Urlaubsanspruch Was Arbeitnehmer bei der Urlaubsplanung beachten müssen

Im Zweifel eben Balkonien: Bereits genehmigten Urlaub können Mitarbeiter nicht ohne weiteres verschieben. Quelle: dpa

Klappt es mit der Sommerreise oder klappt es nicht? Selten war Urlaubsplanung so schwierig wie derzeit: Streichen, verschieben – oder Resturlaub für 2021 sparen? Antwort auf die wichtigsten Fragen zu Ferien in Coronazeiten.

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Die Einschränkungen der Reisefreiheit erschweren die Urlaubsplanung in diesem Jahr. Hinzu kommt, dass sich viele angesichts einer unübersichtlichen Auftragslage nun noch genauer mit den Kollegen abstimmen müssen. Welche Rechte und Pflichten sie dabei haben.

Ich kann wegen der Coronakrise meine Reise nicht antreten. Darf ich deswegen den eingereichten Urlaub zurückziehen?
Die Urlaubsplanung ist in Unternehmen für beide Seiten verbindlich. Somit können Arbeitnehmer bereits genehmigten Urlaub nicht nach Belieben streichen oder verschieben. Eine Änderung sei allenfalls in Notfällen möglich, betont Katharina Domni, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Beiten Burkhardt in München. „Allerdings wird ein solcher Notfall in der jetzigen Coronakrise nicht nur deshalb bestehen, weil Arbeitnehmer ihre bereits geplante Reise aufgrund der aktuellen behördlichen Ausreise- und Ausgangsbeschränkungen nicht antreten können.“ Darauf hoffen, dass einem der Chef entgegenkommt, könne man ihrer Ansicht nach vor allem in Unternehmen, in denen wegen der Pandemie mehr Arbeit anfällt oder viele Angestellte in Quarantäne mussten. Dort nämlich dürften die Arbeitgeber froh sein, wenn Mitarbeiter den Urlaub aufschieben.

Darf der Arbeitgeber Urlaub wegen der Coronakrise streichen?
„Auch hier gilt: genehmigt ist genehmigt“, betont Sarah Reinhardt-Kasperek, Partnerin bei Beiten Burkhardt. Ausnahmen seien nur in extremen Fällen möglich, etwa wenn durch die Abwesenheit des Arbeitnehmers die Existenz des Unternehmens bedroht sei, weil er als Projektverantwortlicher oder Fachkraft, über wichtiges Knowhow für einen dringenden Auftrag verfügt. Dass die geplante Urlaubsvertretung plötzlich anderweitig gebraucht werde, reicht laut der Fachanwältin für Arbeitsrecht hingegen als Begründung nicht aus.

Ich plane eine Fernreise und möchte deshalb so lange wie möglich mit der Urlaubsplanung warten. Gibt es eine Höchstgrenze von Tagen, die man als Resturlaub auf das nächste Jahr verschieben kann?
„Grundsätzlich nein“, sagt Mirjam Alex, Gewerkschaftssekretärin in der Rechtsabteilung der Ver.di-Bundesverwaltung. Es folgt allerdings ein dickes „Aber“. Der Resturlaub ist in vielen Betrieben zwar eine formlose Angelegenheit. Beschäftigte nehmen meist die übrig gebliebenen Tage bis zur vorgeschriebenen Frist, dem 31. März des Folgejahres. Darauf sollte man sich in der Coronakrise aber nicht verlassen. Denn der Jahresurlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. „Der Arbeitnehmer soll keine Urlaubstage ansammeln, sondern sich in regelmäßigen Abständen erholen“, erläutert Domni den Hintergrund dieser Regelung im Bundesurlaubsgesetz. Das gestattet eine Übertragung auf das nächste Jahr nur bei „dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen“. Zu solchen Gründen zählen zum Beispiel eine hohe Auftragslage im Betrieb oder eine plötzliche Erkrankung des betroffenen Arbeitsnehmers zum Jahresende.

Was passiert, wenn ich einfach keinen Urlaub einreiche?
Im ungünstigsten Fall verfällt der Anspruch zum 31. Dezember. Dies sei mittlerweile in vielen Arbeitsverträgen so geregelt, zumindest in Bezug auf die im Arbeitsvertrag vereinbarten Urlaubstage, die über den gesetzlich vorgeschriebenen Mindesturlaub hinausgehen, so Domni.

Allerdings erlischt der Anspruch auf bezahlten Urlaub nicht einfach so zum Jahresende. „Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer auffordern, den Urlaub zu nehmen und ihn darauf hinweisen, dass er verfällt, wenn er dies nicht tut“, informiert Ver.di-Expertin Alex. „Wenn der Arbeitnehmer nach dem Hinweis keinen Antrag stellt, verfällt der gesetzliche Urlaub.“ Ohne Aufforderung des Arbeitgebers gehe der Urlaubsanspruch auf das nächste Jahr über.

Sicherer ist die Lage, wenn es in dem Betrieb seit langem üblich ist, dass Resturlaub auch ohne triftige Gründe automatisch auf das nächste Jahr übertragen wird. Arbeitsrechtler sprechen bei diesem Gewohnheitsrecht von einer „betrieblichen Übung“. „Soweit der Resturlaub bisher mindestens in den vergangenen drei Jahren für den gesamten Betrieb stillschweigend mit ins nächste Jahr genommen wurde und es keine sonstigen Vereinbarungen diesbezüglich gibt, ist eine sogenannte betriebliche Übung auf dieses Vorgehen entstanden, an die der Arbeitgeber grundsätzlich gebunden ist“, erläutert Reinhardt-Kasperek. „Eine besondere Vereinbarung diesbezüglich extra für die Coronakrise ist daher nicht notwendig.“ Voraussetzung sei jedoch, dass die Übertragung bislang regelmäßig für alle erfolgte und nicht nur für ein paar Arbeitnehmer galt.

Was sollte ich tun, wenn ich für 2020 noch keinen Urlaubsantrag gestellt habe?
„Um nicht Gefahr zu laufen, dass der Urlaubsanspruch am Ende des Jahres verfällt, sollte der Beschäftigte auch angesichts des nicht mehr ganz jungen Jahres in der nächsten Zeit zumindest einen Teil seines Urlaubs verplanen, auch wenn noch nicht abzusehen ist, wann man wieder ins Ausland reisen kann“, rät Reinhardt-Kasperek. Ihre Kollegin Domni empfiehlt, sich mit den Kollegen abzusprechen und kompromissbereit zu sein, damit der Arbeitgeber am Ende den meisten Wünschen gerecht werden kann. Die Planung könne über ausgelegte Urlaubslisten erfolgen. „Zu beachten ist, dass mit der Eintragung in diese Liste jedoch noch keine Festlegung des Urlaubs verbunden ist; dies ist Aufgabe des Arbeitgebers“, sagt Domni. Absprachen mit dem Arbeitgeber sollten laut den Expertinnen am besten immer schriftlich festgehalten werden. Eine formlose E-Mail reiche aus.

Kann ich jetzt schon Urlaub für 2021 einreichen?
„Der Urlaubsanspruch entsteht erst zum 1. Januar“, erklärt Domni. Manchmal seien frühere Planungen möglich, etwa in Betrieben mit Schichtdienst.

Darf ein Arbeitgeber Zwangsurlaub anordnen?
„In Betrieben ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe Betriebsferien anordnen. Das können zum Beispiel fehlende Teile vom Zulieferer oder ausbleibende Kunden sein“, sagt Gewerkschaftssekretärin Alex. Der Arbeitgeber darf aber nicht einfach den kompletten Jahresurlaub der Belegschaft aufbrauchen. „Die Dauer des angeordneten Urlaubs hängt von der Dauer der Krise ab, wobei nach der Rechtsprechung dem Arbeitnehmer ein Teil seines Jahresurlaubs dennoch zur freien Verfügung bleiben muss“, erläutert Rechtsanwältin Reinhardt-Kasperek. In Unternehmen mit Betriebsrat besitzt dieser ein Mitbestimmungsrecht. „Wegen der Zuschüsse der Bundesagentur für Arbeit ist für den Arbeitgeber allerdings Kurzarbeit attraktiver als Betriebsferien“, gibt Alex zu bedenken.

Was muss ich bei der Urlaubsplanung beachten, wenn ich in Kurzarbeit bin?
Fällt der zuvor genehmigte Urlaub in die Phase der Kurzarbeit, muss beziehungsweise darf der Urlaub wie geplant genommen werden. „Während dieser Zeit erhalten die Beschäftigten aber kein Kurzarbeitergeld, sondern ihr reguläres Urlaubsentgelt“, informiert Domni. Bei der Frage, ob Kurzarbeit den Urlaubsanspruch schmälert, sind sich die Expertinnen uneins. „Grundsätzlich nicht“, antwortet Gewerkschaftssekretärin Alex. Domni hingegen verweist auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2018. Demnach könne zumindest der gesetzliche Mindesturlaub gekürzt werden: „Hat ein Beschäftigter beispielsweise bisher an fünf Tagen pro Woche gearbeitet und arbeitet er aufgrund der Kurzarbeit nur noch an drei Tagen, kann der Urlaubsanspruch während der Kurzarbeit entsprechend auf die Drei-Tage-Woche geändert werden – wie bei einem Beschäftigten, der unter dem Jahr von Vollzeit in Teilzeit wechselt.“ 

Viele Menschen nutzen die Kurzarbeit für eine Nebentätigkeit. „Dann gibt es zwei nebeneinander bestehende Urlaubsansprüche gegen zwei verschiedene Arbeitgeber. Bei dem neuen entsteht ein Urlaubsanspruch allerdings erst nach sechs Monaten“, erklärt Alex.

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