Ihr Chef hat Ihnen gerade eine Gehaltserhöhung oder gar eine Beförderung angeboten, aber Sie fühlen sich nicht wohl dabei? Das Angebot, auf einer Konferenz zu sprechen haben Sie abgelehnt? Oder ist es Ihnen vielleicht unangenehm, wenn Sie jemand für Ihre gute Arbeit lobt? Vermutlich leiden Sie dann wie viele andere Menschen unter dem Impostor- oder Hochstapler-Syndrom.
Menschen, die an der Krankheit leiden, stapeln notorisch tief und glauben, dass sie ihre Aufgaben nur deshalb gut erledigen, weil sie Glück oder die nötigen Beziehungen haben. Lob und Anerkennung wecken Skepsis in den Betroffen und damit wächst die Angst, irgendwann als Hochstapler entlarvt zu werden.
Dass der persönliche Erfolg auf die eigene Leistung zurückzuführen ist, ist für die Betroffenen absolut undenkbar. Die Erkrankung geht so weit, dass Menschen Stellenangebote ausschlagen, aus Angst zu versagen. Studenten, die unter dem Impostor-Syndrom leiden, vertiefen sich wochenlang in Literatur, schreiben etliche Seiten und geben eine Hausarbeit am Ende nicht ab – weil sie glauben, den Überblick über das Wesentliche verloren und keine Ahnung vom Thema zu haben.
Frauen glauben häufiger als Männer, dass sie Hochstaplerinnen sind. Trotz 50 Jahren Emanzipationsbewegung haben Frauen noch immer das Gefühl, sich immer mehr anstrengen zu müssen. Laut der Psychologin Astrid Schütz lenken sie ihre Aufmerksamkeit eher auf ihre Schwächen als auf ihre Stärken – was unweigerlich dazu führt, sich minderwertig zu fühlen. Die Psychologin Birgit Spinath hat herausgefunden, dass sich eine Frau intensiver auf einen Test vorbereitet als ein Mann, aus Angst durchzufallen. Fällt sie dann tatsächlich durch, sieht sie sich darin bestätigt, nicht gut genug zu sein und wird immer frustrierter. Schneidet sie gut ab, glaubt sie, sich durchgemogelt zu haben. Männer schreiben ihre Erfolge hingegen meistens ihrem Können zu, an Misserfolgen sind äußere Umstände schuld.
Wege aus der Tiefstapelei
Schreiben Sie, welche Erfolge Sie bisher erreicht haben! Sie können solche Aufgaben jederzeit wieder meistern – denn Sie haben das Talent dazu.
Nur weil Sie sich in gerade diesem Moment vielleicht inkompetent fühlen, sind Sie das noch lange nicht. Machen Sie sich bewusst, dass Ihre Gefühle keine Fakten sind.
Reden Sie mit Menschen, denen Sie vertrauen. Teilen Sie mit, dass Sie ängstlich sind. Sie werden auf Verständnis treffen. Und viele Dinge sind nur noch halb so schlimm, wenn man sie beim Namen nennt.
Versetzen Sie sich in die Lage eines Sportlers, der sich zu Beginn eines Wettkampfs vorstellt, wie er auf dem Treppchen steht und die Goldmedaille umgehängt bekommt. Stellen Sie sich vor, Sie hätten die vor Ihnen liegende Aufgabe bereits gemeistert und dass Ihnen die Leute sagen, wie gut Sie sind.
Kein Mensch ist perfekt. Sie nicht. Und auch Ihr Chef nicht. Vergegenwärtigen Sie sich das. Und stellen Sie realistischere Anforderungen an sich selbst.
Da diese Tiefstapelei aber meistens unbegründet ist, sollte man dagegen ankämpfen. Schon Kleinigkeiten können helfen, mehr Bewusstsein für die eigene Leistung zu entwickeln. Ein Psychologe hilft, wenn die Krankheit bereits fortgeschritten ist.