Weltraum SpaceX will die bemannte Raumfahrt zurück in die USA bringen

Neun Jahre nach dem Ende des Spaceshuttle-Programms starten wieder Astronauten von den USA aus ins All. Erstmals kommt dabei eine Raumkapsel von SpaceX zum Einsatz.

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Die privat entwickelte Rakete bringt Lasten wie auch Menschen ins All. Quelle: dpa

Wenn in wenigen Tagen wieder der Countdown läuft, ist die Nasa nur Kunde. Die eigentliche Verantwortung für den Start hat die US-Raumfahrtbehörde outgesourct: Eine „Falcon 9“-Rakete soll eine Kapsel vom Typ „Crew Dragon“ in den Orbit schicken. Beides sind Entwicklungen des von Elon Musk gegründeten Unternehmens SpaceX. Beim Transport von Fracht haben sich die Systeme bereits bewährt. Diesmal sollen sie auch zwei Menschen befördern.

Ziel des Einsatzes, der als finaler Test für Astronautenflüge in dieser Konstellation gilt, ist die Internationale Raumstation ISS. Startplatz ist das Kennedy Space Center in Florida, wo 2011 zum letzten Mal ein Spaceshuttle abhob. Seitdem waren die USA beim Transport von Personen ins All auf Russland angewiesen. Am Mittwoch werden also nach langer Pause wieder Amerikaner auf heimischem Boden eine Raumkapsel besteigen.

Die von der Nasa ausgewählten „Testpiloten“ sind Doug Hurley und Bob Behnken. „Es gibt wieder die Chance, bemannte Raumfahrt in unserem eigenen Hinterhof zu erleben“, sagt Behnken. „Dieser Aspekt ist für mich besonders aufregend.“ Die Fremdvergabe der „Routineflüge“ zur ISS könnte der Nasa derweil die Möglichkeit geben, sich auf andere Ziele zu konzentrieren: Wenn es nach dem Weißen Haus geht, sollen bis 2024 auch wieder US-Astronauten zum Mond geschickt werden.

Der russische Raketenstartplatz in Kasachstan sei für Amerikaner sehr weit weg. Wenn wieder von Florida aus Astronauten ins All starten, werde das die Öffentlichkeit daher sicher begeistern, sagt John Logsdon, Gründer des Space Policy Institute an der George Washington University in der US-Hauptstadt. „Wir schaffen gerade Impulse für eine viel spannendere Zukunft“, fügt er hinzu.

Der Ruf des Milliardärs Musk könnte ebenfalls dazu beitragen, die Popularität der Raumfahrt wieder zu erhöhen. Der Unternehmer, der auch an der Gründung des Elektroautoherstellers Tesla beteiligt war, ließ vor zwei Jahren seinen früheren Privatwagen, einen roten Tesla Roadster, in den Weltraum schicken. Am Mittwoch sollen Hurley und Behnken in einer optisch an die Rakete und die Raumanzüge angepassten Version des Tesla Model X zumindest zum Startplatz fahren.

Die beiden Astronauten sind mit dem Engagement des Milliardärs laut eigenen Angaben mehr als zufrieden. „Bei mehr als einer Gelegenheit hat er Bob und mir direkt in die Augen geschaut und gesagt: „Hey, falls es irgendetwas gibt, das euch stört, oder das euch auffällt, bitte sagt es mir, und wir bringen es in Ordnung““, lobt Hurley.

Wasserlandung auf dem Atlantik geplant

Der Start selbst, der für Mittwoch,16.33 Uhr Ortszeit (22.33 Uhr mitteleuropäischer Zeit) geplant ist, soll als großes Ereignis gefeiert werden. Massen von Zuschauern, wie bei vielen vergangenen Starts, sind wegen der durch das Coronavirus bedingten Kontaktbeschränkungen zwar nicht erwünscht. Aber die umliegenden Strände sind geöffnet. Und innerhalb der Absperrungen werden Präsident Donald Trump und sein Vize Mike Pence erwartet, der dem Nationalen Weltraumrat der USA vorsteht.

Nur drei Staaten haben bisher Menschen ins All befördert: Russland, die USA und China. Umso bedeutender ist die Tatsache, dass die Nasa die Regie nun einem Partner aus der Privatwirtschaft überlässt. „Mein Herz schlägt bis hier“, sagte SpaceX-Präsidentin Gwynne Shotwell kürzlich bei einer Pressekonferenz und zeigte auf ihren Hals. „Und ich denke, das wird so bleiben, bis wir Bob und Doug sicher von der Internationalen Raumstation zurückgeholt haben.“

Wie lange die beiden US-Astronauten auf der ISS bleiben werden, wird sich erst nach dem Start entscheiden. Geplant ist ein Zeitraum zwischen einem und vier Monaten. Am Ende des Einsatzes soll es zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert eine Wasserlandung auf dem Atlantik geben. Nasa-Chef Jim Bridenstine betont, dass es für die USA enorm wichtig sei, wieder einen eigenen „Zugang“ zur ISS zu haben, um die Potenziale des 100 Milliarden Dollar teuren Bauwerks besser nutzen zu können.

Als am 8. Juli 2011 die Raumfähre „Atlantis“ zum letzten Mal ins All abhob, war Hurley der Pilot; die Leitung der Mission lag bei Chris Ferguson. Der damalige Kommandant arbeitet heute für Boeing, dem zweiten Unternehmen, das 2014 von der Nasa mit der Vorbereitung von Personentransporten ins All beauftragt wurde. Lange war unklar, welches der beiden Unternehmen als erstes zum Zuge kommen würde. Die von Boeing entwickelte Kapsel „Starliner“ hat allerdings noch mit Software-Problemen zu kämpfen, so dass es nun voraussichtlich noch etwa ein Jahr dauern wird, bis Ferguson gemeinsam mit zwei Nasa-Astronauten abheben kann.

Die von SpaceX entwickelte Kapsel „Crew Dragon“ absolvierte Anfang des vergangenen Jahres einen ersten, noch unbemannten Testflug. Einen Monat später folgte dann zunächst ein herber Rückschlag, als das Raumschiff bei weiteren Tests auf dem Gelände in Cape Canaveral in Florida explodierte. Der „Starliner“ von Boeing wurde im vergangenen Dezember zum ersten Mal ins All geschossen, schaffte es dabei aber nicht in die vorgesehene Umlaufbahn. Ein nächster unbemannter Test der Konkurrenz-Kapsel ist für diesen Herbst geplant.

Kapseln sind generell einfacher konstruiert als ein Spaceshuttle und damit weniger fehleranfällig. Der bevorstehende Flug sei allerdings erst der zweite des neuen Modells, betont Hurley, und „die Statistik sagt, dass das riskanter ist als der 15. oder 20. Flug des Fahrzeugs“. Auf Vorschlag der eigenen Techniker ließ SpaceX alle internen Arbeitsanweisungen mit Fotos der beiden Astronauten versehen um ständig daran zu erinnern, dass diesmal nicht bloß Fracht auf dem Spiel steht.

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