Zerschlagene Landesbank Was aus den Resten der WestLB wird

In zwölf Monaten ist die Landesbank Geschichte, ihr Ende ist beschlossen. Was übrig bleibt, dürfte eine der größten Beschäftigungsgesellschaften Deutschlands werden.

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Verschiebebahnhof WestLB Quelle: WirtschaftsWoche

Als er 2008 mitten in der Finanzkrise auf dem Chefsessel Platz nahm, wollte Dietrich Voigtländer der Welt beweisen, dass die Landesbank des größten deutschen Bundeslandes nötig und wichtig ist. Mehr Anleger an den Kapitalmärkten, Mittelständler und internationale Projekteure wollte er als Kunden gewinnen. „Bei den Unternehmen, die wir in den Krisenjahren nicht im Regen haben stehen lassen, sind wir hochanerkannt“, freute sich Voigtländer noch 2010. Statt neue Kunden zu werben, müssen seine Leute nun in den kommenden zwölf Monaten eine Herkulesaufgabe leisten, die in Deutschland ohne Vorbild ist.

Gevierteilt, verkauft und abgewickelt

Binnen zwölf Monaten muss die komplette WestLB mit einer Bilanzsumme von 190 Milliarden Euro rechtlich gevierteilt, anschließend spartenweise verkauft, in eine Bad Bank transferiert und der Rest abgewickelt werden. Die Eigentümer der 1969 gegründeten Bank haben sich auf deren Zerschlagung zum 1. Juli nächsten Jahres geeinigt. Vermutlich überlebt nicht einmal der Name.

Wer kann, geht so schnell er kann

Sich selbst sollen die Kollegen gleich mit abwickeln: 1800 Mitarbeiter der 4500 Kollegen sind überzählig. Viele warten nicht ab, bis sie es schriftlich bekommen, beobachten Betriebsräte. Und so hat Voigtländer jetzt ein zusätzliches Problem: Mit den wichtigsten Mitarbeitern und den fleißigsten Arbeitsbienen verlässt dringend nötiges Insiderwissen das Unternehmen.

Auf Solidarität unter Landesbanken darf Voigtländer dabei nicht hoffen: Die Konkurrenz fängt bereits an, den nächsten Schwung „Key People“, kluge Köpfe aller Sparten von IT bis Vertrieb, abzuwerben, wie WestLB-Mitarbeiter berichten.

Hannelore Kraft Quelle: dpa

Wer bleibt, muss sehen, wo er bleibt. Denn die Bank mutiert künftig zu einer Beschäftigungsgesellschaft, auch wenn sie nicht so heißt. Tausende Mitarbeiter können je nach Sparte nur bis 2012, 2014 oder 2016 bei einer WestLB-Abspaltung unterschlüpfen. Zugleich sollen alle Instrumente von Abfindungsregelungen bis vorzeitigem Ruhestand genutzt werden, um Personal abzubauen. Arbeitsrechtler laufen sich auf beiden Seiten schon warm.

Tod auf Raten

Bis zum Schluss blieben die Bank-Eigner – je zur Hälfte die Sparkassenverbände Rheinland und Westfalen sowie das Land Nordrhein-Westfalen – ihrer Last-Minute-Strategie treu. Die Sparkassenfürsten einigten sich dieses Mal immerhin schon fünf Tage vor dem Ultimatum von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia am 30. Juni auf die angemahnte Verkleinerung der WestLB.

Die rot-grüne Landesregierung und die schwarz-gelbe Opposition dagegen rangelten noch am letzten Tag vor Fristablauf im Parlament, bis Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Kampfhähne persönlich zur Räson rief. Erst am Abend stimmten beide Seiten dem Plan zu. Und degradierten Voigtländer zum Nachlassverwalter.

Trümmerbauten der einstigen Landesbank

Die Folgen des Beschlusses für die Mitarbeiter sind dramatisch:

- Die Sparkassen lösen aus der WestLB eine, auf sie zugeschnittene Verbundbank heraus. Doch nur 400 WestLB-Kollegen sollen dort das Kreditgeschäft für den Mittelstand weiterführen oder Anleihen, Pfandbriefe und Ähnliches für institutionelle Kunden vermarkten. Unklar ist, ob die Verbundbank binnen zwei Jahren an eine andere Landesbank angedockt wird, Stellenabbau eingeschlossen.

- Zum 1.7.2012 wird eine Service Portfolio Management (SPM)-Bank aus den Trümmern der WestLB neu gegründet. Maximal 1000 Mitarbeiter sollen dort Dienstleistungen für die Verbundbank und die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) erbringen, zum Beispiel das Anlageportfolio steuern. Neugeschäft ist der SPM-Bank, die allein dem Land gehören wird, nicht erlaubt, ihre Existenz ist bis 2016 befristet.

- Aussichtsreiche Geschäftsbereiche werden veräußert, auch wenn sich die Düsseldorfer beim Zwangsverkauf vermutlich in Grund und Boden verhandeln lassen müssen. Im Angebot sind etwa der Immobilienfinanzierer WestImmo, die Ready Bank mit ihren Konsumentenkrediten sowie die Projektfinanzierung und das Auslandsgeschäft.

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans hofft: „Mindestens 1000 Arbeitsplätze können darüber als gesichert gelten.“ Mitarbeiter bezweifeln das: Käufer wollen Know-how , nicht Köpfe.

- Was keinen Käufer findet, wird zum 1. Juli 2012 auf die bereits bestehende Erste Abwicklungsanstalt der WestLB übertragen. Dort verwalten 50 Kollegen bereits Papiere und Beteiligungen für gut 50 Milliarden Euro, unterstützt von rund 500 WestLB-Mitarbeitern. Wie viel Geschäft nun dazu kommt, wie viele zusätzliche Mitarbeiter nötig sind – keiner weiß es.

Nur zu einer Zahl hat sich Walter-Borjans bekannt: „1800 Stellen stehen auf der Kippe.“ 2012 droht die Entlassung. So lange, so Voigtländer, wolle die Bank auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten: „Nur im engen Schulterschluss ist die schmerzhafte Restrukturierung machbar“, wirbt er um Durchhaltewillen. Ob das reicht? „Alle Mitarbeiter sollen jetzt zwölf Monate lang durcharbeiten, um sich ihr eigenes Grab zu schaufeln und anschließend reinzuspringen“, fasst Christiane Kutil-Bleibaum, Direktorin und stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, das Elend in der WestLB zusammen.

Denn ganze 48 offene Stellen für Bankkaufleute sind derzeit im Bezirk der Arbeitsagentur Düsseldorf gemeldet. Kein Wunder, die ebenfalls dort ansässige -IKB-Bank wurde zum Sanierungsfall, die Ärzte- und Apotheker-Bank gilt nicht mehr als Top-Adresse, der Börsenplatz Düsseldorf verliert an Relevanz.

Einen wasserdichten Vertrag haben die wenigsten

Nur rund 600 WestLB-Mitarbeiter können sich zurücklehnen: Sie haben einen Arbeitsvertrag der NRW.Bank, die 2002 als reine Förderbank von der WestLB abgespalten wurde. Diese Doppelverträgler mit beamtenähnlichen Absprachen haben ein Rückkehrrecht zum alten Arbeitgeber.

Die NRW.Bank zählt aber selbst nur 1200 Köpfe. Erste Hochrechnungen im Landtag zu den Gehältern und Pensionszahlungen für diese Kollegen belaufen sich auf zwei Milliarden Euro zulasten des Steuerzahlers – obwohl die Doppelverträgler im Durchschnitt 4200 Euro brutto im Monat verdienen. Wohin also mit ihnen?

Viele sollen vor allem in der Verbundbank und der SPM-Bank unterschlüpfen können. WestLB-Intern wird längst die brunnenvergiftende Frage diskutiert, ob die NRW.Banker dabei zur Schonung der Staatskasse womöglich bevorzugt werden.

Für alle Personal- und Abwicklungskosten sowie die Zusagen zur betrieblichen Altersvorsorge außerhalb der Verbundbank sind die nordrhein-westfälischen Steuerzahler zuständig – eine Milliarde Euro stellt das Land dafür zurück. Dabei ist die WestLB kein Hort von Großverdienern: Das Durchschnittsgehalt liegt bei 77 000 Euro brutto im Jahr.

Ein Fest für Arbeitsrechtler

Nun wird ein Personalabbau von 30 bis 40 Prozent erwartet. Nur rund 150 Mitarbeiter sind alt genug für eine Vorruhestandsregelung, der Altersdurchschnitt der WestLB-Truppe liegt um die 40 Jahre.

Jetzt wird wahr, was die Berliner Fachanwältin für Arbeitsrecht, Jutta Glock, im Mai in der WirtschaftsWoche prognostizierte: „Schwierig ist dort vor allem die Kombination aus einem möglichen Teil-Betriebsübergang und Personalabbau.“ Wer darf wohin mitgehen – und wer nicht? Und wäre nicht jemand anders ebenso qualifiziert?

Zudem haben viele Mitarbeiter alte Bankentarifverträge mit verlängertem Kündigungsschutz oder solche mit beamtenrechtlichem Sonderstatus wie Beihilfeberechtigung bei Krankheit oder eine besondere Altersversorgung.

Wenn die WestLB-Schilder an der Konzernzentrale längst abmontiert sind, dürfte es immer noch Auffanggesellschaften oder ähnliche Konstrukte für die entlassenen Mitarbeiter geben. Zunächst müssen sich Bank und Konzernbetriebsrat auf Interessenausgleich und Sozialplan einigen. Danach kann gekündigt werden, und die Laufzeit der Kündigungsfrist beginnt.

Attraktive Abfindungen

Der Betriebsrat verhandelt derzeit einen Haustarif mit dem Vorstand. Kutil-Bleibaum: „Ende 2012 brauchen wir eine attraktive Abfindungsregelung, nicht heute. Schließlich erwartet der Vorstand, dass alle Kollegen die kommenden zwölf Monate noch unter Volldampf arbeiten.“ Sonst funktioniert nicht einmal die Abwicklung der einst stolzen Landesbank. Bis das letzte Licht in der Zentrale erlischt, dürfte es mit dem deutschen Arbeitsrecht Silvester 2013 oder 2014 werden.

Und was wird aus den fünf Vorständen der WestLB? Am 1. Juli kommenden Jahres ist auch der überflüssig. Umso aufmerksamer verfolgen die Mitarbeiter, wer bis zum bitteren Ende an Bord bleibt.

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