Matthias Kurth im Interview "Lücken im System"

Der Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, konnte jahrelang vertuschte Sicherheitsmängel erst im Herbst 2001 abstellen.

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Der Präsident der Quelle: AP

WirtschaftsWoche: Herr Kurth, die Deutsche Telekom steckt in einer der größten Affären ihrer Geschichte. Sie hat nicht nur Aufsichtsräte und Journalisten bespitzelt, sondern auch illegale Abhöraktionen gestartet. Sie sind der Oberaufseher. Welche Konsequenzen ziehen Sie aus den Vorfällen?

Kurth: Ich kann der Staatsanwaltschaft nicht vorgreifen. Wir werden erst nach Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen erfahren, wer bei der Deutschen Telekom gegen welche Vorschriften verstoßen hat. Die Staatsanwaltschaft hat uns signalisiert, dass es noch viel zu früh ist für eine Akteneinsicht, weil viele Unterlagen noch nicht ausgewertet sind. Wir haben aber die Deutsche Telekom aufgefordert, uns schnellstmöglich die technischen, organisatorischen und personellen Konsequenzen mitzuteilen.

Jetzt scheint es ja so, als habe die Deutsche Telekom öfter gegen das Fernmeldegeheimnis verstoßen. Für den Wiederholungsfall sieht das Gesetz nicht nur Bußgelder vor, es bietet Ihnen auch die Möglichkeit, die Geschäftstätigkeit einzuschränken und sogar die Lizenz zu entziehen.

Die Diskussion darüber kommt zu früh. Derartige Strafen sollte man erst dann diskutieren, wenn wir wissen, was wirklich vorgefallen ist. Auch die Deutsche Telekom hat einen Anspruch darauf, dass wir die Sachverhalte genau prüfen. Danach sollten wir über Konsequenzen reden.

Der Wiederholungsfall ist doch längst eingetreten. Sie haben selber kurz nach Ihrem Amtsantritt im Jahr 2001 bemängelt, dass die Kontrollen beim Abhören von Telefongesprächen seit Jahren ein ungelöstes Problem darstellen.

Jeder Fall ist anders. Es ging ja vor sieben Jahren nicht um illegale Bespitzelungen. Im März 2001 haben wir bei der Protokollierung der legalen Abhörmaßnahmen Mängel festgestellt und auf Lücken im System hingewiesen. Mir ging es damals darum, legale Überwachungsmaßnahmen, die von Strafverfolgungsbehörden mit Zustimmung der Richter angeordnet werden, so zu dokumentieren, dass eine lückenlose Kontrolle durch Dritte möglich ist. Wir mussten dafür Sorge tragen, dass das Vier-Augen-Prinzip auch bei der Deutschen Telekom gilt. Wir mussten organisatorische Vorkehrungen treffen, damit ein Missbrauch ausgeschlossen ist oder zumindest so schwer wie möglich gemacht wird.

Das heißt aber auch, dass Ihre Vorgänger einen Missbrauch gar nicht feststellen konnten?

Fairerweise muss man sagen, dass sich die Rechtslage in dieser Zeit mehrfach geändert hat. Einige Verordnungen waren so formuliert, dass man sie unterschiedlich auslegen konnte. Auch 2001 gab es unterschiedliche Auffassungen, wie tief die Protokollierung der Abhörmaßnahmen gehen soll und wie sie organisiert werden muss. Erst unser Drängen hat zu einem Einlenken bei der Deutschen Telekom geführt.

Im Zweifel muss sich die Telekom aber doch daran orientieren, wie Sie ein Gesetz auslegen?

Das haben wir dann auch unmissverständlich klargemacht.

Seit wann protokolliert die Telekom denn so, wie es das Gesetz verlangt?

Im November 2001 waren wir erstmals der Auffassung, dass die Mängel beseitigt sind, die Telekom alles ordnungsgemäß dokumentiert und ein neutraler Dritter das auch überprüfen kann.

Telefongesellschaften schalten auch Dienstleister bei Abhöraktionen ein. Wie bleibt das Fernmeldegeheimnis bei solchen Drittanbietern gewahrt?

Für diese Anbieter gelten die gleichen Pflichten. Solche Dienstleister arbeiten vor allem für ganz kleine Telefon- und Mobilfunkanbieter, denen es schwerfällt, unsere Sicherheitsanforderungen zu erfüllen. In der Praxis hat sich das bewährt. Ich sehe viel höhere Risiken bei kleinen Telefongesellschaften, die kaum geschulte Mitarbeiter neben anderen Aufgaben auch für solche sensiblen Abhöraufträge einsetzen.

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