Säcke und Tanks, so weit das Auge reicht: Aus dem All betrachtet gleicht das Gebiet rund um das zerstörte Kernkraftwerk Fukushima Daiichi einer gigantischen Lagerstätte. Aber das Material, das Arbeiter hier Tag für Tag stapeln, ist Sondermüll der übelsten Art: Erde und Wasser, radioaktiv verseucht und giftig für Lebewesen aller Art.
Acht Jahre, nachdem ein 15,7 Meter hoher Tsunami über die japanische Küste herbrach, 18000 Menschen tötete und drei Blöcke des Kernkraftwerks Fukushima zu einer Kernschmelze brachte, ist die Unglücksstelle immer noch ein Katastrophengebiet. 154000 Menschen sind nach dem Unglück evakuiert worden. Rund um das zerstörte Kraftwerk ist bis heute eine Sperrzone eingerichtet. Vielerorts ist die Strahlung noch gesundheitsgefährdend.
Für viele Bewohner der Region ist darum das Urteil, das das Tokioter Landgericht am Donnerstag verkündete, ein Skandal: Die Richter haben drei frühere Top-Manager des Kraftwerksbetreibers Tokyo Electric Power (Tepco) für nicht schuldig erklärt. Die Anwälte der Anklage hatten fünf Jahre Haft gefordert, der Vorwurf: Fahrlässige Katastrophenvorsorge.
Der Freispruch stieß bei Kernkraftgegnern auf Unverständnis. Das Potenzial eines 15-Meter-Tsumanis sei vorhersehbar gewesen, kommentierte die Umweltorganisation Greenpeace. Aus finanziellen Gründen habe Tepco keine Vorsorge getroffen. So war der Schutzwall an der Küste vor dem Kernkraftwerk zehn Meter niedriger als die Flutwelle, die 2011 das Kraftwerk zerstörte.
Unterdessen wächst rund um die Ruine eine Müllhalde aus strahlendem Wasser und Erdreich, wie exklusive Satellitenbilder zeigen. Und das wird für den Kraftwerksbetreiber Tokyo Electric Power (Tepco) zunehmend zum Problem. Mit jedem Tank kontaminierten Wassers, der dazu kommt, wird der Platz knapper. Im Sommer 2022, so der Betreiber, sei das Lager voll. Sogar der japanische Umweltminister Yoshiaki Harada sieht keine Alternative: Das Wasser müsse ins Meer geleitet werden, sagte er vergangenen Dienstag auf einer Pressekonferenz. „Es gibt keine andere Lösung.“
Das kontaminierte Wasser, das Tepco nun zum Problem wird, stammt aus zwei Quellen: Zum einen dringt Wasser, mit dem die geschmolzenen Kernbrennstoffe in den Reaktoren gekühlt werden und das dabei radioaktive Stoffe aufnimmt, über Lecks in die Maschinenhallen und wird dort abgepumpt. Zum anderen sickert Grundwasser in die Reaktorgebäude und wird dabei ebenfalls verstrahlt.
Dabei hatte Tepco großen Aufwand betrieben, um Grundwasser möglichst von den Reaktorblöcken fernzuhalten. Wichtigstes Mittel: Ein 1,5 Kilometer langer Wall aus Permafrost rund um die Reaktoren. Ab Mitte 2014 trieben Arbeiter dazu in einem Abstand von etwa einem Meter Gefrierrohre in bis zu 30 Metern Tiefe in den Boden.
Eine Salzlauge, minus 30 Grad kalt, fließt rund um die Uhr durch diesen gigantischen Kühlkreislauf, um das Erdreich einzufrieren, so dass kein Wasser mehr hindurchfließen kann. 30 Kühlaggregate mit einer Leistung von jeweils 261 Kilowatt erzeugen dazu die Kälte. Das entspricht ungefähr der Leistung von 50000 Kühlschränken.
Doch der Eiswall hilft nur bedingt. Immer noch fließen Tag für Tag 100 Tonnen Wasser in die Reaktoren. Pumpen saugen es ab und leiten es in Aufbereitungsanlagen weiter. Dort wird es mit Hilfe von Filtern zum größten Teil von den besonders radioaktiven Stoffen gereinigt, darunter Cäsium und Strontium.