US-Bundesstaat New Hampshire wählt Wer kann am besten Händeschütteln?

New Hampshire ist zwar nur ein kleiner US-Bundesstaat. Doch wer sich hier nicht blicken lässt, hat im Wahlkampf keine Chance. Die Präsidentschaftskandidaten buhlen daher mit allen Mitteln um die Gunst der Wähler.

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Der republikanische Kandidat Donald Trump schüttelt im Wahlkampf viele Hände. Quelle: AFP

Manchester Die Orte verschwimmen, die Zeiten sowieso. Ist es Nachmittag oder schon Abend? Eine Fragerunde mit Jeb Bush hier, eine Rede von Bernie Sanders da. In New Hampshire im Nordosten der USA liefern sich die Bewerber von Demokraten und Republikaner einen Wettbewerb darum, wer die meisten Hände schüttelt, die meisten Interviews gibt, das häufigste Motiv für Handyfotos ist. An diesem Dienstag stehen in dem kleinen US-Staat die nächsten innerparteilichen Vorwahlen im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur an.

Dienstag, 18.03 Uhr, ein Sportzentrum in Milford. Fackeln erhellen die nächtliche Kulisse. Ein Scheinwerfer zuckt durch den Himmel. In einer langen Schlange warten die Menschen am Eingang auf Einlass. Sie wollen Donald Trump sehen. Gepanzerte Männer vom Secret Service kontrollieren jeden, der hinein will.

Drinnen ist die Luft stickig. Trump kommt auf die Bühne. Mehr als einen halben Tag hat er geschwiegen. Jetzt ist er hier und alles ist wie immer. So, als hätte es den zweiten Platz in Iowa nicht gegeben. Trump hält die Rede, die er immer hält. Aber der 69-Jährige redet etwas länger über Marco Rubio, seinen Konkurrenten, der am Abend zuvor in Iowa den dritten Platz belegt hat und nun als Kompromisskandidat gefeiert wird. Und Trump schimpft lange über die Presse.

Es ist, als hätte er einen Stein in einen See geworfen. Das Publikum applaudiert. Trump sagt, es sind 5.000 Menschen gekommen. Ein Ordner spricht von 2.000. Jungs in Turnschuhen und Jogginghosen stehen neben ihren Vätern. Eine Frau trägt Pantoffeln. Milford ist eine kleine Stadt, Trump ist ein Ereignis.

„Donald Trump ist jemand, der die traditionelle Art von Kampagnen in New Hampshire in Frage stellt“, sagt Dean Spiliotes, Politologe an der Southern New Hampshire University. „Er kommt mit seinem Flugzeug her, stellt sich vor mehrere Tausend Menschen, bleibt anderthalb Stunden, macht vielleicht noch ein paar TV-Interviews und dann ist er wieder raus.“ Es sei sonst üblich, dass sich die Bewerber auch bei kleineren Veranstaltungen blicken ließen.


„Viele Dinge sind ziemlich gut in Amerika“

Mittwoch, 11.33 Uhr, ein College in New London. Jeb Bush steht inmitten von Stuhlreihen vor einer großen amerikanischen Flagge. Ältere Menschen sitzen auf weinroten Sofas. Jugendliche bleiben dem Unterricht fern, um ihm zuzuhören. Bush dreht sich immer wieder im Kreis, niemand soll zu lange seinen Rücken sehen. Er sagt, dass er stolz sei, aus der Familie Bush zu stammen, auch wenn das bedeute, zum Establishment zu gehören. Sein Vater war Präsident, sein Bruder auch. Bush galt in diesem Wahlkampf mal als Favorit, das ist vorbei.

Eine Studentin steht auf und fragt ihn, ob sie seine Hand schütteln könne. Er umarmt sie stattdessen. Ob sie ihn wählen wird? „Ich schwanke zwischen Sanders und Jeb“, sagt Sarah DeArruda hinterher. An ihrer blauen Bluse klebt ein „Jeb!“-Sticker. „Ich weiß, die beiden sind sehr verschieden“, fügt die 19-Jährige hinzu. Bernie Sanders ist Bewerber bei den Demokraten, ein Linksaußen. Bush mag einer der moderaten Köpfe im Bewerberfeld der Republikaner sein, aber er ist sehr konservativ.

16.14 Uhr. Ein Bürogebäude in Manchester. Unten im Erdgeschoss hängen blaue Trump-Schilder. Oben in einer Anwaltskanzlei im 17. Stock spricht John Kasich über seine Weisheitszähne. Eine Krankenschwester hat ihn gefragt, was er als Präsident gegen die Opiumsucht tun würde, die das Land wie eine Seuche überschwemmt. „Als ich als Kind meine Weisheitszähne gezogen bekommen habe, bin ich heimgegangen und hatte Schmerzen. Wir hatten kein Oxycodon. Heute bekommt man seine Weisheitszähne gezogen und sie geben einem 25 Pillen.“ Es sei diese Verschreibungspraxis, die Heroin die Tür öffne.

Kasich wählt seine Worte mit Bedacht, der Gouverneur von Ohio ist keiner von denen im Bewerberfeld der Republikaner, die ein allzu düsteres Gegenwartsbild der USA zeichnen. Er sagt: „Viele Dinge sind ziemlich gut in Amerika.“ Eine Reporterin macht mitten in seiner Rede eine Live-Schalte. Die Zuhörer schauen irritiert.

19.23 Uhr, eine Turnhalle in Manchester. Alle warten auf Hillary Clinton. Aber bevor die Ex-Außenministerin spricht, reden eine ganze Reihe anderer Menschen. Als sie schließlich spricht, hört sie eine Stunde lang nicht mehr auf. Ihre Stimme ist laut und rau, die Botschaft: Leg dich nicht mit mir an. Nur am Ende wird sie leiser, als sie sagt: „Ich bin vorbereitet.“ Sie meint das Präsidentenamt.


Cruz will Ex-Präsident Reagan beerben

Donnerstag, 8.12 Uhr, ein Kongresszentrum in Portsmouth. Marco Rubio spricht über Leute, die aufwuchsen wie er. In armen Verhältnissen. Der Senator von Florida ist der Sohn von Einwandern aus Kuba, aber er hat sehr strikte Vorstellungen davon, wie er die Einwanderung beschränken will. „Wenn wir nicht hundertprozentig wissen, wer Du bist, kommst Du nicht nach Amerika, wenn ich Präsident bin“, sagt er. Applaus, Selfies, und weiter.

10.11 Uhr, ein Autohaus in Portsmouth, wenige Kilometer entfernt. Ted Cruz predigt. Mal zitiert der Senator von Texas die Bibel, mal die Verfassung. Er spricht viel über Ronald Reagan. Der 2004 gestorbene Ex-Präsident ist einer der Säulenheiligen der Republikaner. Cruz will sein Erbe antreten. Weil auch Reagan einer war, der Probleme mit dem Establishment in Washington hatte, wie Cruz sagt. Das Wort Establishment fällt derzeit oft. Es fällt immer dann, wenn ein Schimpfwort für die abgehobenen Politiker in Washington gesucht wird.

17.30 Uhr, ein Opernhaus in Rochester. Birthe Filby ist hier wegen Bernie Sanders. Die 88-Jährige hat ihn schon vier Mal gesehen. Warum Menschen den Senator von Vermont unterstützen sollten? „Wenn sie es nicht tun, geht dieses Land zugrunde.“

Sanders spricht, der 74-Jährige ist laut wie immer, sein Kopf glänzt. Der Senator von Vermont will wissen, wer von den Zuhörern noch seinen Studienkredit abbezahle. Etliche Hände schellen in die Höhe. Sanders hat versprochen, dass die Studiengebühren abgeschafft werden, wenn er Präsident ist. Wie er das umsetzen will, sagt er nicht. Er muss weiter, am Abend stellt er sich im Fernsehduell seiner Konkurrentin. Zeit zum Durchatmen bleibt nicht.

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