Wirtschaft von oben #62 – Airbus Hier lagert Airbus neu gebaute Langstreckenflieger ein

Die Coronakrise beschert dem Flugzeugbauer Airbus im ersten Halbjahr einen gewaltigen Umsatzeinbruch und fast zwei Milliarden Euro Verlust. Satellitenbilder zeigen, warum: Der Konzern musste weltweit mehr als 100 fertige Maschinen parken, die sich Airlines und Leasinggesellschaften angesichts der Krise nicht mehr leisten können. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

Flughafen Chateauroux

Als Airbus-Chef Guillaume Faury die Zahlen für die erste Hälfte des aktuellen Geschäftsjahrs vorstellt, versucht er, gelassen zu wirken. „Wir haben uns für die neue Realität in unserem Geschäft aufgestellt und dafür unsere Produktion angepasst“, sagt der 52-jährige Franzose am Mittwochmorgen. „Und wir haben an viele Airlines in aller Welt Maschinen ausgeliefert.“

Trotzdem muss er gestehen, dass ihm das Geld zwischen den Fingern zerrinnt. Denn mehr als zwölf Milliarden an flüssigen Mitteln hat der Konzern in den ersten sechs Monaten des Jahres verloren. Den Grund sieht der Manager, wenn er in seinem Büro am Flughafen der südfranzösischen Stadt Toulouse aus dem Fenster blickt. Denn dort parkt mehr als ein Dutzend Maschinen aller Größen. Die hat Airbus zwar für viel Geld produziert. Doch der Konzern bekommt kein Geld dafür, weil die Airlines und Leasingfirmen sich die Jets wegen der Umsatzrückgänge nicht leisten können. Weil sie derzeit jeden Cent brauchen, nehmen sie die Jets nicht ab, auch wenn sie damit ihre Anzahlungen von 20 Prozent und mehr der bis zu 300 Millionen Dollar hohen Kaufpreise verlieren könnten. Airbus konnte in diesem Jahr so bislang fast 150 Jets nicht ausliefern und stellt sie weltweit auf Flughäfen ab.

Inzwischen sind es so viele, dass Faury sie nicht mehr an den Produktionsstandorten unterbekommt. So muss Airbus nicht nur in Hamburg gebaute Maschinen der A320-Reihe an ostdeutschen Flughäfen einlagern. Auch in Châteauroux, einem kleinen Flughafen im Herzen Frankreichs, parkt der Konzern nun jede Menge Maschinen. Hierbei handelt sich es vor allem um neu gebaute Großraumjets der A330- und der besonders sparsamen A350-Reihe. Das zeigen neueste Satellitenaufnahmen von LiveEO und Daten des Flugportals Flightradar24.

Darunter sind mehr als ein halbes Dutzend für Hong Kong Airlines, aber auch welche für Air Caraïbes, die brasilianische Billiglinie Azul und die koreanische Asiana Airlines. Allein die neuen Maschinen hier dürften mehr als vier Milliarden Dollar wert sein. Der Flughafen von Châteauroux ist inzwischen ein riesiger Flugzeugparkplatz, hat hier doch auch British Airways seine A380-Flotte zwischengelagert, solange die Coronakrise andauert.

Weiteres Jets parkt Airbus dem Vernehmen nach am Toulouser-Nebenairport Francazal. Aktuell stehen den Satellitenaufnahmen zufolge neben zwei Boeing 737 und Propellerflugzeugen, die hier immer geparkt sind, elf Mittelstreckenjets der A320-Reihe. Wie viele davon fabrikneue Airbus-Flieger sind, ist allerdings auf den Aufnahmen nicht zu erkennen. Und dieser Flughafen wird von Flightradar24 nicht überwacht. Ende Mai waren es hier jedoch sogar 16 geparkte Airbus, im vergangenen Sommer nur fünf.


Laut Flightradar24 stehen neue Airbus-Flugzeuge etwa vom Typ A350 zudem am Flughafen Lourdes-Tarbes in den Pyrenäen. Und auch wenn Faury sein Werk im chinesischen Tianjin besucht, wird er beim Anflug unverkäufliche Jets auf den Stellplätzen sehen. Kaum besser ist es an den zwei Produktionsstandorten in den USA und Kanada, wo sie offenbar in den Hangars geparkt sind.

Zwar hat Airbus Anfang April die Produktion angepasst. Nachdem der Konzern zuvor mit bis zu 73 Flugzeugen pro Monat plante, sind es jetzt nur noch 48. Doch selbst die ist Airbus nicht losgeworden. Bei den Mittelstreckenflugzeugen der A320-Familie wurden im Juni nur 30 abgenommen. Im Mai waren es nur 18 von geplanten 40 und im April gar nur zwölf von 40. Bei den Langstreckenjets läuft es nicht besser. So lieferte Airbus vom A330 und dem inzwischen größten Modell A350 zuletzt nur vier und im April sogar nur zwei aus.

Und die Aussichten sind nicht gut. Zwar deutete Faury an, dass er im Juli die Auslieferungszahlen noch ein wenig steigern könnte. Doch dabei ließ er durchblicken, dass der Konzern selbst die Planzahlen noch eine Weile nicht erreichen werde. „Wir rechnen nicht mit einem Anstieg in diesem Jahr und Anfang 2021“, sagt der Airbus-Chef. Und die alten Lieferzahlen seien sogar noch weiter entfernt. „Wir könnten das bei den Mittelstreckenjets vielleicht 2022 schaffen, eventuell auch später“, so der Manager. „Bei den Langstreckenflugzeugen dauert es wohl noch länger.“

Die Rubrik „Wirtschaft von oben“ entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.


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