschgeweih für den Kofferraumdeckel. Kunden, die so etwas kaufen, gibt es allerdings kaum noch.

Das wäre verschmerzbar, blieben die Autobesitzer der Werkstatt- und Autozubehörkette aus dem oberpfälzischen Weiden nicht auch bei Ersatzteilen, Reparaturen und anderen Dingen fern, die A.T.U. groß gemacht haben.

Der Autospezialist kommt nicht aus den roten Zahlen. Trotz eines harten Sparkurses, obwohl rund 2000 von einst 15.000 Stellen weggefallen sind, hat A.T.U. bei 1,24 Milliarden Euro Umsatz 2009 rund 47 Millionen Euro verbrannt. Fünf Jahre währt die Verlustserie nun, und gelingt es A.T.U.-Chef Michael Kern nicht bald, das Ruder herumzureißen, dürften weitere Einschnitte kaum vermeidbar sein. Dazu kommt: Die strategischen Optionen, die ihm noch bleiben, werden knapp. „Ich sehe A.T.U. mit Sorge“, sagt ein Vorstand eines Autozulieferers, der zu den großen A.T.U.-Lieferanten gehört.

Mehr als eine halbe Milliarde Euro Schulden

Aus einem einst gehypten Börsenaspiranten ist ein Sorgenkind des US-Finanzinvestors Kohlberg Kravis Roberts (KKR) geworden. Das Unternehmen, an dem KKR 2004 vom Konkurrenten Doughty Hanson für 1,45 Milliarden Euro eine Mehrheit erworben und vor wenigen Wochen die restlichen Anteile übernommen hat, konnte 2009 seine Verluste zwar verringern. An eine Schuldentilgung war aber nicht zu denken. Mehr als eine halbe Milliarde Euro lasten auf dem Unternehmen. Inzwischen hebt A.T.U. in Pressemitteilungen selbst die Einhaltung der Kreditauflagen – eigentlich eine Selbstverständlichkeit – positiv hervor.

Kern ist der Mann, der die Krise beenden soll. Der 54-Jährige, der im April 2008 mit eigenem Geld bei A.T.U. eingestiegen ist, war früher im VW-Markenvorstand für Vertrieb und Marketing zuständig. Wenn einer wissen müsste, wie man den Markenwerkstätten die Kunden abjagt, dann er.

Geschäftsmodell unter Druck

Doch auch Kern ist es bisher nicht gelungen, A.T.U. zu drehen. Sicher hatte er mit Problemen zu kämpfen, die ihm nicht anzulasten sind. Mit der Krise, die die Realeinkommen vieler A.T.U.-Kunden gedrückt hat. Oder mit einer Abwrackprämie, die rund zwei Millionen alte Autos aus dem Verkehr gezogen hat. „Die neuen Autos kriegen wir erst mal drei bis vier Jahre nicht zu sehen“, sagt Kern.

Andererseits: Rund ein Drittel seines Jahresumsatzes macht A.T.U. mit Winterprodukten wie Winterreifen und Frostschutzmittel. Doch obwohl der Winterreifenabsatz von A.T.U. im vergangenen Jahr um 15 Prozent zulegte, blieb die Bilanz rot. Auch von der Tatsache, dass sich viele Autobesitzer aus Kostengründen von ihrer Markenwerkstatt abgewendet haben, konnte A.T.U. nur bedingt profitieren. „Tatsächlich kommen mehr Kunden, die von Vertragswerkstätten kommen“, sagt Kern. „Aber dafür sind uns am untersten Ende Kunden weggebrochen, die bisher zur freien Werkstatt gegangen sind. Die lassen Reparaturen jetzt entweder gar nicht mehr machen oder gehen zum Hinterhofschrauber.“

Vergebliche Strategiewechsel

Das Unternehmen hat inzwischen nicht nur zwei Geschäftsführer-, sondern auch etliche Strategiewechsel hinter sich. Die erinnern rückblickend an ein batteriegetriebenes Spielzeugauto, das nur geradeaus fährt, bis es auf ein Hindernis trifft und dann die Richtung wechselt, bis es wieder anstößt. Mal sollte A.T.U. groß ins Ausland expandieren. Heute ist das passé. Mal sollten auch die Besitzer neuer Autos angelockt werden. Funktioniert hat das nicht.

Kern will deshalb zurück zu alten A.T.U.-Tugenden. Schneller Service und Markenersatzteile zum Discountpreis: Durchschnittlich 25 Prozent billiger als markengebundene Betriebe will er sein. Auch bei der Positionierung setzt Kern auf mehr Abstand zur klassischen Markenwerkstatt: „Wir sind da etwas zu weit gegangen mit Dingen wie Voranmeldungen für Reparaturtermine.“

Grundsätzlich sei das eine gute Entscheidung, urteilt Fabian Brandt, Partner und Autoexperte bei der Managementberatung Oliver Wyman: „Schnelle, einfache Reparaturen sind das Geschäft mit den hohen Renditen. Für komplexe Arbeiten müssen Sie dagegen viel Geld in die Ausstattung der Werkstätten und Mitarbeiterschulungen investieren.“

Aber reicht das? Zumal die Autohersteller selbst versuchen, Neuwagenkäufer durch Modelle wie Finanzierungs-Flatrates inklusive Wartung an sich zu binden, und gleichzeitig gezielt Fahrer älterer Fahrzeuge ansprechen, so wie Volkswagen mit seiner „Stop + Go“-Kette.

Hoch spezialisierte Konkurrenten

Kern hat deshalb weitere Geschäftsfelder ausgemacht, in denen er wachsen will: Beim Service für kleinere und mittlere Firmenflotten etwa hat er deutlich zugelegt. Auch über Abkommen mit Versicherungen, die ihre Kunden zur Schadensregulierung, etwa für Autoglas, zu A.T.U. schicken, will Kern Geschäft holen.

Ob damit hohe Margen zu erzielen sind, ist aus Sicht von Autoexperte Brandt allerdings fraglich: „Egal, ob Reifen oder Autoscheiben: Es gibt für die meisten Bereiche hoch spezialisierte Konkurrenten, mit denen sich A.T.U. messen muss.“

Vernichtende Urteile bei Online-Portalen

Auch am Image der Marke muss Kern arbeiten. Wer etwa im Online-Verbraucherportal Dooyoo die Bewertungen für A.T.U. studiert, findet dort vernichtende Urteile. Von den ersten 20 Erfahrungsberichten bewerten 17 die Werkstattkette mit einem von fünf möglichen Sternen. Oft beklagen Kunden, dass die Werkstatt ihnen unnötige Reparaturen andrehen wollte.

Auch wenn A.T.U. nach eigenem Bekunden gegen schwarze Schafe vorgeht und Mitarbeiter bestätigen, dass der Vertriebsdruck auf die Filialen gesunken sei: Ein ramponiertes Kundenimage wieder aufzubauen kann Jahre dauern.

Auch dem Eigentümer KKR läuft die Zeit davon. Finanzinvestoren leben davon, dass sie Unternehmen kaufen, die sie für Rohdiamanten halten. Mit etwas Schliff sollen die ihren Wert steigern, ehe sie weiterverkauft oder an die Börse gebracht werden. Üblicherweise nehmen sich Investoren dafür drei bis fünf Jahre Zeit. Dauert es deutlich länger, sinkt die Chance, die erhoffte Rendite zu erzielen.

Die Idee mit dem Börsengang gab es auch bei A.T.U. Doch seit der Übernahme durch KKR im Jahr 2004 wurde das Thema in Bankenkreisen zwar immer wieder mal lanciert, passiert ist aber nichts. Stattdessen mussten KKR und Doughty Hanson 2008 noch einmal 140 Millionen Euro an Liquidität einschießen, um dem Unternehmen Luft zu verschaffen.

Ein wenig Optimismus

Ob und wann A.T.U. je an die Börse geht, steht in den Sternen. Aus Sicht von Oliver-Wyman-Berater Brandt fehlt eine überzeugende Story für Investoren: „Die zu entwerfen erscheint mir sehr schwer.“

Dennoch, ein wenig Optimismus scheint wieder da zu sein: Im Januar hat Kern mit den Mitarbeitern einen Beschäftigungssicherungspakt bis 2014 geschlossen. Und das, obwohl Unternehmensinsider nicht ausschließen, dass auch dieses Jahr noch einmal Verluste anfallen. Kern selbst will sich zum Ausblick für 2010 nicht äußern. Er hofft aber, dass ihm dieses Jahr auch fremde Werkstätten und Händler in Richtung Gewinnzone helfen – indem sie schließen. „Im letzten Jahr haben 800 Händler geschlossen“, sagt Kern. „Ich rechne für 2010 mit deutlich mehr Insolvenzen. Da werden ein paar Kunden wohl auch bei uns hängen bleiben.“ 

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