Versicherer Chronik des Ergo-Skandals

Die Enthüllungen über Sex-Reisen beim Versicherungskonzern Ergo sorgten vor Jahren für eine Menge Wirbel. Im Juni beginnt der sogenannte Budapest-Prozess vor dem Landgericht Hamburg. Die Chronik des Skandals.

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Dort fand einst die Sex-Party der Ergo-Tochter Hamburg-Mannheimer statt. Quelle: dpa

19. September 2006
Die Vertriebsführung der zur Ergo-Versicherung gehörigen Hamburg-Mannheimer beschließt einen Wettbewerb zur „Revitalisierung des Strukturvertriebsgedankens“. Es soll eine Incentive-Reise für die Mitglieder der Vertriebsorganisation HMI (Hamburg Mannheimer International) stattfinden. Ihr Titel: „Party Total“. Von Beginn an plant die Führung die Buchung von Prostituierten als besonderes Highlight der Veranstaltung.

Oktober 2006
Die Werbeunterlagen für den HMI-Wettbewerb werden gedruckt. Auf einem Flyer heißt es: „Lassen Sie es krachen auf der heißesten Sommerparty des Jahres… Für die Gewinner geht es im Juni 2007 dann so richtig ab.“

22. - 23. Januar 2007
Die Organisatoren unternehmen eine „Check-Reise“ nach Budapest, um die Veranstaltung vorzubereiten. Sie knüpften dabei erste Kontakte ins Rotlicht-Milieu der ungarischen Hauptstadt.

30. April - 1. Mai 2007
Die Organisatoren unternehmen eine zweite Vorbereitungsreise nach Budapest. Dabei entscheiden sie, für die geplante Party-Veranstaltung im Gellert-Bad „ausreichend Mädels“ zu besorgen, wie es in einem Revisionsbericht später hieß.

Mai 2007
Zwei Geschäftsstellenleiter erfahren, dass „eine Anwesenheit von Prostituierten“ auf der Budapest-Party geplant sei. Die fünf Gewinner aus diesen beiden Geschäftsstellen sagen daraufhin ihre Teilnahme ab.

4. Juni 2007
Nach monatelanger Vorbereitung und mehreren Vorbereitungsreisen der Führungskräfte nach Budapest findet in der Gellert-Therme die „Party Total“ statt. Auf dem Gelände werden Himmelbetten aufgestellt. 20 Prostituierte werden eingeladen, mit farbigen Armbändern gekennzeichnet, und nach jedem Liebesdienst am Unterarm abgestempelt. Bewirtet werden die Ergo-Gäste dabei unter anderem vom bekannten Fernsehkoch Stefan Marquard. Für Musik sorgt die Live-Band Soul-Kitchen.

5. Juni 2007
Die Vertreter kehren im Restaurant Hemingway sein. Dort tritt ein Stehgeiger auf. Dieser soll der  Schwager des Budapester Polizeipräsidenten sein, der wiederum für die Verlängerung der Sperrstunde von 24:00 Uhr auf 4:00 Uhr morgens für die Außenveranstaltung im Gellert-Bad zuständig war. Später fahren einige Reiseteilnehmer in ein Bordell.

Juli 2007
In der Mitarbeiterzeitung „HMI Profil“ wird die Reise überschwänglich gefeiert: „Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht. Oder aber, sie sind so abgefahren, so sagenhaft und unbeschreiblich, dass es sie beinahe gar nicht geben dürfte. Aber seien Sie sicher – es gibt sie eben doch. Und zwar nur hier! Hier in der HMI!“. An anderer Stelle heißt es: „Aus welchem Blickwinkel auch immer man diese Mega-Fete betrachtet: ein Mordsspaß war es auf alle Fälle. Jedenfalls haben wir bis zu diesem Zeitpunkt noch niemanden gefunden, der dabei war und nicht sofort wieder loslegen möchte.“

13. Dezember 2007
Die Führung des Vertriebs beschließt wegen des „großen Erfolgs“ von Budapest eine Wiederholung der Veranstaltung. Doch Ludger Griese, der neue Vertriebschef, zögert, eine Orgie in eigener Verantwortung zu organisieren. Griese ist der Meinung, eine solche Veranstaltung verstoße gegen die Verhaltensregeln im Ergo-Konzern. Aus der Lust-Reise von 2007 zieht er jedoch keine Konsequenzen. Er meldet die Verstöße auch nicht an Vorgesetzte.

30. Juni – 2. Juli 2008
Obwohl der neue Vorstand nach der Budapest-Orgie eine zweite Reise vermeiden wollte, findet doch eine statt. Dem Vertrieb war bereits eine zweite Tour versprochen worden – und wenn auch 15 der 17 Gewinner des neuen Wettbewerbs mit einem teuren Apple-Computer zufrieden waren, bestanden doch zwei auf einer weiteren Reise. Sie führte nach Ibiza. Was dort genau stattfand, ist unklar.

April 2010
Ludger Griese, der Mann, der seit 2007 von der Budapest-Reise wusste und keinerlei Konsequenzen zog, steigt zum Vorstand der Ergo Lebensversicherung AG auf.

Mai 2010
Ergo befindet sich im Rechtsstreit mit mehreren ehemaligen Vertretern der Hamburg-Mannheimer. Während dieses Streits wird der Ergo-Chefjustiziar Holger Schmelzer von einem Anwalt der Vertreter auf die Exzesse in Budapest angesprochen. Schmelzer kann mit dem Thema nichts anfangen und fragt im Vertrieb nach.

2. Juni 2010
Ludger Griese schreibt eine Notiz für den Ergo-Vorstand Jürgen Vetter. Sie beinhaltet, dass für die Budapest-Reise 2007 auf Konzernkosten Prostituierte gebucht wurden. Kurz danach erhält auch Ergo-Chef Torsten Oletzky Kenntnis von der Lust-Reise. Nach eigenen Angaben lässt er sich versichern, dass eine solche Reise nicht noch einmal vorkommen könne. Personelle Konsequenzen für die Organisatoren der Reise bleiben aus.


Nachfragen auf der Hauptversammlung

20. April 2011
Auf der Hauptversammlung der Munich Re, dem Mutterkonzern der Ergo, wird der Ergo-Aufsichtsratsvorsitzende Nikolaus von Bomhard von einem Aktionär zu der Sex-Reise der Hamburg-Mannheimer befragt. Von Bomhard antwortet: „Die verantwortlichen Führungskräfte sind nicht mehr in der Ergo tätig.“ Dabei sitzt der Leiter des Strukturvertriebs, der zweimal zur Vorbereitung in Budapest war und alle Rechnungen für die Reise abzeichnete, in diesem Moment im Back-Office der Hauptversammlung. Er wird erst zum 31. Juni 2012 ausscheiden.

17. Mai 2011
Das Handelsblatt fragt die Ergo-Pressestelle nach der Budapest-Reise.

18. Mai 2011
Ergo-Chef Torsten Oletzky unterrichtet den Aufsichtsrat der Ergo über die Anfrage des Handelsblatts.

19. Mai 2011
Das Handelsblatt berichtet über die Sex-Reise der Hamburg-Mannheimer nach Budapest.

19. Mai 2011
Ergo richtet eine Task-Force zur Aufklärung der Vorgänge ein. Sie wächst im Laufe der kommenden Wochen auf mehr als 100 Mitarbeiter an.

22. Mai 2011
Die „Bild am Sonntag“ zeigt Bilder und ein Video von vermeintlich koksenden Versicherungsvertretern der Hamburg-Mannheimer.

23. Mai 2011
Ergo erklärt: „Die Berichterstattung in der „Bild“-Zeitung, wonach Handelsvertreter der Hamburg-Mannheimer auf sogenannten Top-5-Reisen Kokain konsumiert hätten, ist unwahr. Die von der „Bild“-Zeitung veröffentlichten Fotos zeigen ein Trinkspiel mit Salz, Tequila und Zitronensaft. Dazu gehört das Einschnupfen von Salz durch die Nase.“

24. Mai 2011
Fußballtrainer Jürgen Klopp lässt seinen Werbevertrag mit Ergo ruhen. „Was man von dieser Reise liest, kann man nur aufs Schärfste verurteilen“, sagt sein Berater Marc Kosicke.

25. Mai 2011
Ergo gibt bekannt, seine Werbekampagne, die allein im Jahr 2010 mehr als 50 Millionen Euro kostete, zu reduzieren.

27. Mai 2011
Ergo teilt in einer Presseinformation zu der Budapest-Reise mit: „Die damals Verantwortlichen sind heute nicht mehr für Ergo tätig.“

3. Juni 2011
Die Konzernrevision legt ihren „Bericht zur Prüfung HMI-Wettbewerbsreise – Budapest 2007“ vor. Demnach wusste Torsten Oletzky seit dem 9. Juni 2010, „dass auf einer Wettbewerbsreise der HMI im Jahr 2007 Prostituierte Teil des Programms gewesen seien.“ Der Bericht enthält auch Details über massive Fehler in der Reiseabrechnung und Hinweise, dass „im Rahmen von Führungsseminaren der HMI am Zürichsee in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre Prostituierte eingeflogen worden seien. Die Kosten seien über die Position „Helikopterrundflüge“ abgerechnet worden.“ Außerdem sei „in einem weiteren Fall auf Veranstaltungen der Konsum von Champagner verschleiert worden, indem mit den Belegausstellern vereinbart wurde, hierfür 600 bis 700 Colaflaschen in Rechnung zu stellen.“

8. Juni 2011
Der Ergo-Aufsichtsrat tagt und beschließt härtere Compliance-Richtlinien.

9. Juni 2011
Auf „Bild Online“ erscheint ein Interview mit Torsten Oletzky. Darin sagt der damalige Ergo-Chef: „Die unsägliche Veranstaltung in Budapest war ein Einzelfall. Wir haben mit der Revision fast jeden Stein umgedreht und dabei nichts gefunden, was in Art oder Umfang mit der Budapest-Reise vergleichbar gewesen wäre. Natürlich wurden aber kleinere Regelverstöße gefunden, was bei rund 50.000 Mitarbeitern aber kein Wunder ist.” Auf Nachfrage, was ein kleinerer Regelverstoß ist, sagt Oletzky: „Auf einer Reise ist z. B. ein Mitarbeiter im offensichtlich angetrunkenen Zustand gegenüber einer Rezeptionistin ausfallend geworden. Er wurde auf eigene Kosten nach Hause geschickt.“

14. Juni 2011
Die Konzernrevision notiert Angaben von Befragten zu einer Kreuzfahrt mit einem AIDA-Schiff 2002: „Ihrer Erinnerung nach sei es auf der AIDA „hoch hergegangen“. Dabei sei es zu einseitigen sexuellen Handlungen mit weiblichen Besatzungsmitgliedern (gegen den Willen dieser) gekommen. Es müsse sich dabei nicht zwingend um nur einen Vorfall gehandelt haben.“

16. Juni 2011
Die Konzernrevision legt einen weiteren Bericht vor. Diesmal geht es um eine Wettbewerbsreise nach Mallorca im Jahr 2005 und nach Jamaika in den Jahren 2009 und 2011. Auf Mallorca rechneten Führungskräfte Kosten für einen Bordellbesuch ab. Außerdem wurden Kosten in Etablissements eingereicht und bezahlt, deren Existenz nicht nachzuweisen sei. In Jamaika war das Reiseziel das Swingerhotel Hedonism II.

 


„Swingerhotel Hedonism II“

24. Juni 2011
Die Konzernrevision legt einen weiteren Bericht vor. Diesmal geht es um Wettbewerbsreisen nach Jamaika und New York im Jahr 2010. Auf Jamaika trafen sich die Vertreter erneut im Swingerhotel Hedonism II. Die Reise wurde am selben Tag genehmigt, an dem sie beantragt worden war. Ein Teilnehmer erklärte der Revision: „Als Grund für die Buchung gab er an, dass seine erste Wettbewerbsreise vor 25 Jahren in dasselbe Hotel geführt habe“.

28. Juni 2011
Noch ein Bericht von der Konzernrevision. Untersuchungsgegenstand war eine Incentivereise, auf der Teilnehmer einen Besuch im Hamburger „Dollhouse“ abrechneten. Die Revision schreibt: „Zum Zeitpunkt der Reise im Jahr 2010 ist in dem „Vertriebsstellen-Handbuch nicht explizit genannt, dass ein Besuch von Table-Dance-Bars zu unterlassen ist. Demnach wurde nicht gegen Richtlinien verstoßen, auch wenn aus moralischen Gründen auf einen Besuch in einem derartigen Etablissement verzichtet hätte werden müssen.“

28. Juni 2011
Ergo zeigt einen ehemaligen Vorstand und den ehemaligen HMI-Chef wegen Untreue an. Die Staatsanwaltschaft Hamburg wird die Untersuchung gegen den Ex-Vorstand später einstellen, aber auf zwei weitere Männer ausdehnen. Beide arbeiten (entgegen der Beteuerungen von Ergo) noch für Ergo, der eine bis März 2012, der andere bis Juni 2012.

29. Juni 2011
Ergo schaltet in fünf überregionalen Tageszeitungen eine ganzseitige Anzeige, mit der sich der Konzern für die Orgie in Budapest und anderes entschuldigt. Der Konzern kündigt eine Transparenzoffensive an und verspricht: „Wenn etwas nicht gut ist, werden wir darüber berichten.“

4. Juli 2011
Ergo nimmt seine Werbekampagne wieder auf.

19. Juli 2011
Frank Roselieb vom Kieler Institut für Krisenforschung nennt den Fall Ergo einen „Branchen-GAU“. Ergo sei zwar nicht das erste Versicherungsunternehmen, das in die Negativ-Schlagzeilen geraten sei. Aber: „In unseren Krisenfalldatenbanken gibt es aber bislang keinen Skandal dieser Größenordnung.“

3. August 2011
Ergo verabschiedet ein Maßnahmenpaket zur Stärkung der Compliance im Unternehmen. Die von Ergo beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers gibt Ergo gute Noten für die Aufarbeitung der Skandale. Die Revision habe ganze Arbeit geleistet. Den Bericht der Kommission veröffentlicht Ergo nicht. Details werden kaum genannt. Obwohl Vorstandschef Torsten Oletzky inzwischen mehrere neue Revisionsberichte über Sex-Reisen vorliegen, wiederholt er: „Budapest war ein Einzelfall. Die Verantwortlichen haben den Konzern verlassen.“

28. September 2011

Der US-Bestseller-Autor Michael Lewis bezeichnet in seinem Buch „Boomerang“ die Budapest-Reise als beispielhaft für den Charakter der Deutschen. Er schreibt: „Diese außerordentliche Regelgläubigkeit zeichnet das Bankwesen in Deutschland genauso aus wie das Privatleben. Das zeigt sich auch in dem jüngsten Skandal um die Munich-Re-Tochter Ergo. Die veranstaltete im Juni 2007, kurz vor dem Crash, eine Ausflugsfahrt für ihre besten Vertriebsmitarbeiter, auf der es nicht nur Mett-Igel und Minigolf gab, sondern auch eine Party mit Prostituierten. In der Finanzwelt sind Partys wie diese nicht ungewöhnlich – das eigentlich Sonderbare war, wie gut die deutsche Party organisiert war. Das Unternehmen kennzeichnete die Prostituierten mit weißen, gelben und roten Armbändchen, je nachdem, für welche Führungsebene sie bestimmt waren. Nach jedem Ausflug  in ein Separee bekamen die Frauen einen Stempel verpasst, um später sehen zu können, welche wie oft „benutzt“ worden war. Die Deutschen wollten nicht einfach irgendwelche Prostituierte, sie wollten Prostituierte, die sich an Regeln hielten.“

21. Januar 2012
Ergo will den besudelten Namen der Vertriebsorganisation HMI aus dem Unternehmen tilgen. Die HMI wird umbenannt in Ergo Pro.

13. März 2012
Ergo erhält den Deutschen Marken Award für die Beste Neue Marke 2012. Der Konzern hatte sich trotz aller Schlagzeilen um Lust-Reisen, gestempelte Prostituierte und geprellte Kunden für diese Auszeichnung beworben. Die Jury meinte: „Die Jury wählte Ergo auf Platz eins, weil der Konzern in einem Aufsehen erregenden Prozess den Namen der Holding zur übergreifenden Marke aufgebaut und erfolgreich ein neues, kundenorientiertes Image kreiert hat.“

31. Juli 2012
Die Staatsanwaltschaft Hamburg erhebt Anklage gegen drei mutmaßlich Verantwortliche für die Budapest-Reise. Die Anklage lautet zweimal auf schwere Untreue sowie einmal auf Beihilfe zur Untreue.

14. August 2012
Das Handelsblatt zitiert umfangreich aus dem nun ein Jahr lang zurückgehaltenen Bericht der Konzernrevision. Die internen Unterlagen zeigen: Längst nicht alle Beteiligten, die die Budapest-Reise vorbereiteten und durchführten, haben den Konzern verlassen. Zudem finden sich in dem Bericht Hinweise auf weitere Lust-Reisen, bis zurück in die 70er-Jahre. Damit sich die Leser selbst einen Eindruck von den Erkenntnissen der Konzernrevision machen können, stellt das Handelsblatt die Berichte zum Download ins Internet.

26. August 2012
Wieder einmal legt die Revision einen Bericht vor. Gegenstand: Ein Seminar in Hamburg 2007. Die Revision schreibt: „Ein Geschäftsstellenleiter besuchte mit Seminarteilnehmern einen Erotik-Club auf der Reeperbahn. … Beim Safari-Club handelt es sich nach eigenem Internet-Auftritt um einen Erotik-Club, in dem Live-Sexshows gezeigt werden.“

28. August 2012
Dem Handelsblatt liegen zusätzliche Ergo-Revisionsberichte vor, die detailliert weitere Lust-Reisen beschreiben. Das Handelsblatt richtet eine entsprechende Anfrage an Ergo. Der Konzern antwortet: „Budapest war nach unserer Kenntnis ein Einzelfall. Wir haben nichts gefunden, was in Art und Umfang vergleichbar war.“

29. August 2012
Ergo versucht, mit juristischen Mitteln die Veröffentlichung des Revisionsbericht zu Budapest zu verhindern. Die Anwälte des Konzerns argumentieren, die Bereitstellung des Berichts zum Download im Internet verletze die Urheberrechte der Verfasser, also der Revisoren von Ergo. Das Landgericht Köln gibt dem Gesuch ohne Anhörung des Handelsblattes statt. Das Handelsblatt kündigt an, Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen.

30. August 2012
Das Handelsblatt berichtet über weitere Lust-Reisen im Ergo-Konzern. Sie führten 2005 in ein Bordell auf Mallorca und 2009, 2010 und 2011 in den Swinger-Club „Hedonism II“ auf Jamaika. Ein Geschäftsstellenleiter wird von den Ergo-Revisoren mit den Worten zitiert, er habe die Reise dorthin gebucht, weil schon seine erste Wettbewerbsreise vor 25 Jahren in diesen Club geführt habe. Dies alles ist in Revisionsberichten festgehalten, die dem Ergo-Vorstand seit Juni 2011 vorliegen.

Torsten Oletzky lässt sich von der Ergo-Kommunikationsabteilung zu den jüngsten Enthüllungen befragen. Auf die Frage, ob Sex-Reisen im Konzern doch kein Einzelfall gewesen seien, sagt Oletzky: „Neben den bekannten Fällen gibt es nur drei weitere, in denen die Revision nach intensiver Recherche Nachtclubbelege für Getränke bis 300 Euro gefunden hat. In keinem Fall hat die Revision Hinweise auf weitere Skandalreisen gefunden.

 


Ergo verzeichnet massive Einbrüche bei Marktanteilen

6. September 2012
Der Branchendienst Map-Report meldet, Ergo habe „massive Einbrüche bei Marktanteilen und Vertragsbeständen“ zu verzeichnen. Kein anderer deutscher Lebensversicherer habe 2011 so viele Kunden verloren. Insgesamt sind bei der Ergo 170.940 weniger Verträge im Bestand als ein Jahr zuvor.

19. September 2012
Die  Konzernrevision legt einen weiteren Bericht vor, diesmal über eine Wettbewerbsreise nach New York 2010. Dort wurde der „Penthouse Executive Club“ besucht. In dem Bericht heißt es „Die beiden Betreuerinnen haben den Club wegen der Striptease-Darstellungen schnell verlassen.“ Die Kosten für den Club wurden normal eingereicht und bezahlt.

28. September 2012

Ludger Griese scheidet aus dem Vorstand der Ergo Lebensversicherung AG aus. Er hatte seit 2007 von der Budapest-Reise gewusst, aber keine Maßnahmen gegen die Verantwortlichen ergriffen und den Vorstand erst 2010 über den Fall informiert.

30. September 2012
Torsten Oletzky gibt in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ Fehler zu: „Dass wir ein Thema wie Jamaika in unserer Pressekonferenz am 3. August 2011 nicht erwähnt haben, war ein Fehler. Unter Druck macht man auch mal Fehler.“ Ergo schaltet eine Internetseite frei, auf der Informationen zu Budapest, Jamaika und weiteren Fehlverhalten von Mitarbeitern und freien Handelsvertretern öffentlich gemacht wird. Oletzky: „Ich kann Ihnen versprechen: Wir werden alles, was wir finden, veröffentlichen – jetzt und in Zukunft.“

17. Dezember 2012
Die Ergo Revision findet weitere Hinweise auf die „Inanspruchnahme von Prostitutionsleistungen“ bei Motivationsreisen nach Thailand und Brasilien.

16. Januar 2013
Erneut berichtet die Revision über Motivationsreisen, diesmal nach Prag in den Jahren 2004 und 2005. „Bei allen drei Reisen wurde die Table-Dance-Bar Musik Club Zlaty Strom besucht. Bei der Reise im Jahr 2004 wurde zusätzlich das Striptease-Lokal Darling Cabaret Club besucht. Die Internetrecherche ergab, dass auch Prostitutionsdienstleistungen in dem Club angeboten werden. Eine Inanspruchnahme entsprechender Dienstleistungen wurde von dem verantwortlichen Organisator verneint.“

22. Januar 2013
Das Amtsgericht in Hamburg St. Georg will den Fall Budapest nicht verhandeln. Wegen der Größe des Verfahrens sei das Amtsgericht „sachlich nicht zuständig“. Der Fall solle lieber am Landgericht verhandelt werden.

31. Januar 2013
Das Landgericht will den Fall Budapest auch nicht verhandeln und erklärt, zuständig sei das Amtsgericht.

Februar 2013
Die Staatsanwaltschaft Hamburg erhebt Einspruch gegen die Entscheidung des Landgerichts und beantragt beim hanseatischen Oberlandesgericht, der Fall Budapest solle am Landgericht Hamburg verhandelt werden.

März 2013
Das Hanseatische Oberlandesgericht entscheidet, dass der Fall Budapest am Landgericht verhandelt werden soll. Mit dem Prozessbeginn wird allerdings nicht vor 2014 gerechnet.

20. März 2013
Torsten Oletzky erhält einen neuen Fünfjahresvertrag.

27. März 2013
Ergo veröffentlicht die Geschäftszahlen 2012. Der Konzern verliert in allen Marktsegmenten Marktanteile trotz der gewaltigen, 90 Millionen Euro teuren Werbekampagne „Versichern heißt Verstehen“.

1. Juni 2013
Der ehemalige HMI-Generalrepräsentant Francisco Moraga veröffentlicht ein Buch über seine Zeit bei der Hamburg-Mannheimer. Unter dem Titel „Einfach nur die Wahrheit“ schildert er eine Unternehmenskultur, bei der Sex-Gelage zum normalen Arbeitstag gehörten.

14. November 2014
Die Budapest-Reise wird in die Ausstellung im Haus der Geschichte in Leipzig integriert. Titel der Ausstellung: „Schamlos. Sexualmoral im Wandel.“

 


„Budapest-Prozess“ beginnt im Juni 2016

24. April 2015
Ergo kündigt an, dass Vorstandschef Torsten Oletzky den Konzern zum Jahresende verlassen wird, obwohl sein Vertrag noch bis 2018 läuft. Sei Nachfolger wird Markus Rieß von der Allianz.

30. Mai 2015
Die Schamlos-Ausstellung wechselt von Leipzig ins Haus der Geschichte in Bonn. Dort ist sie noch bis April 2016 zu sehen.

9. Juni 2015
Der Aufsichtsrat der Ergo Versicherungsgruppe AG beruft Markus Rieß in den Vorstand und benennt ihn zum Vorsitzenden. Der Aufsichtsrat von Munich Re beruft Rieß außerdem in den Vorstand des Konzerns. Beide Berufungen erfolgen zum 16. September 2015.

17. Mai 2016

Das Landgericht Hamburg bestätigt, dass der Budapest-Prozess ab dem 14. Juni 2016 beginnen soll. Das Verfahren solle bis Februar 2017 abgeschlossen sein.

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