Vodafone-Geschäftsführerin Anna Dimitrova „Ich spreche laut und bin direkt“

Als Frau fühlte sie sich nie diskriminiert, als gebürtige Bulgarin schon: Die neue Geschäftsführerin bei Vodafone Deutschland, über Fluch und Segen der Doppelquote – und ihre Digital-Strategie für den Mobilfunkkonzern.

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Die Vodafone-Geschäftsführerin für Strategie & Digitales ist eine der wenigen Spitzen-Managerinnen in Deutschland mit ausländischen Wurzeln. (Quelle: Alexander Vejnovic)

Düsseldorf Als Teenager erlebte Anna Dimitrova den Zusammenbruch des Sozialismus. Von ihrem Vater, der damals wie die meisten Bulgaren plötzlich arbeitslos wurde und mutig einen Weinhandel gründete, lernte sie, offen für neue Chancen zu sein. Genau zwanzig Jahre ist es her, dass sie zum Studium nach Deutschland kam. Seitdem arbeitet sie hier. Erst mit Greencard, inzwischen mit deutschem Pass, wie sie im Gespräch mit dem Handelsblatt erzählt. Ein persönliches Jubiläum, das von der heute 40-jährigen Vodafone-Managerin so nie geplant war. Premium-Inhalt: Sie haben mit diesem Text Zugang zu einem Digitalpass-Inhalt, den wir den Mitgliedern unseres Business-Netzwerkes Leader.In an dieser Stelle kostenlos zur Verfügung stellen. Erfahren Sie mehr über die Initiative Leader.In in unserer Linkedin-Gruppe.

Frau Dimitrova, Sie sind der Traum jedes Headhunters in Sachen Vielfalt: eine qualifizierte Managerin mit ausländischen Wurzeln. Was toll klingt, war aber kein optimaler Start für den Aufstieg in deutschen Unternehmen, oder?
Teils, teils. Ich habe zwar nie Vorurteile mir gegenüber als Frau gespürt – aber anfangs doch wegen meiner Herkunft.

Sie stammen aus Bulgarien. Was haben Sie denn erlebt?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Ich hatte 2001 mit damals 24 Jahren den besten Abschluss als Diplom-Kauffrau in meinem Jahrgang an der Uni in Erlangen-Nürnberg mit den drei Schwerpunkten Marketing, Wirtschaftsinformatik und Controlling gemacht, nachdem ich vorher in Sofia an der Universität für Weltwirtschaft studiert hatte. Und da fragt mich ein Personalberater doch tatsächlich, was ich denn besser könne als ein deutscher Bewerber. Das hat mich sehr geärgert.

Wieso?
Weil es unterstellt, Bulgarien sei ein unterentwickeltes Land. Dabei muss man sich doch zum Beispiel nur mal anschauen, wie selbstverständlich Frauen in den ehemaligen sozialistischen Staaten Führungspositionen bekleiden, auch als Mütter, und wie schwer man sich in Sachen Gleichberechtigung in Deutschland tut. Je nach Perspektive hat doch jede Nation Entwicklungsbedarf.

Warum zog es Sie überhaupt ins Ausland?
Eigentlich eine Geschäftsidee: In Österreich hatte ich gesehen, wie bunt Kleidung sein konnte im Gegensatz zu den zuhause vorwiegenden Farben Grau, Braun und Schwarz. Ursprünglich wollte ich in die Mode-Branche, um schickere Textilien in Bulgarien anzubieten.


Im Wald durch Aufnahmeprüfung gefallen

Wie sind Sie mit der Vorliebe für Mode ausgerechnet zu Vodafone gekommen?
In der Marketing-Vorlesung in Nürnberg sollten wir eine Branche wählen, um eine Fragestellung unseres Professors konkret zu bearbeiten. 1996 war gerade die Liberalisierung des Mobilfunks in der Presse und Mannesmann D2, so hieß der deutsche Mobilfunkbetreiber vor der Übernahme durch Vodafone, faszinierte mich. Ich hatte sogar Aktien gekauft. Nachdem ich mich so intensiv mit dem Unternehmen beschäftigt hatte, wollte ich unbedingt dort arbeiten und bewarb mich auf eine Stellenanzeige als Managerin für Tarifentwicklung.

Mit Erfolg. War Ihre osteuropäische Herkunft danach noch ein Thema?
Einmal bin ich deswegen sogar richtig auf die Nase gefallen. Es ging um die Aufnahmeprüfung in ein globales Führungsnachwuchsprogramm, für das weltweit 15 und davon nur zwei Teilnehmer aus Deutschland ausgewählt werden konnten. Bei der ersten Bewerbung fiel ich durch.

Woran lag´s?
Ich scheiterte an Outdoor-Übungen im Wald, die auf Englisch durchgeführt wurden. Ich hatte ja keinen Englisch-Unterricht in der Schule gehabt, sondern Russisch. Im Unternehmensalltag bei Präsentationen und Diskussionen kam ich klar, denn ich hatte mir das Fachvokabular und die Grammatik selbst angeeignet. Diesen Teil des Auswahlverfahrens hatte ich gemeistert. Für alles jenseits meines Berufsalltags fehlten mir jedoch die Vokabeln, so dass ich am zweiten Teil scheiterte. Ich war am Boden zerstört.

Und dann?
Mein damaliger Chef hat toll reagiert. Er rief den Programmleiter an und sagte: „Ich stelle keine Försterinnen ein, sondern brauche eine Business-Frau.“ Und so bekam ich eine zweite Chance – nachdem ich erst noch mal privat Englisch gepaukt hatte.

Der Grundstein für den internen Aufstieg war gelegt. Später waren Sie Finanzchefin in Prag, wo Sie die Restrukturierung der tschechischen Tochter verantworteten. Danach organisierten Sie die Integration von Kabel Deutschland mit 3500 Mitarbeitern. Das alles hat mit Marketing ja nicht mehr viel zu tun.
Ja, ich wurde immer wieder ins kalte Wasser geworfen.

Mögen Sie es denn, sich freizuschwimmen?
Na ja. Ich musste mich anfangs sehr überwinden, meinen Bereich zu verlassen. Aber fachliches und persönliches Wachstum ist nur auf neuen Positionen möglich. Das habe ich rückblickend begriffen – und bin daher für den einen oder anderen Schubs meiner Vorgesetzten dankbar.

Von wem sind Sie denn geschubst worden?
Zum Beispiel vom ehemaligen Vodafone-Chef Fritz Joussen, der mir dringend riet, Erfahrungen im Finanzwesen zu sammeln.


Mitarbeiter von Transformationsbedarf überzeugen

Noch immer arbeitet Ihr Unternehmen daran, die männlich dominierte Kultur aus der Zeit der Mannesmann Röhrenwerke zu überwinden. Waren Sie schon mal entmutigt angesichts des langsamen Tempos?
Nein, gar nicht. Wenn ich mir das Exco so anschaue…

Damit meinen Sie die Geschäftsleitung. Sie und eine weitere Kollegin sind 26 Jahre nach Firmengründung in dem zehnköpfigen Gremium bislang zu zweit unter acht Männern. Sieht so Vielfalt aus?
Geht es um Vielfalt der Belegschaft, spielen auch Aspekte wie Religion, sexuelle Orientierung und Alter eine Rolle, nicht nur der Frauenanteil im Führungskreis. Ich finde, wir kommen insgesamt gut voran.

Als Geschäftsführerin für das neue Ressort Strategie & Digitales sollen Sie Vodafone Deutschland in die digitale Welt führen. Wie wollen Sie das machen?
Wir fangen ja nicht bei null an. Im Gegenteil: Die digitale Transformation ist in vollem Gange. Ich muss sie weiter treiben und schärfen. Dafür reicht es nicht, dass die Geschäftsleitung „Digitales“ beschließt, sondern wir müssen alle 14000 Mitarbeiter überzeugen. Die digitale Transformation muss in die Vodafone-DNA übergehen.

Soweit die Theorie, aber was planen Sie konkret?
Wir denken über die weitere Digitalisierung in den Bereichen Verkauf und Service nach, wollen neue Geschäftsfelder erschließen, etwa Lösungen für Industrie 4.0 oder die Vernetzung von Dingen anbieten und auch komplett neue Geschäftsmodelle aufsetzen, die auf unserem künftigen ultraschnellen 5G-Netz basieren werden.

Digitalisierung in Vertrieb und Service - heißt das, Ihre Shop-Mitarbeiter werden arbeitslos?
Keineswegs. Digitale Prozesse können für ein Mehr an Kunden sorgen und bestehenden Kunden besseren Service bieten. Dafür sind unsere Shops ein wichtiger Kontaktpunkt. Digitale Prozesse sollen hier unterstützen.

Welche Stolpersteine sehen Sie, an denen Ihr Plan scheitern könnte?
Die Transformation kann man nur schaffen, wenn sich die Denkweise im Unternehmen verändert.

Inwiefern?
Unsere gesamten Produkte und Prozesse müssen aus der digitalen Perspektive entwickelt und aufgesetzt werden. Dafür brauchen wir eine viel stärkere funktions- und bereichsübergreifende Vorgehensweise. Deswegen haben wir das Ressort Strategie & Digitales zusammengeführt – denn die Digitalisierung ist Kern unserer Unternehmensstrategie. 

Haben Sie Berater dafür an Bord?
Nein, keine Berater. Wir wollen das Thema so verinnerlichen, dass wir es mit dem eigenen Team stemmen. Und natürlich greifen wir auch auf das Know-how der Vodafone Gruppe zurück.

Und wie fühlt sich die neue Aufgabe an?
Jeder neue Job ist eine große Herausforderung. Als bislang schwierigste Aufgabe habe ich die Umstrukturierung 2013 in Prag mit über 200 Entlassungen empfunden.

Hat Ihnen das schlaflose Nächte beschert?
Ja. Nachdem der tschechische Mobilfunk-Marktführer plötzlich seine Preise um 50 Prozent gesenkt hatte, war mir sofort klar, dass ich auch Mitarbeiter entlassen muss, um das Geschäft wieder profitabel zu machen.


Mädchen davor schützen, gefallen zu wollen

Mit so viel Entschlossenheit rechnet man nicht, wenn man Sie so sieht: Sie sind sehr zierlich. Wie umgehen Sie als Frau die Niedlichkeitsfalle?
Damit habe ich nie Probleme gehabt, vielleicht liegt es an meinem Blick. Die Körpergröße ist jedenfalls nicht entscheidend, das hat schon Napoleon gezeigt. Zudem spreche ich laut und ich bin sehr direkt – wie mir in Feedback-Gesprächen immer wieder gesagt wird. Das kommt wohl auch von meiner osteuropäischen Herkunft. Ich stehe dazu. Es bringt für alle Beteiligten Klarheit – sofern man sich respektvoll äußert.

Werden Sie nie unterschätzt?
Doch. Aber das kann ja vorteilhaft sein.

Inwiefern?
Wenn ich argumentiere, erlebt so mancher einen Aha-Effekt.

Muss man Mädchen, die später beruflich erfolgreich sein wollen, eigentlich davor schützen, um jeden Preis gefallen zu wollen?
Ich finde schon. Und das fängt bei Kleinigkeiten an. Wenn zum Beispiel jemand zu meiner Tochter sagt, ´Du bist hübsch`, sage ich immer: ´Du bist klug und hübsch´. Denn auf die Reihenfolge kommt es an.

Ihre Tochter ist sechs, sie lebt in Brüssel mit ihrem Vater, der bei der EU-Kommission tätig ist. Sie arbeiten in Düsseldorf. Da bleibt für gute Ratschläge wenig Zeit.
Ich habe ein Jahresticket für den Thalys und pendle im Wochenrhythmus. Freitags geht’s zur Familie. Das finde ich effizienter als das Heimbüro, weil ich weniger abgelenkt werde. Von Tür zu Tür brauche ich drei Stunden. Montags, wenn ich nach Düsseldorf zurückfahre, werde ich immer zum Frühaufsteher. Ich arbeite zwar schon im Zug, aber für meine Kollegen in Düsseldorf gilt die Devise: keine Termine mit mir vor 9 Uhr.

Sie sind ein klassisches Konzerngewächs, haben mit Ihren gerade mal 40 Jahren sehr viel erreicht. Was ist Ihr nächstes Ziel?
Ein Mann in vergleichbarer Position würde vermutlich jetzt sagen: Dax-CEO. Aber so festgelegt bin ich nicht, nehme es eher sportlich. Ich möchte, dass wir Drei, wenn Emma zehn Jahre alt ist, zusammen an einem Ort leben. Wo das dann sein wird, hängt also davon ab, welche Karriere besser läuft – meine oder die meines Mannes.
Frau Dimitrova, vielen Dank für das Interview.

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