Impostor-Syndrom Sie sind eine Frau? Sie sind gut!

Einige Menschen, vor allem Frauen, glauben, sie seien Hochstapler und verdanken ihren Erfolg Glück oder Mogeleien. Dem ist nicht so. Wir zeigen Wege aus der Tiefstapelei.

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Warum Perfektionismus schadet
Perfektionisten erbringen schlechtere LeistungenJeder Anforderung gerecht zu werden, ist der Wunsch vieler Menschen. Doch wer sich permanent hohe Ziele im Alltag steckt, riskiert psychischen schaden. Das stete Streben nach 110 Prozent ist eher kontraproduktiv - denn Perfektionismus schlägt schnell in Frustration um. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universitäten von York, Toronto und Winnipeg. Das Ergebnis: Perfektionisten bringen keine besseren Leistungen, neigen dafür aber schneller zum Workaholismus. Quelle: dpa
Perfektionismus macht depressivGefährlich wird Perfektionismus vor allem dann, wenn Betroffene an den eigenen Ansprüchen Scheitern. Wer das nur schwer wegsteckt, wird schnell unmotiviert und depressiv. Die Folgen von übertriebenem Perfektionismus können sogar zu Essstörungen oder zu Selbstmord führen. Zu diesem Ergebnis kam eine britische Studie. Laut der Forschergruppe stellten mehr als 70 Prozent der jungen Männer, die Selbstmord begingen, extrem hohe Ansprüche an sich selber und neigten zum Perfektionismus. Quelle: dpa
Perfektionisten haben BindungsängstePerfektionismus wirkt wie ein „Schutzschild“. Wer alle Handlungen kontrolliert, will unverletzlich sein. Tatsächlich haben Perfektionisten aber Probleme, mit anderen Personen in Kontakt zu treten und langfristige Bindungen aufrecht zu erhalten. Das zeigt eine Studie von Shauna Springer. Sie fand heraus, dass Perfektionisten nicht nur Angst vor dem Scheitern haben, sondern sich zudem ungern verletzlich zeigen. Stattdessen haben sie das Gefühl, dauerhaft stark sein und ihre Emotionen kontrollieren zu müssen. Quelle: dpa
Perfektionismus macht schlechte LaunePerfektionisten sitzen gewissermaßen in der Falle. Auf der einen Seite genießen Sie Ansehen, weil sie meist gute Leistungen erbringen. Auf der anderen Seite haben sie das Unglücklichsein praktisch gepachtet. Wer dauerhaft hohe Ansprüche an sich selbst stellt, kann gar nicht anders als Scheitern. Eine Studie von Danielle Molnar von der Brock Universität in Kanada beweist: Das macht schlechte Laune. Alles muss stimmen, ein zweiter Platz gleicht einem Misserfolg und die Freiheit des Mittelmaßes einer Bedrohung. Quelle: AP
Perfektionisten leiden an Aufschieberitis Je höher die Ansprüche, die ein Perfektionist an sich stellt, desto höher auch die Wahrscheinlichkeit, dass er hin und wieder scheitert. Laut der Psychologen Rist und Engberding von der Universität Münster kann das dazu führen, dass Personen, die alles perfekt machen wollen, Aufgaben über lange Zeiträume hinweg aufschieben. Sie resignieren, weil Fehler offenbar nicht vermieden werden können. Quelle: dpa
Perfektionismus führt zu StressDauerhaft perfekt sein – das ist anstrengend. Eine Studie von Paul Hewitt und Gordon Flett zeigt, dass Perfektionismus das Stresslevel erhöht. Wer hohe Ansprüche an sich selber stellt, setzt sich damit automatisch selber unter Druck – und verringert so seine Leistungsfähigkeit,  anstatt sie zu erhöhen. Quelle: dpa
Perfektionismus schadet der GesundheitWer perfektionistisch ist, fragt selten um Hilfe. Denn er will alle Aufgaben bestmöglich erledigen und ist überzeugt davon, dass nur er alleine das kann. Danielle Molnar befragte 500 Erwachsene zwischen 24 und 35 Jahren zu ihrem Gesundheitszustand. Das Ergebnis: Menschen mit einem Hang zum Perfektionismus leiden öfter an Krankheiten, melden sich häufiger auf der Arbeit krank und gehen regelmäßiger zum Doktor. Quelle: dpa

Ihr Chef hat Ihnen gerade eine Gehaltserhöhung oder gar eine Beförderung angeboten, aber Sie fühlen sich nicht wohl dabei? Das Angebot, auf einer Konferenz zu sprechen haben Sie abgelehnt? Oder ist es Ihnen vielleicht unangenehm, wenn Sie jemand für Ihre gute Arbeit lobt? Vermutlich leiden Sie dann wie viele andere Menschen unter dem Impostor- oder Hochstapler-Syndrom.

Menschen, die an der Krankheit leiden, stapeln notorisch tief und glauben, dass sie ihre Aufgaben nur deshalb gut erledigen, weil sie Glück oder die nötigen Beziehungen haben. Lob und Anerkennung wecken Skepsis in den Betroffen und damit wächst die Angst, irgendwann als Hochstapler entlarvt zu werden.

Dass der persönliche Erfolg auf die eigene Leistung zurückzuführen ist, ist für die Betroffenen absolut undenkbar. Die Erkrankung geht so weit, dass Menschen Stellenangebote ausschlagen, aus Angst zu versagen. Studenten, die unter dem Impostor-Syndrom leiden, vertiefen sich wochenlang in Literatur, schreiben etliche Seiten und geben eine Hausarbeit am Ende nicht ab – weil sie glauben, den Überblick über das Wesentliche verloren und keine Ahnung vom Thema zu haben.

 

Frauen glauben häufiger als Männer, dass sie Hochstaplerinnen sind. Trotz 50 Jahren Emanzipationsbewegung haben Frauen noch immer das Gefühl, sich immer mehr anstrengen zu müssen. Laut der Psychologin Astrid Schütz lenken sie ihre Aufmerksamkeit eher auf ihre Schwächen als auf ihre Stärken – was unweigerlich dazu führt, sich minderwertig zu fühlen. Die Psychologin Birgit Spinath hat herausgefunden, dass sich eine Frau intensiver auf einen Test vorbereitet als ein Mann, aus Angst durchzufallen. Fällt sie dann tatsächlich durch, sieht sie sich darin bestätigt, nicht gut genug zu sein und wird immer frustrierter. Schneidet sie gut ab, glaubt sie, sich durchgemogelt zu haben. Männer schreiben ihre Erfolge hingegen meistens ihrem Können zu, an Misserfolgen sind äußere Umstände schuld.

Wege aus der Tiefstapelei

Da diese Tiefstapelei aber meistens unbegründet ist, sollte man dagegen ankämpfen. Schon Kleinigkeiten können helfen, mehr Bewusstsein für die eigene Leistung zu entwickeln. Ein Psychologe hilft, wenn die Krankheit bereits fortgeschritten ist.

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