Wolfgang Plischke im Interview "Kein Geld oder teure Geschenke"

Bayer-Vorstand Wolfgang Plischke ist im Nebenjob Deutschlands oberster Pharmalobbyist. Wo fängt für ihn Bestechung an?

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Wolfgang Plischke, 57, promovierter Biologe, ist Vorstandsvorsitzender des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), der wichtigsten Lobbyorganisation der Branche. Hauptberuflich sitzt er im Vorstand des Pharma- und Chemiekonzerns Bayer

WirtschaftsWoche: Herr Plischke, was unternehmen Sie gegen das schlechte Image der Pharmabranche?

Plischke: Da muss ich Ihnen widersprechen. Seit vier Jahren lassen wir Marktforschungsdaten erheben und sie zeigen einen positiven Trend. Die Bevölkerung erkennt klar, dass wir innovativ sind und das unsere Medikamente Nutzen und höhere Lebensqualität bringen.

Und was sagen Ihre Freunde und Bekannten, wenn Sie sich mit denen über Ihren Beruf unterhalten?

Sie fragen im Einzelfall schon kritisch nach: Was macht ihr denn da eigentlich?

Staatsanwälte ermitteln derzeit gegen etliche Pharmaunternehmen, auch gegen Mitglieder Ihres Verbands. Es geht darum, dass Medikamentenhersteller Ärzte mit Geschenken und Geld bestechen, damit sie die entsprechenden Medikamente verschreiben.

Unlauteres Verhalten lehnen wir ab. Für die Einhaltung einer ethisch korrekten Zusammenarbeit mit Ärzten hat unser Pharmaverband vor vier Jahren den Verein zur Freiwilligen Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie, kurz FSA, gegründet. Im FSA-Kodex ist zum Beispiel klar geregelt, dass Ärzte kein Geld oder teure Geschenke von Unternehmen erhalten dürfen. Wer sich daran nicht hält, muss – wie auch schon geschehen – hohe Strafen zahlen und mit Veröffentlichung rechnen.

Vor dem FSA müssen sich die Unternehmen doch nicht fürchten. Der Verein darf nicht ermitteln. Die Namen der Sünder werden kaum einmal genannt. Und die Geldbuße von maximal 250.000 Euro dürfte auf die reichen Pharmakonzerne kaum abschreckend wirken.

Auch da irren Sie. Richtig ist, dass der FSA über keine staatsanwaltschaftlichen Kompetenzen verfügt. Aber unsere Geldbußen sind höher als die Strafzahlungen, die der Gesetzgeber für solche Fälle vorsieht. Der FSA bietet mittlerweile auch Hilfestellung, zum Beispiel durch Internet-Schulungen an, damit sich Pharmaunternehmen den Gesetzen und dem Kodex entsprechend verhalten. Seit der Gründung des Vereins hat die Beachtung ethischer Richtlinien in den Unternehmen einen viel höheren Stellenwert erreicht als noch vor Jahren.

Novartis und Ratiopharm sollen jahrelang Ärzte mit Geld geködert haben.

Das Verhalten ist noch nicht so, wie es sein sollte. Aber wir arbeiten daran. Der FSA ist ein Schwerpunkt in der Verbandsarbeit; hier werde ich mich auch persönlich engagieren. Und wir geben uns nicht mit dem zufrieden, was wir haben. Wir werden den Kodex weiterentwickeln.

Zum Beispiel?

Wir erarbeiten gerade einen Kodex für die ethisch korrekte Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen. Gemäß diesem Kodex werden wir beispielsweise künftig veröffentlichen, welche Pharmaunternehmen für welche Projekte welche Summen an Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen zahlen. Damit wären wir in Europa führend – in anderen Ländern ist diese Transparenz nicht vorgeschrieben.

Es kommt ja immer wieder vor, dass Patientenorganisationen nach außen unabhängig auftreten, tatsächlich aber wesentlich von der Pharmaindustrie bezahlt werden.

Wir wollen eine lautere und sachliche Zusammenarbeit. Deshalb werden wir bis Mitte des Jahres einen entsprechenden Kodex erarbeitet haben. Einzelne Unternehmen, wie GlaxoSmithKline oder Roche sind bereits mit gutem Beispiel vorangegangen.

„Forschung ist die beste Medizin“, lautet der Slogan Ihres Verbands. Viel mehr Geld als für die Forschung gibt die Pharmabranche allerdings für Marketing, etwa bei Ärzten und Selbsthilfegruppen, aus. Finden Sie das richtig?

Die forschenden Pharmaunternehmen haben in Deutschland im Jahr 2006 4,5 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben, Tendenz steigend. Das sind fast zehn Prozent der Forschungsausgaben der gesamten deutschen Industrie. Und das in einer Branche, die nur etwa 100.000 Mitarbeiter hat. Das ist doch positiv.

Wie hoch waren jetzt noch gleich die Marketingausgaben?

Das kann ich Ihnen schon allein deshalb nicht sagen, weil es keine validen Zahlen gibt. Was zu den Marketingausgaben gerechnet wird, ist in den Unternehmen unterschiedlich. Grundsätzlich gilt aber, dass Arzneimittel hochgradig erklärungsbedürftige Produkte sind.

Die Marketingausgaben sind höher als die Ausgaben für Forschung.

Noch einmal: Arzneimittel sind erklärungsbedürftig und verursachen einen enorm hohen Betreuungsaufwand. Wir haben in Deutschland 130.000 bis 140.000 niedergelassene Ärzte, dazu kommen noch 146.000 Klinikärzte: Sie müssen wir aufklären, über den Stand des medizinischen Fortschritts auf dem Laufenden halten und zusätzlich noch sicherstellen, dass sie uns umgekehrt über Wechsel- und Nebenwirkungen von Medikamenten berichten. Denn Tatsache ist doch, dass die meisten Berichte über unvorhergesehene Nebenwirkungen von den Unternehmen selbst stammen. Dazu führen wir dann sogenannte Anwendungsbeobachtungen mit Ärzten durch.

Ein beliebtes Marketinginstrument der Unternehmen: Sie zahlen den Ärzten Geld, damit sie Patienten auf die neuen Medikamente einstellen und einen entsprechenden Fragebogen ausfüllen. Laut Branchenschätzungen sind etwa 80 Prozent dieser Anwendungsbeobachtungen wissenschaftlich wertlos.

Diese Branchenschätzung kann ich nicht kommentieren, da ich sie nicht kenne. Ich halte Anwendungsbeobachtungen allerdings für sinnvoll, da sie uns Langzeitdaten über die Wirkung von Medikamenten an die Hand geben, die wir aus den Zulassungsstudien nicht bekommen, weil wir in ihnen nur eine begrenzte Anzahl von Patienten untersuchen können. Zur Verbesserung von Transparenz und Qualität von Anwendungsbeobachtungen haben wir strenge Regeln für ihre Planung, Durchführung und Auswertung beschlossen, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Seither müssen die Studienergebnisse anschließend veröffentlicht werden.

Wie viele Subventionen bekommt die Pharmabranche eigentlich?

Keine. Und wir wollen auch keine. Was wir wollen, sind verlässliche Rahmenbedingungen und keine Festbeträge und Zwangsrabatte.

Jetzt kommt wieder die alte Leier, wie schwer es die Pharmaindustrie mit den zahlreichen Gesundheitsreformen hat.

Ich will nicht jammern, sondern auch einmal stolz sein auf unsere Branche: Die Pharmaindustrie hat in den vergangenen 20 Jahren Hunderte neuer Medikamente, etwa gegen Krebs und multiple Sklerose, auf den Markt gebracht. Sie ist eine der Stützen des Exports: Von 30 Milliarden Euro Umsatz fallen 17 Milliarden im Auslandsgeschäft an. Wir investieren Milliarden, ohne einen Cent Subventionen. Solche Fakten müssen wir auch den Wirtschaftsexperten in Parteien und Regierung näherbringen. Natürlich ist die Branche durch zahlreiche politische Entscheidungen verprellt worden. Innovationen werden kaum gefördert. Kaum ein anderes Land in Europa nutzt so wenig neue Medikamente. Aber es gilt auch: Deutschland ist immer noch ein Leitmarkt, der größte Pharmamarkt in Europa. Und bei der Preisgestaltung haben Medikamentenhersteller hier immer noch mehr Spielraum als in vielen anderen Ländern.

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