Die Sonne ist hinter dem Meer bei Französisch-Guayana abgetaucht, als sich den Passagieren des AirFrance-Flugs Paris-Cayenne ein besonderes Spektakel bietet: Ein grelles Licht steigt in den Abendhimmel auf, eine Säule aus Feuer und Rauch. „Sie sehen den Start einer Ariane-Rakete“, meldet der Kapitän via Bordlautsprecher. Dutzende Fluggäste pressen ihre Gesichter an Fensterscheiben.
Es gibt nicht viele Direktflüge in Frankreichs südamerikanisches Überseedépartement nördlich von Brasilien. Aber es gibt hier Flüge ins Weltall. Denn beim Städtchen Kourou, zwischen Atlantik und dichten Regenwäldern, liegt Europas Weltraumbahnhof, auch Raumfahrtzentrum Guayana genannt. Das Gelände, 50 Kilometer lang, 14 Kilometer breit, ist hermetisch abgesichert. Nur Affen, Tapire und Jaguare schleichen sich hier ohne Zugangspass hinein.
Seit Mitte der Sechzigerjahre heben hier am Äquator europäische Raketen ab. An Bord: Satelliten, die ganze Kontinente mit Fernsehen versorgen; Raumsonden, die zu anderen Planeten aufbrechen; Weltraumteleskope, die die Weiten des Alls erkunden. Seit 1996 startet in Kourou auch Europas Prestigerakete, die Ariane 5. Inzwischen ist sie 108 Mal geflogen und damit eines der zuverlässigsten Vehikel für den Frachttransport ins Weltall. Nun ist ein Nachfolger in Arbeit: Ab 2021 soll die Ariane 6 den Dienst aufnehmen – größer, leistungsstärker und preiswerter als ihre Vorgängerin.
Die neue Rakete sorgt am Raumfahrtzentrum Guayana schon Jahre vor dem ersten Start für mächtig viel Arbeit. Sie ist fast 20 Meter größer als ihre Vorgängerin und hat ein höheres Startgewicht. Darum bauen Ingenieure in Kourou seit gut fünf Jahren eine komplett neue Startrampe, die den Kräften beim Abheben des kolossalen Geschosses widerstehen kann. Exklusive Satellitenbilder von LiveEO zeigen, wie das massive Bauwerk in den vergangenen Jahren gewachsen ist.
Beim Besuch der WirtschaftsWoche in Kourou im Januar 2018 war auf der Baustelle gewaltig viel zu tun. Eine riesige Grube klaffte im Erdreich, schon halb mit Betonelementen gefüllt. In ihr hätte ein kleines Fußballstadion problemlos Platz gefunden. Es wimmelte von Baufahrzeugen und Arbeitern, Baukränen und Stahlgerüsten.
In all dem Getümmel ließ sich dennoch erkennen, wie der Start der Ariane 6 künftig ablaufen wird. Die Vorbereitungen sollen nur noch neun Tage dauern statt 21 bei der Ariane 5. Im Unterschied zur Ariane 5, die stehend zusammengebaut wird, wird die neue Ariane 6 liegend montiert. Vorteil ist, dass dafür keine sehr hohe, sondern nur eine lange Halle gebaut werden muss, was Bau und Unterhalt billiger macht.
Der Rohbau, halb so lang wie der Kölner Hauptbahnhof, stand im Jahr 2018 schon. Hier kommen künftig vor jedem Start die Teile der Rakete zusammen, die in Europa gefertigt und per Schiff geliefert werden. Die Oberstufe etwa entsteht in Deutschland, im Werk der Ariane Group in Ottobrunn bei München.
Sind die Haupt- und Oberstufe verbunden, fehlen noch die zwei bis vier Booster – Hilfstriebwerke, die an den Seiten der Rakete montiert werden und beim Start etwa 80 bis 90 Prozent des Schubs leisten. Anders als bei der Ariane 5 enthalten sie keinen flüssigen, sondern festen Treibstoff, der schon beim Bau der Booster integriert wird. Jeder der Booster wiegt darum 140 Tonnen. Würde man die Rakete damit aus der Horizontalen aufrichten, würde sie sich unter der Last verbiegen.
Darum fährt die halbfertige Ariane 6 erst auf Transportfahrzeugen einen Kilometer weit zum eigentlichen Startplatz. Dort wird sie langsam aufgerichtet. Dann rollt eine Art mobile Garage heran – ein 90 Meter hohes Bauwerk, 8200 Tonnen schwer und damit tausend Tonnen schwerer als der Eiffelturm. Es kann sich auf Schienen bewegen, schützt die Rakete vor Regen, Wind und Blitzeinschlägen.