Verbraucherpreise Höchster Stand seit 1993: Inflation im Jahresschnitt 2021 bei 3,1 Prozent

Insgesamt stiegen die Preise in Deutschland im letzten Jahr um 3,1 Prozent Quelle: dpa

Die Verbraucher in Deutschland mussten 2021 einen kräftigen Preissprung verkraften. Vor allem gestiegene Energiepreise heizten die Inflation zuletzt an. Eine schnelle Entspannung ist nicht zu erwarten.

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Das Leben in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr sprunghaft verteuert. Kräftig gestiegene Energiepreise, Lieferengpässe sowie die Rücknahme der zeitweisen Mehrwertsteuersenkung trieben die Jahresinflation nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes auf 3,1 Prozent. Einen stärkeren Anstieg der Verbraucherpreise hatte die Wiesbadener Behörde im Jahresschnitt zuletzt 1993 mit damals 4,5 Prozent gemessen. Im Corona-Krisenjahr 2020 lag die Jahresteuerung noch bei 0,5 Prozent.

Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft von Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger kaufen können als zuvor. Besonders hart trifft es Ökonomen zufolge ärmere Haushalte. Denn sie müssen einen großen Teil ihres Einkommens für lebensnotwendige Güter wie Wohnen oder Lebensmittel aufwenden.

Das Bundesbauministerium arbeitet derzeit daran, dass Bezieher von Wohngeld im Sommer einen erhöhten Zuschuss zu den Heizkosten bekommen - rechtzeitig zur Nebenkostenabrechnung mit den Kosten für den Winter. Auch für Sparer sind steigende Teuerungsraten bitter. Mickrig verzinste Sparguthaben verlieren dadurch unter dem Strich an Wert.

Entgegen den Erwartungen ist die Inflation im Dezember erneut gestiegen. In den kommenden Monaten wollen weitere Firmen Preise erhöhen. Nun wächst der Druck von Ökonomen auf die EZB, die Zinswende früher einzuleiten.
von Bert Losse

Im Dezember 2021 stiegen die Verbraucherpreise der Schätzung zufolge zum Vorjahresmonat um 5,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Im November hatte die monatlich gemessene Inflationsrate erstmals seit dem Wiedervereinigungsboom Anfang der 1990er Jahre mit 5,2 Prozent wieder die Marke von 5 Prozent übersprungen.

Angeheizt wurde die Teuerung in Europas größter Volkswirtschaft im vergangenen Jahr vor allem von rasant gestiegenen Energiepreisen im Zuge der weltweiten Konjunkturerholung nach der Coronakrise 2020.

Zugleich schlug die Rücknahme der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung durch: Seit Januar 2021 gelten wieder die regulären Steuersätze, Waren und Dienstleistungen wurden im Jahresvergleich also tendenziell teurer. Hinzu kamen Materialmangel und Lieferengpässe sowie die Einführung der CO2-Abgabe Anfang 2021 von 25 Euro je Tonne Kohlendioxid, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Seit Beginn des laufenden Jahres werden 30 Euro je Tonne fällig.

Nach Einschätzung von Ökonomen könnte es etwas länger dauern, ehe die vergleichsweise hohen Teuerungsraten wieder sinken. Sie rechnen auch im Gesamtjahr 2022 mit einer Drei vor dem Komma bei der Jahresinflationsrate. Zwar entfällt der Mehrwertsteuereffekt, Wirtschaftsforschungsinstitute wie das Ifo-Institut und das Institut für Weltwirtschaft verweisen aber auf anhaltende Lieferengpässe, die Herstellungskosten erhöhen.

Die Inflation setzt die Gewerkschaften unter Zugzwang. Sie wollen in der Tarifrunde 2022 spürbare Reallohnzuwächse für die Beschäftigten durchsetzen. Damit steigt das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale in Deutschland.
von Bert Losse

Auch der Energiepreisanstieg dürfte die Inflation zunächst weiter anheizen. „Die stark gestiegenen Erdgaspreise dürften aufgrund vielfach vorhandener langfristiger Verträge mit den Gasversorgern erst zu Beginn des Jahres 2022 die Verbraucher erreichen“, argumentiert das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle.

Die Inflation ist ein wichtiger Gradmesser für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Notenbank strebt für den Währungsraum der 19 Länder eine jährliche Teuerungsrate von 2 Prozent an und ist zumindest zeitweise bereit, ein moderates Über- oder Unterschreiten dieser Marke zu akzeptieren.

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Auch nach Einschätzung der Währungshüter müssen die Verbraucher im Euroraum noch eine Weile mit höheren Teuerungsraten leben. Die Inflation werde eine gewisse Zeit lang hoch sein, aber im Laufe des Jahres 2022 zurückgehen, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel jüngst in einem Interview: „Weniger sicher sind wir uns darüber, wie schnell und wie stark der Rückgang sein wird.“

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